Man kann sich nicht aussuchen, wann man sich verliebt.

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Wir wollen Arbeit und Beruf voneinander trennen. Wir wollen professionell bleiben, was nicht heißt, dass wir unsere Beziehung verheimlichen, oder abstreiten, nein, nur lassen wir nicht das verliebte Paar raushängen. Keine endlosen Umarmungen, keine Küsse und kein Klammern am Set.
Es wird schwer werden, denn ich schwebe auf Wolke Sieben und möchte mich am liebsten an Harry festkleben, aber das würde unsere Jobs wirklich einschränken.

Als wir am nächsten Tag am Set ankommen, welches dieses Mal in einem Fotostudio stattfindet, überprüfe ich, ob die Models unserer Agentur schon vor Ort sind.
Zu meiner Erleichterung stelle ich fest, dass alle pünktlich hier erschienen sind. Kurz frage ich sie, ob alles okay ist, ob es ihnen gut geht und das Hotel in Ordnung ist, ehe ich mich an meinen Laptop zurückziehe und mit meiner Arbeit beginne.
Während Harry die Fotos macht, kann ich einfach weiter arbeiten, Anfragen prüfen und Termine vereinbaren.

Das Shooting beginnt und immer wieder huscht mein Blick zu meinem Freund. Er sieht hochkonzentriert aus, positioniert die Models immer wieder um und wechselt nicht nur einmal das Objektiv. Es ist schwer, meinen Blick von ihm loszureißen, doch ich muss arbeiten und so zwinge ich mich, zumindest zwischendurch immer mal wieder auf meinen Laptop zu schauen.
Wir haben einige Bewerbungen bekommen. Junge Models, die in unsere Agentur möchten.
Die Bewerbungen werde ich mir allerdings erst zu hause anschauen, da ich mir ihre Setcards lieber auf einem größeren Bildschirm anschauen möchte. Zudem muss meine Mutter mit dabei sein.
Plötzlich erklingt Harrys Lachen und weckt somit meine Aufmerksamkeit.
Ein junger Mann steht vor ihm, die beiden umarmen sich und wollen sich anscheinend gar nicht mehr los lassen.
Ich setze mich aufrechter hin, lasse die beiden nicht mehr aus meinen Augen.
Harry und der Typ unterhalten sich einen Moment, ehe Harry erneut lacht und dem Typen gegen die Brust haut. Schmunzelnd schüttelt er den Kopf, schiebt ihn dann vor die Kulisse und beginnt damit, ihm zu sagen wie er stehen soll.
Ich kann männliche Models nicht ausstehen.
Ab jetzt.
Mit Adleraugen beobachte ich das Geschehen, zwinge mich dann aber wieder auf meinen Laptop zu schauen, da ich nicht schon wieder wie ein eifersüchtiger Pavian rüberkommen will.
Ich habe nichts zu befürchten, rede ich mir immer wieder ein, kann aber gegen das nagende Gefühl in meiner Brust nichts machen.
Kennen die beiden sich?
Ob Harry ihn attraktiv findet?
Der Typ ist viel zu dünn. Er hat ja nicht mal einen richtigen Hintern in der Hose.

Als die Pause eingeläutet wird, hebe ich erneut meinen Blick und sehe Harry, der schon wieder mit diesem Model redet.
Die sollen aufhören sich zu unterhalten.
Das grüne Monster in mir breitet sich immer mehr aus und ich kann dagegen nichts tun.
Ich stehe auf, stecke meinen Rücken durch und gehe auf die beiden zu. Als Harry mich bemerkt, erscheint ein breites Lächeln auf seinen Lippen und unweigerlich fühle ich mich, mal wieder, unglaublich dämlich, dass ich die Eifersucht erneut zugelassen habe.
Er liebt mich.
"Louis". Lächelnd legt er seinen Arm um meine Schulter, zieht mich an sich und sieht dann das Model an. "Louis, darf ich dir Juan vorstellen?".
Nein, eigentlich nicht. Dennoch nicke ich, reiche dem Typen meine Hand und stelle mich dann unnötigerweise vor.
Dieser Möchtegern Franzose mustert uns, sieht dann mit einem Grinsen zu Harry, welcher seine Augen verdreht, in das Grinsen allerdings mit einsteigt.
"Denk nicht in die falsche Richtung, Juan. Louis und ich sind zusammen."
Die Augen des Models weiten sich. "Oh, so richtig?", - "Ja, so richtig", gebe ich angepisst von mir und mag diesen Typen nicht.
Dieser Juan mustert mich, sieht mich nachdenklich an, ehe sein Blick wieder zu Harry fliegt.
"Ich dachte, du hast dafür keine Zeit?".
Hä?
Fragend richte ich meinen Blick zu meinem Freund, der mir allerdings ein liebevolles Lächeln schenkt und mir in die Augen sieht. "Tja, manchmal kann man es sich nicht aussuchen, ob man eigentlich Zeit dafür hat, oder nicht. Wenn Jemand kommt und dir den Boden unter den Füßen wegreißt, dann hat man keine andere Wahl".
Nun muss ich auch lächeln. Harry streicht mir einmal kurz über meine Wange, sieht dann wieder zu diesem Model. "Man kann sich nicht aussuchen, wann man sich verliebt."
Schmetterlinge breiten sich in meinem Bauch aus.
Ich möchte jetzt mit Harry alleine sein.
"Na dann." Juan mustert uns noch einmal, lächelt dann und deutet in die Richtung hinter uns.
"Dann lasse ich euch mal alleine und ziehe mich für das nächste Set um."
Er verschwindet und augenblicklich entspanne ich mich wieder.
"Möchtest du einen Kaffee?".
Mein Blick geht wieder zu Harry, der noch immer seinen Arm um mich hat und mich mit einem warmen Blick ansieht, welcher alle negativen Gedanken in meinem Kopf verschwinden lässt.
"Sehr gerne".

Am frühen Abend ist das Shooting beendet und ich verlasse gemeinsam mit Harry das Fotostudio.
Dieser Juan hängt mir noch immer im Kopf, denn er hat, meiner Meinung nach, zu oft zu meinem Freund geschaut und viel zu viel mit ihm geredet. Er hat ihn mit diesem komischen Blick angeschaut und das kleine grüne Monster in mir, hat die Ohren aufgestellt und die Kampfposition eingenommen.
Irgendwas gefällt mir an ihm nicht und als Harry und ich im Hotel ankommen, muss ich ihm einfach eine Frage stellen, die mir auf der Seele brennt.
"Woher kennst du dieses Model?".
Harry zieht sein Hemd aus, tauscht seine Hose gegen eine bequeme Jogginghose und sieht dann, sich einen Dutt bindend, zu mir. "Wen meinst du? Juan?".
Ich nicke, während auch ich mir bequeme Kleidung anziehe.
"Wir haben uns vor zwei Jahren kennengelernt. Ich hatte ein kleines Shooting, nichts Großes, da war er als Model gebucht."
Das reicht mir nicht als Antwort und das scheint Harry zu merken. Leise seufzt er, kommt dann auf mich zu und zieht mich in seine Arme. "Wir haben uns gut verstanden, sind ins Gespräch gekommen und kennen uns seit dem."
Nein, irgendwie stellt mich diese Aussage nicht zufrieden.
Mein Freund mustert mich, legt eine Hand auf meine Wange und haucht einen Kuss auf meine Stirn.
"Love, du musst nicht eifersüchtig sein".
"Bin ich nicht".
Harry lacht und verdreht seine Augen. "Natürlich nicht.".
Schweigend schauen wir uns in die Augen, als mein Freund erneut leise seufzt.
"Louis, ich hatte auch ein Leben vor dir. Ich habe nicht im Zölibat gelebt. Ich hatte schon vor dir Beziehungen und auch hatte ich den ein oder anderen One-Night-Stand.", "Und dieser Juan ist einer davon?", will ich wissen und merke, wie sich meine Brust immer weiter zusammen zieht.
Harry nickt. "Wir hatten was zusammen. Es ging ein paar Wochen, bis sich unsere Wege wieder getrennt haben. Es war nichts Ernstes, okay?".
Nein, nicht okay.
Mir gefällt der Gedanke nicht.
Natürlich hat Harry ein Leben vor mir, jeder hat das, dennoch mag ich es nicht, mit diesem Leben konfrontiert zu werden. Erst Recht nicht, wenn in diesem Leben davor ein Model vorkommt.
Mein Lockenkopf umfasst mein Gesicht mit beiden Händen, sieht mir tief in die Augen.
"Love, das ist Vergangenheit. Du bist meine Gegenwart und, hoffentlich, auch meine Zukunft. Ich liebe dich und das wird sich auch nicht ändern, nur weil ein Typ auftaucht, mit dem ich mal etwas hatte, okay?". Mürrisch nicke ich. Ich habe ja eh keine andere Wahl.
"Ich liebe dich, Louis, vertrau mir bitte".
Und dann küsst er mich und ich vergesse sofort, was in meinem Kopf vorgeht.

Amor manet.Where stories live. Discover now