Herz der Wohnung.

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Als ich die Wohnung von Harry betrete, bin ich erstmal baff.
Erstaunt schaue ich mich um und merke, wie Harry mich schmunzelnd beobachtet.
"Alles okay?", will er wissen und legt seinen Mantel ab.
Immer noch baff nicke ich, schüttele aber im gleichen Moment den Kopf.
"Ich...ich habe mir deine Wohnung irgendwie anders vorgestellt", gebe ich zu und gehe weiter in das imposante Wohnzimmer.
"Ach ja?". Harry zieht eine Augenbraue hoch, während ich weiter durch das Wohnzimmer gehe, meinen Blick dann nach oben richte, wo eine Galerie zu sehen ist, abgetrennt durch einen schwarzes Metallgitter.
"Diese Wohnung ist der Hammer", gestehe ich und frage mich, wie wohl das offene Obergeschoss aussieht.
"Es ist eine typische New Yorker Wohnung". Harry zuckt mit den Schultern, steuert dann seinen Esstisch an, doch ich schüttele nur meinen Kopf - erneut.
Eine typische New Yorker Wohnung ist für mich ein kleines, Ein-Zimmer-Apartment, in dem Küche, Wohnzimmer und Schlafzimmer genau so groß sind wie das Badezimmer.
Aber das hier, das hier gleicht schon eher einem Loft mit einem schicken Industriestyle.
Ich würde sofort hier einziehen.
Dagegen ist meine Wohnung einfach lächerlich.
Harry scheint ein sehr erfolgreicher Fotograf zu sein, wenn er sich so eine Wohnung leisten kann.

"Okay, ich sehe schon, wir können nicht gleich los, oder?".
Grinsend kommt Harry auf mich zu, nimmt meine Hand und zieht mich dann die Stahltreppe hinauf.
Und erneut klappt mein Mund auf.
Das komplette Obergeschoss ist Lichtdurchflutet.
Die Decke besteht komplett aus Glas, was Nachts sicherlich wundervoll ist, wenn man dann den Sternenhimmel in einer Großstadt sehen kann.
Ein großes Bett steht in der Mitte des Raumes, das schwarze Metallgestell passt perfekt zur Abtrennung die einen davor hindert, in das Untergeschoss zu fallen.
Unzählige Fotografien hängen an den verklinkerten Wänden, alle in schwarz-weiß und verleihen diesem Raum einen ganz eigenen Charme.
Einen Kleiderschrank scheint er nicht zu haben. Unmengen an Kleiderstangen reihen sich an den Wänden, hier und da eine Kommode und auch wenn es auf den ersten Blick unordentlich scheint, sind alle Kleider an den Stangen nach Farbe und Witterung geordnet.

"Dort drüben ist noch das Badezimmer, aber ich denke das willst du nicht sehen, oder?".
"Äh...nein. Badezimmer ist Badezimmer." Auch wenn ich glaube, dass es mich ebenfalls umhauen wird.
"Gut, viel mehr gibt es hier auch nicht zu sehen".
Harry nimmt erneut meine Hand, zieht mich wieder in das Untergeschoss und geht mit mir in die Küche. Sie ist im Landhausstyle und passt perfekt zu dem Industriecharme.
Sie ist klein, dennoch reicht sie vollkommen aus.
"Hier ist mein Herz der Wohnung", erklingt Harrys Stimme, als er eine weitere Tür öffnet und mich hineinschiebt. Er verschließt sie hinter sich wieder und im ersten Moment ist es stockdunkel. Lediglich ein kleines, rotes Lämpchen an der Wand spendet Licht und ich brauche einige Minuten, bis meine Augen sich daran gewöhnt haben und ich wieder etwas erkennen kann.
"Hier entwickele ich meine Bilder".
Prompt kommt mir der Geruch von Entwickler und Fixierer in meine Nase.
Harry geht auf eine Wäscheleine zu, an der einige Bilder hängen. Ich folge ihm, schaue mir die Bilder an und staune nicht schlecht. Er hat wirklich Talent.
Ein Bild erhascht meine Aufmerksamkeit.
Gebannt bestaune ich das Werk, auf welchem man eine typische New Yorker Häuserschlucht sieht, die allerdings nicht im Vordergrund steht. Eine einzelne Blume wird fokussiert, welche sich ihren Weg durch den Asphalt gebohrt hat.
Ich weiß nicht was es ist, aber dieses Bild fesselt mich so sehr, dass ich nicht mitbekomme, wie Harry sich hinter mich stellt.
"Unglaublich, wie sich die Natur ihren Weg sucht, oder?", möchte er leise wissen, wobei sein Atem meinen Hals streift.
"Es ist wunderschön", flüstere ich, traue mich nicht in einer normalen Lautstärke zu sprechen.
"Wunderschön", bestätigt Harry ebenfalls flüsternd und schlingt seine Arme von hinten um mich.
Ich lehne mich gegen seine Brust, unbewusst oder bewusst weiß ich nicht, aber es scheint mir in diesem Moment richtig zu sein. Harry bettet sein Kinn auf meiner Schulter, lässt mich dieses Bild noch einen Moment bewundern, ehe er mich in seinen Armen umdreht und mir in die Augen sieht.
Unsere Blicke schmelzen ineinander und ein angenehmer Schauer durchflutet meinen Körper.
Vorsichtig gleitet seine Hand meine Seite hinauf, legt sich auf meine Wange und der Schauer wandelt sich in ein aufregendes Kribbeln, welches binnen weniger Sekunden jede Faser meines Körpers eingenommen hat.
"Ich möchte dich gerne küssen". Harrys Stimme ist leise und rau, treibt das Knistern im Raum noch weiter an.
Ich fühle mich wie in Watte gepackt, nicke zaghaft - habe gar keine andere Wahl.
Ein Lächeln legt sich auf seine Lippen, ehe er die letzten Zentimeter zwischen uns überbrückt uns seine Lippen auf die Meinen legt.
Sinnlich verschmelzen unsere Lippen zu einem atemberaubenden Kuss.
Meine Arme schlingen sich um seinen Hals, ziehen ihn enger an mich und vertiefen diesen Kuss noch ein wenig.
Meine Beine werden weich, geben mir das Gefühl zu schweben und ich bin mir sicher, dass ich noch nie in meinem Leben solch einen intensiven Kuss erlebt habe.
Leider lässt Harry den Kuss ausklingen, legt stattdessen seine Stirn gegen meine und atmet tief durch.
"Ich bin froh, dass ich dir das Taxi geklaut habe", haucht er, küsst mich noch ein letztes Mal und entfernt sich dann einige Schritte von mir.
Benommen öffne ich meine Augen, sehe, wie Harry die Tür ansteuert und mich wartend ansieht. Meine Beine reagieren im ersten Moment nicht, doch dann schaffe ich es Harry zu folgen.

Als wir die Küche betreten, trifft die Helligkeit ungebremst auf meine Augen und ich muss einige Male blinzeln, ehe sich meine Augen an das Licht gewöhnt haben. Harry hat anscheinend keine Probleme damit, denn er steuert seinen Tisch an und schnappt sich eine große, braune Ledertasche.
Lächelnd sieht er mich an, schultert seine Tasche und kommt dann wieder zu mir, greift nach meiner Hand und verflechtet unsere Finger miteinander.
"Lass uns New York genießen, bevor wir zu meiner Schwester gehen".

Amor manet.Où les histoires vivent. Découvrez maintenant