Wer ist Jace?

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Bevor ich die Wohnungstür hinter mir zu knalle halte ich inne und verdrehe meine Augen.
Ich Idiot.
Erneut betrete ich die Wohnung, ziehe mir Schuhe an und schnappe mir mein Handy, meinen Schlüssel und meine Geldbörse, ehe ich erneut die Wohnung verlasse und die Tür dann mit einem lauten Scheppern ins Schloss fallen lasse.
Nicht der dramatischte Abgang, aber Barfuß, ohne Handy und ohne Geld will ich dann doch nicht durch New York irren.
Ich sehe an mir herunter und zucke mit den Schultern. Meine Jogginghose ist nicht die schönste, aber das ist mir egal.

Auf der Straße angekommen öffne ich mein Handy und gebe die Adresse ein.
Scheiße.
Zu Fuß ist es viel zu weit. Kurz überlege ich, aber da ich mich mit dem Netz der Sub hier nicht auskenne, winke ich mir ein Taxi heran.
Ich habe wenig Lust mich mit der Sub zu verfahren, irgendwo auszusteigen und dann festzustellen, dass ich doch noch zehn Kilometer laufen muss.
Es dauert ein wenig, doch dann bekomme ich endlich ein Taxi und als ich dem Fahrer die Adresse nenne, wir losfahren, merke ich sehr schnell, dass meine Idee wirklich gut war.
Wir fahren in ein Industriegebiet, gute vierzig Minuten und ich bin mir sicher, dass hier keine Sub direkt hingefahren wäre.
Meine Laune ist definitiv im Keller und ich merke die Wut, die sich einfach nicht legen will. Mir ist egal, dass Harry arbeiten muss. Er muss mir einfach Antworten geben. Dieser Penner darf einfach kein Recht haben. Zwar glaube ich ihm kein Wort, aber unsicher bin ich dennoch. Ich brauche einfach Antworten.

Als wir ankommen stehen wir vor einer großen Lagerhalle. Unzählige Autos stehen davor und machen mich dann doch nervös. Sicherlich wird Harry nicht erfreut sein, wenn ich da jetzt reinstürme und ihm eine Szene mache. Aber er hat eigentlich kein Recht dazu. Immerhin hat er diesen Pavianarsch in seine Wohnung gelassen.
Ich zahle den Fahrer und verlasse das Taxi.
Es gibt nur eine Tür, oder eher gesagt ein großes Rolltor, welchen offen ist. Davor stehen zwei Männer in Anzügen, rauchen und unterhalten sich.
Kurz atme ich durch, recke dann mein Kinn in die Höhe und gehe so selbstsicher wie möglich an ihnen vorbei. Sie schenken mir keine Beachtung und ich danke Gott dafür, dass hier niemand steht und Ausweise kontrolliert. Bei Shootings habe ich das auch schon oft anders erlebt. Einige Klienten haben regelrechte Türsteher organisiert, damit auch ja niemand ans Set kommt, der dort nichts zu suchen hat. Hier rechnet vermutlich niemand damit, dass sich hier einer her verirrt.
Als ich die Halle betrete, erschlägt mich der Lärm fast.
Laute Musik läuft im Hintergrund, überall rennen Menschen herum und die Strahler die hier rumstehen sind so hell, dass man eine Sonnenbrille gut gebrauchen könnte.
Ich entdecke Harry sofort. Er steht hinter seiner Kamera und macht eifrig Fotos von einem Model, welches an einem Seil hängt und mit einem Bein auf leeren Kisten steht. Von dem Seil wird später nichts mehr zu sehen sein und ich wette, dass diese Bilder wie immer einfach unglaublich werden.
"Louis?".
Überrascht zucke ich zusammen, drehe mich nach links und entdecke ein bekanntes Gesicht.
Scheiße.
Verdammte Scheiße.
Gucci?
Das hier ist ein Shooting für Gucci?
Verdammt, hier kann ich doch keine Szene machen. Nicht hier.
"Louis, ich wusste gar nicht, dass du auch hier bist. Haben wir Models von euch?", will Antonio, der Chefdesigner von Gucci wissen und kommt freudestrahlend auf mich zu. Er zieht mich in seine Arme, gibt mir ein Küssen links und eines rechts auf meine Wange, ehe er mich wieder anstrahlt und auf eine Antwort wartet.
"Wir...nein. Wir haben keine Models hier", gestehe ich und schaue zu Harry, welcher allerdings noch immer voll in seinem Element ist.
Antonio sieht mich verwundert an, als ich meine Hände in die Hosentasche schiebe und ihn unsicher anschaue. "Ich bin wegen Harry hier. Dem Fotografen".
"Warum wegen -", seine Augen werden groß, ehe er breit grinst. "Ah, du bist also der neue Freund, von dem Harry ohne Punkt und Komma spricht.".
Meine Wangen werden rot und erneut bestätigt sich meine Meinung, dass dieser Arsch in Harrys Wohnung nur Bullshit redet. Wenn sogar der Designer von Gucci mich von Harrys Erzählungen kennt, dann kann Harry doch nicht so ein Doppelleben führen, oder?
Er wird ja wohl schlecht von mir sprechen und dann einfach jemanden abschleppen.
Oder?
"Willst du ihn überraschen?". Zögerlich nicke ich. Kann man so sagen, ja.
"Gut, du musst dich noch ein paar Minuten gedulden. Das Set ist gleich fertig und dann wird umgebaut. Dann hat er ein paar Minuten Zeit. Möchtest du etwas trinken?".

Ich bekomme einen Kaffee und stehe wartend in einer Ecke. Meine Augen liegen die ganze Zeit auf Harry und als dann endlich das Set beendet ist, er seine Kamera bei Seite legt, sehe ich, wie Antonio auf ihn zugeht und ihm etwas ins Ohr sagt. Sofort schnellt Harrys Kopf herum. Seine Augen suchen die Halle ab und als sie dann an mir hängen bleiben, erhellt sich sein Gesicht und er kommt ohne Umschweife auf mich zu. Bei seinem Anblick beginnt mein Bauch zu kribbeln und ich verfluche mich dafür, dass ich auch nur eine Sekunde den Gedanken hatte, dass die Worte dieses Proleten wirklich wahr sein könnten. Oder Harry ist ein wirklich guter Schauspieler. Narzissten können sowas bekanntlich sehr gut. Aber Harry ist kein Narzisst. Das hätte ich längst bemerkt.
Denke ich.
"Love, was machst du denn hier?", möchte Harry wissen, als er endlich bei mir angekommen ist und mich in seine Arme zieht. Ich bekomme direkt einen Kuss und das Flattern in meinem Bauch wird nur stärker. Doch dann erinnere ich mich an die Worte und ich drücke Harry leicht von mir.
"Wer ist Jace?".

Amor manet.Unde poveștirile trăiesc. Descoperă acum