Er hätte Mein sein können.

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"405, da wären wir". Gigi sieht mich aufmunternd an, während ich gegen das graue Türblatt starre und kein Gefühl in meinem Körper habe. Alles fühlt sich taub an.
"Ich bin gleich den Gang runter. Zimmer 420. Wenn was ist, melde dich bitte, okay?".
Beklommen nicke ich, ein auffälliges Grummeln in meinem Bauch begleitet diese Geste.
Das Model klopft mir noch einmal auf die Schulter, dann verschwindet sie den Gang herunter und überlässt mich meinem Schicksal.

Was mache ich denn, wenn er mich nicht sehen will?
Wenn er mir die Tür vor der Nase zuschlägt, oder noch schlimmer - wenn er nicht alleine ist?
Oh Gott, daran habe ich ja noch gar nicht gedacht.
Was ist, wenn Harry mittlerweile vergeben ist?

Übelkeit breitet sich in mir aus und ich möchte schon einen Schritt von der Tür wegmachen, als ich seine Stimme hinter dieser höre.
"Verdammt, Gems, was soll ich denn bitte machen?".
Gedämpft schallt seine wundervolle Stimme in den Flur hinaus und ich bleibe angewurzelt stehen.
Gemma ist auch hier? Nein. Sicherlich telefonieren sie.
Sein Lachen erklingt, aber ich kann sofort heraushören, dass es nicht echt ist. Es hat einen gewissen sarkastischen Unterton und es gefällt mir gar nicht.
"Genau und dann? Verdammt, Gemma!".
Ob es um mich geht?
"Aber es ist Louis!".
Okay, Frage beantwortet.

Bevor ich hier noch weiter wie ein kranker Stalker vor der Tür stehe und lausche, setze ich alles auf eine Karte und klopfe.
Mein Puls steigert sich und auch mein Herzschlag verdoppelt sich binnen weniger Sekunden.
Alles in mir steht auf einmal unter Strom.
"Warte mal", höre ich ihn, verdammt nah an der Tür und dann, dann öffnet sich die Zimmertür und ich gefriere wieder zu Eis.

Da steht er, wunderschön und einfach umwerfend und sieht mich mit seinen grünen Augen an.
Mein Mund öffnet sich, meine Worte bleiben allerdings in meinem Hals stecken.
Er sieht mich an, nicht einmal überrascht, dass ich hier stehe. Keine Regung geht durch sein Gesicht, sein Handy liegt noch immer an seinem Ohr und ich war mir noch nie so unsicher wie in diesem Moment.
Wartend sieht er mich an, Sekunden vergehen, als endlich wieder Leben in meinen Körper kommt.
"Ich...kann...kann ich rein kommen?".
Meine Stimme ist ein Witz und hat jegliche Festigkeit verloren.
Die Unsicherheit legt sich wie ein Mantel über meinen Körper, nimmt jede Faser ein und als Harry nach einer gefühlten Ewigkeit nickt, möchte ich am liebsten laut aufjubeln.
Er geht wieder in das Zimmer, zögerlich folge ich ihm und schließe die Tür hinter mir.
Sein Handy hat er noch immer in der Hand, vielleicht hat er Gemma vergessen, ich weiß es nicht.
Abwartend sieht er mich an, noch immer keinerlei Gefühl in seinen Gesichtszügen und ich frage mich, was wohl gerade in seinem hübschen Kopf los ist.

Meine Finger kribbeln und alles in mir schreit danach, ihn in meine Arme zu schließen.
Ich möchte seine Wärme spüren, möchte seinen weichen Lippen küssen und ich möchte bei ihm sein.
Ich will Alles - ich will ihn.
Wieder schießen mir die Tränen in die Augen. Meine Kehle wird enger, meine Nase dicht.
Wieso habe ich das alles zerstört?
Vielleicht hätten wir das wirklich schaffen können.
Vielleicht hatte Harry Recht.
Vielleicht wären wir anders.
Aber jetzt? Jetzt ist es vermutlich zu spät.
Jemand wie Harry hat doch sicherlich schnell jemand Neues. Er sieht einfach viel zu gut aus. Er könnte Jeden haben auf dieser Welt, warum also an mir festhalten?
Sicherlich hat er jemanden, der jeden Abend Zeit für ihn hat. Der ihn von der Arbeit abholt, mit dem er gemeinsam für das Frühstück auf dem Wochenmarkt Eier holen kann.
Ich möchte dieser Jemand sein.

"Ich...Harry, ich....es...-", ein lautes Japsen kommt aus meiner Kehle. Ich vergrabe mein Gesicht unter meinen Handflächen, lasse meinen Kopf hängen und versuche gar nicht mehr die Tränen aufzuhalten. Warum auch? Es gelingt mir ja eh nicht.
In meinem Kopf formen sich Sätze, sinnvolle Sätze, aber außer einem kläglichen Röcheln verlässt nichts meinen Mund. Das Zittern in meinem Körper wird mehr, nimmt gänzlich Besitz von mir ein.
"Ich...-", wieder gebe ich auf.
Plötzlich schlingen sich Arme um mich. Ich spüre seinen Oberkörper, spüre seine Wärme und rieche sein Parfum.
Im Himmel, ich bin im Himmel.
Das allerdings macht Alles nur noch schlimmer.
Mein Japsen wird stärker, die Luft immer weniger, der Druck seiner Arme um mich dafür mehr.
"Ich melde mich später, Gems".
Das Handy fällt neben uns auf den Boden. Gut, dass hier ein flauschiger Teppich ausgelegt ist.
Dann wird der Druck um mich erneut enger und er schlingt seine Arme komplett um mich.
Harrys Kinn legt sich auf meinen Kopf.
"Es tut mir leid", schniefe ich, presse mich enger an ihn. "Ich...ich wusste doch nicht.....wusste nicht....wie...wie weh...", ich gebe komplett auf. Sätze bilden schaffe ich einfach gerade nicht.
Stattdessen stehen Harry und ich einfach in diesem Hotelzimmer, Arm in Arm und warten darauf, bis ich mich von meinem Heulkrampf erholt habe.

Zaghaft drückt er mich von sich, umfasst mein Gesicht mit seinen Händen und wischt mit seinen Daumen die Tränen von meinen Wangen.
Mein Herz rast bereits wieder, meine Wangen prickeln.
"Ich denke wir müssen mal reden, richtig?".
Paralysiert nicke ich.
"Gut. Wie wäre es, wenn wir einen Spaziergang machen?".
Wieder nicke ich, merke wie Harrys Hände mich verlassen. Sofort erreicht mich die gemeine Kälte, weshalb ich zitternd meine Arme um mich schlinge.
Ich beobachte Harry dabei, wie er sich einen Wollmantel schnappt, seine Boots anzieht und mir mit seinem Anblick einen heftigen Arschtritt verpasst.
Er hätte Mein sein können.

Amor manet.Where stories live. Discover now