Was stimmt denn mit ihm nicht?

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Der Abend ist einfach nur schön. Noch lange sitzen wir auf der Terrasse des Restaurants, anfangs alleine, zu später Stunde dann gemeinsam mit Akio und Aubrey. Wir lachen viel, trinken Wein und für einen winzigen Moment vergesse ich diesen komischen Typen, der mir den Tag versaut hat.
Als wir dann jedoch aufbrechen, ist der Pavianarsch in meinem Kopf wieder mehr als präsent.

Ich weiß nicht was uns erwartet, als wir die Treppen zu Harrys Wohnung hinaufgehen. Theoretisch kann alles passieren. Der Typ kann Harrys Wohnung leer geräumt haben, er kann sie komplett verwüstet haben, oder aber, was ich wirklich nicht hoffe - er ist noch da.
Mein Freund schließt die Tür auf und während wir hineingehen, halte ich ungewollt die Luft an.
Okay, die Wohnung sieht aus wie vorher. Sie ist weder verwüstet, noch scheint im ersten Moment irgendetwas zu fehlen. Auch Harry lässt seinen Blick gleiten, sieht das ordentlich zusammengelegte Bettzeug, welches auf dem Sofa liegt. Er verschwindet im Bad und als er wieder kommt, zieht er mich lächelnd in seine Arme und gibt mir einen kurzen Kuss.
"Er ist verschwunden. Seine Zahnbürste und das Waschzeug sind nicht mehr da."
Erleichtert atme ich auf.
Ich begegne dem grinsenden Blick meines Freundes und keinen Moment später schreie ich erschrocken auf, da Harry mich gepackt hat und zum Sofa trägt. Noch immer grinsend lässt er mich auf diesem hinab, beugt sich dann über mich und verbindet unsere Lippen zu einem leidenschaftlichen Kuss. Ein Seufzen kommt über meine Lippen, während ich meine Arme um seinen Nacken lege und ihn enger an mich ziehe.
Jetzt kann ich meinen Aufenthalt hier wieder genießen.
Eine Weile liegen wir so da, küssen uns, lassen unsere Hände wandern. Die Lippen meines Lockenkopfes wandern auf meinen Hals, liebkosen die Haut darunter und ich stöhne leise auf. Meinen Kopf neige ich zur Seite, genieße seine Lippen und stöhne erneut, als seine Hand sich den Weg in meine Hose bahnt.
Doch dann erweckt etwas auf dem Couchtisch meine Aufmerksamkeit. Dort liegt ein weißer Zettel, auf dem irgendetwas in unordentlicher Handschrift steht.
"Haz-". Ich versuche ihn sanft von mir zu schieben, doch er denkt nicht einmal daran mit seinen Küssen aufzuhören. Auch seine Hand macht ungeniert weiter in meiner Hose, doch dieses Blatt leuchtet mich regelrecht an. Verspottend liegt es dort auf dem Tisch, sodass ich das hier nicht mehr genießen kann.
"Harry".
Bestimmend drücke ich ihn von mir, was mir einen verwunderten Blick beschert. Ich deute auf das Blatt und dann sieht es auch mein Freund. Stirnrunzelnd setzt er sich etwas auf, greift über mich rüber und angelt sich das weiße Stück Papier, welches sich in meine Augen brennt.
Harrys Augen fliegen über das Blatt, während er sich beim lesen aufsetzt. Auch ich bringe mich wieder in eine sitzende Position, ziehe meine Beine an meine Brust und schlinge meine Arme um mich selbst.
Meinen Freund beobachte ich genau, lasse ihn nicht aus den Augen und studiere jegliche Gefühlsregung in seinem Gesicht. Als Harry fertig ist, schließt er kurz seine Augen und schüttelt seinen Kopf. "Was steht drauf?", traue ich mich vorsichtig zu fragen, als Harry seine Augen wieder öffnet und mich ansieht. "Unsinn."
Ich nehme ihm das Blatt aus der Hand und beginne selbst zu lesen.

Harry,
Schade, dass mein Aufenthalt bei dir schon vorbei ist. Die wenigen Tage mit dir waren wundervoll und ich habe sie sehr genossen. Es hat mich an damals erinnert, als wir noch gemeinsam in deinem Bett lagen, gemeinsam hier am Tisch gefrühstückt haben.
Du bist ein Freigeist, Harry, aber das ist okay. Ich kann verstehen, dass du dich ausleben willst. Du bist jung, gutaussehend und Erfolgreich. Es ist okay und ich akzeptiere das.
Ich kann warten.
Ich werde warten, denn tief in deinem Inneren weißt du, dass ich der Richtige für dich bin. Ich bin der Eine für dich und ich liebe dich. Und deshalb bin ich dir nicht böse.
Ich werde auf dich warten, bis du endlich soweit bist und dann können wir endlich unsere Zukunft zusammen verbringen.
Melde dich bei mir, wenn du deine Zeit nicht mehr mit dahergelaufenen Männern verbringen willst, sondern endliche etwas festes möchtest.
Ich werde da sein,

in Liebe, dein Chad.

Mir fallen fast die Augen aus dem Kopf, als ich diesen Brief lese.
Hat der Typ sie nicht mehr alle? In was für einer kranken Parallelwelt lebt er denn bitte?
Harry hat ihm doch klar und deutlich gesagt, dass er kein Interesse an ihm hat. Wie um alles in der Welt kommt er denn bitte auf diese Gedanken. Was hat ihn dazu gebracht, auf solche Gedanken zu kommen?
"Was stimmt denn mit ihm nicht?", lasse ich meine wirren Gedanken frei und sehe zu meinem Freund, der mit den Schultern zuckt. "Ich habe ihm nie irgendwelche Hoffnungen gemacht und auch haben wir nie hie gelegen, geschweige denn zusammen gefrühstückt, außer eben dem einem Mal."
Harrys Blick ist flehend, ängstlich. Er hat Angst, dass ich ihm nicht glaube, doch diese Angst ist unberechtigt. Ich glaube ihm und weiß, dass dieser Chad gehörig einen an der Waffel hat.
Der Typ hat einfach eine komplett verdrehte Ansicht auf diese ganze Sache.
Die prickelnde Stimmung ist jedenfalls dahin und ich erdolche diesen Pavianarsch innerlich dafür, dass er es schafft auch noch den Rest des Tages zu versauen, obwohl er nicht mehr hier ist.

Amor manet.Where stories live. Discover now