Zu viel?

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Harry ist am nächsten Morgen tatsächlich noch da. Angezogen liegt er neben mir, seine Haare feucht, vermutlich war er schon duschen und mit einem besonnenen Lächeln auf den Lippen. Er wünscht mir einen "Guten Morgen", ehe sich unsere Lippen treffen und uns Beiden klar wird, dass das hier unser letzter Tag zusammen ist.
Unsere Lippen trennen sich voneinander und Harrys Lächeln ist verschwunden. Traurig sieht er mir in die Augen, streicht durch meine Haare und küsst mich erneut kurz.
"Es tut mir Leid, Louis, aber ich muss gleich los. Ich habe ein wichtiges Shooting, dass über meine Zukunft entscheidet".
Natürlich bin ich traurig deswegen, aber ich kann kaum erwarten, dass er seine Arbeit schleifen lässt, nur weil ich morgen wieder nach Hause fahre. Zudem sehen wir uns ja heute Abend.
"Es ist okay", hauche ich deshalb und schmiege mich noch einmal in seine Arme.
Ich werde das wirklich vermissen.

Später am Tag schlendere ich mit Liam durch die Straßen. Wir wollen unseren letzten Tag nicht mit irgendwelchen Sehenswürdigkeiten verschwenden, sondern einfach schauen, wo es uns hinführt.
Ich suche irgendetwas, was ich Harry als Andenken an mich schenken könnte. Irgendetwas, was ihn ab und an mal an mich denken lässt, aber so einfach ist das irgendwie nicht.
Ich kenne diesen Mann ja kaum.
Zwar haben wir intensive Gespräche geführt, aber die banalen Dinge weiß ich nicht. Ich kenne zum Beispiel nicht seine Lieblingsfarbe, weiß nicht, welche Schuhgröße er hat oder aber was er am liebsten isst. Stattdessen weiß ich aber vieles aus seiner Kindheit, weiß über sein Studium zur Fotografie bescheid und auch weiß ich, wie Harry an diese unglaubliche Wohnung gekommen ist.

"Und das hier?", möchte Liam wissen und zeigt auf ein blaues Shirt. Genervt schüttele ich meinen Kopf. "Was soll er denn mit einem T-Shirt?", möchte ich wissen und bin dabei aufzugeben.
"Ich bin in sowas verdammt schlecht, Louis. In dieser Hinsicht bin ich dir keine Hilfe".
Ich nicke, wohlwissend, dass mein bester Freund genauso unromantisch ist wie ich. Man könnte sagen, dass ein angebissener Apfel romantischer ist, als wir.
Plötzlich erweckt etwas in meinem Augenwinkel meine Aufmerksamkeit. Ich drehe mich um und steuere direkt auf den Gegenstand zu. "Das ist es", hauche ich und nicke mir zustimmend zu.
"Ich bin mir sicher, dass es ihm gefallen wird".
Ich kaufe die kleine, silberne Kette, die einen Papierflieger als Anhänger hat. Sie ist schlicht und doch scheint sie irgendwie zu passen. Ich weiß nicht warum, aber irgendetwas sagt mir, dass es genau Das ist, wonach ich gesucht habe.
Anschließend schlendern wir weiter durch die Straßen, kaufen hier und dort noch ein paar Andenken für unsere Freunde oder uns selbst und machen dann Halt in einem kleinen Café um dort eine Waffel zu essen und einen Kaffee zu trinken.
"So schlecht war der Urlaub dann ja doch nicht, oder?", neckt mein bester Freund mich und nimmt einen Schluck von seinem Kaffee.
"Nein, ich hatte wirklich Spaß", gestehe ich und schenke Liam ein ehrliches Lächeln. "Auch wenn ich nicht wirklich der beste Freund war und dich viel alleine gelassen habe".
Ich habe wirklich ein schlechtes Gewissen deswegen. Aber Liam winkt mal wieder ab.
"Ich hatte auch eine Menge Spaß und wirklich nette Leute kennengelernt. Niall und Gemma sind wirklich nett und ich konnte mich beim Golfen ausprobieren. Alles gut, Louis".
Trotzdem. Mein schlechtes Gewissen bleibt.

Als es dann immer später wird, gehen wir zurück in unsere Suite und packen schonmal unsere Koffer.
Wehmut macht sich in mir breit und ich bin wirklich noch nicht bereit hier wegzufliegen.
Ich habe tatsächlich einige Tage nicht an die Arbeit gedacht und auch wenn ich es am Anfang abgestritten habe, merke ich jetzt, wie ich entspannter bin. Vielleicht war ich tatsächlich überarbeitet und vielleicht kam mein Zusammenbruch wirklich deshalb.
"Louis?".
Liam erscheint in meinem Schlafzimmer und sieht auf meinen Koffer.
"Ich nehme an, du wirst heute Nacht bei Harry bleiben?".
Wir haben zwar nicht darüber gesprochen, trotzdem nicke ich. Ich möchte meine letzte Nacht gemeinsam mit dem Lockenkopf verbringen.
Liam nickt und sieht mich dann etwas unsicher an. Ich weiß was in seinem Kopf rumgeht, doch ich mache mir darüber keine Gedanken. Will ich nicht.
"Soll ich dich zu ihm bringen? Ich wollte mich noch von Niall und Gemma verabschieden und das liegt auf dem Weg".
Harry und seine Schwester wohnen wirklich nicht weit auseinander, weshalb ich dankend nicke. Alleine durch New York irren ist mir dann doch ein bisschen zu unheimlich.
"Okay, dann gehe ich jetzt duschen und dann können wir los."

~~**~~

Aufgeregt und verdammt nervös betrete ich eine Stunde später die Wohnung von Harry. Lächelnd sieht er mich an, zieht mich in seine Arme und verschließt unsere Lippen miteinander.
Am liebsten würde ich ihn bis morgen durchgehend küssen. Ich will diese Lippen nicht missen und der Gedanken daran, dass ich ab Morgen diese Lippen nie wieder spüren darf, verschafft mir Magenschmerzen.
"Ich hoffe du findest es nicht zu kitschig, aber ich wollte etwas besonderes machen", haucht der Fotograf leise, als er meine Lippen wieder freigibt.
Fragend sehe ich ihn an, als er mich an der Hand in das Wohnzimmer führt und mir erstmal der Mund aufklappt.
"Harry", kommt es keuchend aus meinem Mund und ich staune nicht schlecht, über die Mühe die er sich gegeben hat.
Der Kamin brennt, die Flammen tauchen den Raum in ein angenehmes rot und vor dem Kamin ist ein Meer aus Decken und Kissen ausgebreitet. Einzige Kerzen stehen um die Decken herum und in der Mitte dieser Kuschelecke steht ein Tablett mit kleinen Leckereien. Ich erkenne Erdbeeren, Weintrauben, Baguette und noch vieles mehr. Zudem steht eine Weinflasche bereit.
"Zu viel?".
Gerührt drehe ich mich zu ihm um, schlinge meine Arme um ihn und vergrabe mein Gesicht an seiner Brust. "So etwas hat noch nie jemand für mich gemacht".
Noch nie hat sich jemand solch eine Mühe für mich gegeben.
Ich merke, wie Harry seine Arme fest um mich schlingt und sein Kinn auf meinen Kopf legt.
"Du hast es verdient. Ich möchte uns einen unvergesslichen Abend machen."

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