Spinnst du jetzt komplett?

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Ich halte es gerade mal sieben Wochen aus, bis ich vor Sehnsucht fast den Verstand verliere. Ein Treffen zwischen Harry und mir scheint in endloser Ferne zu liegen und auch die Telefonate werden knapper. Er ist zwar in New York, bleibt dort auch einige Wochen, dennoch muss er arbeiten. Viel arbeiten.

"Louis, du siehst wirklich beschissen aus" - "Danke, Liam, du weißt was Männer hören wollen".
Ich verdrehe meine Augen und nehme einen Schluck von meinem Kaffee. Wir haben uns zur Mittagspause im Lemoncake verabredet und genießen Kaffee und den selbstgemachten Erdbeerkuchen.
"Im Ernst, Lou....wann hast du das letzte Mal richtig geschlafen?".
Ich senke meinen Blick. Mehr als vier Stunden Schlaf bekomme ich momentan nicht. Entweder telefoniere ich spät in der Nacht mit Harry, oder ich liege wach und verzweifele an meinen Gedanken.
"Okay, dein Blick sagt alles". Liams Miene wird sanfter, als er mir ein zaghaftes Lächeln schenkt.
"Flieg zu ihm". Sofort schüttele ich meinen Kopf. "Das geht nicht. Wir müssen arbeiten".
Zwar muss ich nicht ins Ausland, aber ich habe dennoch eine Menge zu tun.
"Dann arbeite bei ihm. Du fliegst nach New York und während er arbeiten ist, kannst du doch auch arbeiten. Und abends habt ihr euch dann wieder und könnt sonst was machen".
Kurz überlege ich, schüttele dann aber erneut meinen Kopf. "Das geht nicht so einfach, Liam." - "Schwachsinn. Was soll denn nicht gehen? Du nimmst deinen Laptop und dein ganzes Zeug mit und los geht's. Harry hat doch sicherlich Internet in seiner Wohnung, oder? Und für Rücksprachen kannst du deine Mutter auch von New York aus erreichen".
Eigentlich hat er ja Recht. Meine Arbeit kann ich bequem vom Laptop machen. Ich könnte meine Unterlagen mitnehmen und alles andere kann die Agentur mir per Mail schicken. Also eigentlich...eigentlich spricht nichts dagegen. Wobei...
"Was ist, wenn Harry das nicht will?".
Vielleicht will er ja nach der Arbeit seine Ruhe haben. Vielleicht will er nicht, dass ich in seiner Wohnung sitze, während er arbeiten ist.
"Spinnst du jetzt komplett? Als wenn Harry nein sagen würde. Er vermisst dich mindestens genau so wie du ihn. Also wirklich, Louis".
Der Gedanke daran eine Weile bei Harry zu wohnen ist schon verlockend. Ich könnte endlich wieder richtig schlafen, hätte ihn neben mir und könnte endlich wieder mit ihm kuscheln, ihn küssen...scheiße, warum eigentlich nicht?
"Ich mache es", beschließe ich und schiebe mir den letzten Bissen des Kuchens in den Mund, ehe ich aufstehe und Sam zu uns winke.
"Jetzt sofort?". Liam sieht etwas irritiert aus, doch als ich nicke, schleicht sich ein breites Grinsen auf seine Lippen. "Dann los, ab zu deiner Mom, buch einen Flug und dann los".

Ganz so schnell geht es dann allerdings doch nicht.
Ich bekomme erst zwei Tage später einen Flug. Meine Mutter macht keine Probleme, scheint sogar regelrecht begeistert von der Idee zu sein und will mich am liebsten sofort zum Flughafen schicken.
Meine Sachen sind schnell gepackt. Wie lange ich bleiben werde weiß ich nicht, aber mindestens eine Woche. Eher Zwei. Je nachdem wie es Harry passt.
Der weiß übrigens nichts von meinem Plan.
Ich möchte ihn überraschen.
Ich will ihn genau so überraschen, wie er mich vor Weihnachten überrascht hat.
Ob er sich freuen wird? Ich hoffe doch. Sein Blick wird sicherlich ziemlich lustig, wenn ich einfach bei ihm vor der Tür stehe.

Am frühen Morgen steige ich dann also zwei Tage später in das Flugzeug, welches mich zu meinem Freund bringt.
Aufregung hat Besitz von mir genommen und ich bekomme nichts herunter. Lediglich einen ekelhaften Kaffee kippe ich in mich herein, während ich mich durch die Filme des Flugzeugs quäle.
Ich werde immer hibbeliger, je näher ich komme.
Einen genauen Plan habe ich nicht. Ich werde mir ein Taxi nehmen und dann einfach zu seiner Wohnung fahren. Ob er da ist, weiß ich nicht, aber selbst wenn nicht, werde ich einfach vor seiner Tür warten. Theoretisch habe ich ja einen Schlüssel und kann einfach in seine Wohnung gehen, aber irgendwie finde ich das nicht richtig. Nicht, wenn Harry nicht weiß, dass ich kommen werde. Ich persönlich würde einen Herzinfarkt bekommen, wenn ich nichtsahnend meine Haustür öffnen würde und dann jemand auf meinem Sofa sitzt. Nein. Lieber warte ich Stunden im Treppenhaus.

Neun Stunden später steige ich in New York aus dem Flieger.
Mein Bauchkribbeln ist ins unermessliche gestiegen und Übelkeit begleitet mich. So etwas habe ich noch nie gemacht. Ich war noch nie so spontan und auch habe ich noch nie so ungeplant eine Reise angetreten. Normalerweise plane ich alles durch, mache eine Packliste und wenn es richtig gut läuft, mache ich eine Packliste für die Packliste.
Ich bin ein kleiner Kontrollfreak und so wundert es mich wirklich, dass ich das hier so einfach ohne mit der Wimper zu zucken durchziehe.
Es dauert Ewigkeiten, bis mein Koffer ankommt und genau so lange dauert es, bis ich endlich ein freies Taxi finde. Als meine Hand den Türgriff des Autos erfasst, halte ich kurz inne und muss in mich hineinlachen. So hat alles angefangen. So haben wir uns kennengelernt.
Wenn mir damals jemand gesagt hätte, dass ich mich Hals über Kopf in den Mann der mir mein Taxi klaut verlieben werde, hätte ich der Person einen Vogel gezeigt. Aber da konnte ich ja auch noch nicht wissen, dass mein Freund ein Geschenk des Himmels ist.
Grinsend beiße ich mir auf meine Unterlippe, während ich dem Fahrer die Adresse nenne.
Gott, ich kann es kaum noch aushalten, bis ich ihn endlich in meine Arme nehmen kann.
Und wie mir seine Lippen gefehlt haben. Ich werde ihn sicherlich eine halbe Stunde nur küssen. Vielleicht auch länger. Vielleicht werde ich auch niemals wieder damit aufhören seine Lippen zu küssen.
Scheiße, kann das Taxi nicht schneller fahren?

Amor manet.Where stories live. Discover now