Jetzt.

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"Nun, er kann auf mich warten bis er schwarz wird", kommt es murmelnd von Harry, während er den Brief zusammenknüllt und in die Küche verschwindet, wo er den Brief in den Mülleimer wirft. Ich folge ihm, bleibe in der Türzarge stehen und sehe ihn an.
"Und wenn er einfach wieder hier auftaucht? Oder er bei einem von deinen Shootings ist?".
Harry dreht sich zu mir um, kommt auf mich zu und nimmt meine Hände in die seinen. "Dann ist das eben so. Ich habe kein Interesse an ihm, das wird er schon irgendwann verstehen". - "Und wenn ihr nach einem Shooting etwas trinken geht und er dich abfüllt?". Ich traue diesem Typen alles zu.
"Love-", Harry lächelt sanft, führt meine Hände zu seinem Mund und haucht einen Kuss auf meine Fingerknöchel. Wieder einmal schmelze ich dahin. Diese Geste bringt mich irgendwann um.
"Ich kann noch so betrunken sein - ich werde dich niemals betrügen. Selbst in meinem betrunkenen Kopf bist nur du.". Meine Wangen erröten, das merke ich sofort und verlegen beiße ich mir auf meine Unterlippe. "So. Können wir dann jetzt das Thema wechseln und uns den wichtigeren Dingen widmen?". - "Und die wären?". Mein Lockenkopf grinst, packt mich und setzt mich auf den kleinen Küchentisch. Schmunzelnd stellt er sich zwischen meine Beine, legt seine Hände auf meine Oberschenkel und sieht mir in die Augen.
"Wo waren wir stehen geblieben?".

Eine halbe Stunde später liegen wir kuschelnd in seinem Bett. Wir sind noch immer nackt, wissen beide ganz genau, dass diese kleine Nummer in der Küche nicht die letzte heute war. Dazu haben wir uns viel zu lange nicht mehr gesehen und sind viel zu gierig nacheinander.
Das plötzliche Klingeln meines Handys stört allerdings die Stille, doch als ich sehe, dass es ein Videoanruf von Liam ist, gehe ich ohne zu zögern ran.
"Liam", begrüße ich meinen besten Freund, während ich in die Kamera lächele, Harrys Kopf dabei auf meiner Schulter. Auch er grinst in die Kamera, während Liam uns zuwinkt.
"Ich hoffe, ich störe euch nicht". Schmunzelnd mustert er uns und zwinkert mir dann zu. "Fangt ihr gerade erst an, oder seid ihr fertig?", will er wissen, was mich meine Augen verdrehen lässt.
"Fürs Erste sind wir fertig", gibt Harry seinen Senf dazu und grinst mich frech an. Theatralisch seufzt Liam auf. "Junge Liebe...man waren das Zeiten, wo man wie ausgehungerte Tiere übereinander herfällt und mehrmals am Tag Sex hat." - "Hallo?", unterbreche ich das Geschwafel meines besten Freundes. "Das waren Zeiten? Wenn ich mich recht entsinne, benehmen Zayn und du euch immer noch so. Es gibt keinen Tag, an dem ihr keine Nummer schiebt".
Wahrlich, diese Info wollte ich niemals haben, aber wenn Zayn betrunken ist, dann plaudert er ungefragt aus dem Nähkästchen.
"Ja, aber höchstens zwei Mal am Tag. Früher war das um einiges mehr". - "Deine Probleme will ich haben", brumme ich und verdrehe erneut meine Augen.
Meiner Meinung nach sind Liam und Zayn Sexsüchtig. Aber davon wollen sie nichts wissen. Sie sagen, dass sei normal. Gut, für die beiden ist es das vielleicht, aber für alle anderen Menschen nicht. Zumindest nicht, wenn man so lange zusammen ist wie die beiden. Irgendwann ebbt es ab, ist glücklich, wenn man einmal die Woche Sex bekommt. Wenn überhaupt. Aber die beiden...die kommen aus ihrer verliebten Phase einfach nicht raus. Was beneidenswert ist. Und ich es den beiden gönne.
"Weshalb ich anrufe...", beginnt Liam und fährt sich einmal durch die Haare. Auf einmal wirkt er ziemlich nervös, was so gar nicht zu meinem besten Freund passt.
"Ich...ich ähm...", kurz schließt er seine Augen, atmet aus und sieht dann wieder in die Kamera. "Also...ich...ich brauche einen Rat".
Nanu?
Sonst gibt Liam einem immer einen Rat.
"Ich...es ist soweit, Louis." - "Was - Moment! Meinst du mit Es ES?".
Mein bester Freund nickt unsicher und fährt sich erneut durch die Haare, während Harry uns fragend ansieht. "Was ist ES?".
Ich warte, ob Liam es ihm sagen will, aber er bleibt stumm. Also erkläre ich es meinem Freund.
"Liam hat schon vor Jahren beschlossen, dass er Zayn eines Tages heiraten wird."
Sofort werden Harrys Augen groß und er setzt sich noch aufrechter hin, als er sowieso schon sitzt.
"Du willst ihm einen Antrag machen?", fragt er aufgeregt und ganz aus dem Häuschen.
Als Liam nickt, quiekt Harry auf. "Und? Wie machst du es?".
"Deshalb rufe ich an. Ich habe keine Ahnung".

Harry beginnt sofort Liam Vorschläge zu machen. Doch egal was Harry vorschlägt, Liam ist nicht überzeugt. Was aber auch kein Wunder ist. Wie ich feststelle, ist mein Freund ein hoffnungsloser Romantiker, anders als Liam und Zayn. Sie sind alles, aber nicht romantisch. Sie haben keine kitschigen Dates, machen sich keine kitschigen Geschenke - gar nichts.
"Das ist kompliziert", brummt Harry irgendwann, als er merkt, dass er auf Granit beißt. "Deswegen will ich ja eure Hilfe".
Liam scheint regelrecht verzweifelt zu sein.
"Ich bin so romantisch wie ein Stein", gesteht er und kratzt sich am Kinn. „Ich meine, am liebsten würde ich einfach hingehen, seine Hand nehmen und ihm kommentarlos den Ring an den Finger stecken. Wenn ich Glück habe, freut er sich und versteht was ich will, wenn ich Pech habe haut er mir den Ring um die Ohren.". Ich lächele meinen Freund an. "Er wird dir den Ring schon nicht um die Ohren hauen."
Zayn wartet seit Jahren auf einen Antrag. Das weiß jeder unserer Freunde.
"Und warum machst du es dann nicht einfach so?", will ich wissen und kann es mir eigentlich ziemlich gut vorstellen, dass diese Art genau nach Zayns Geschmack ist.
"Weil es nicht romantisch ist".
Harry neben mir räuspert sich einmal und sieht nachdenklich in die Kamera. "Aber wenn ihr beide nicht romantisch seid, wieso muss es das dann unbedingt sein? Mach es doch so, wie es sich gut anfühlt."
Liam sieht mich an, ich nicke. Ich bin da ganz Harrys Meinung. Ich bin ebenfalls kein großer Romantiker, aber da ich jetzt weiß, dass mein Freund einer ist, werde ich mich in Zukunft mal mehr ins Zeug legen. Gleich morgen früh werde ich Brötchen holen und vielleicht einen Strauß Blumen. Sicherlich freut er sich darüber. Er mag solche kleinen Gesten.
"Okay", ertönt Liams Stimme und holt mich in die Realität zurück. Er steht auf, die Kamera wackelt und wir beobachten Liam dabei, wie er seine Lederjacke in die Hand nimmt.
"Ich mache es so".
Als er die Wohnungstür öffnet, noch immer das Handy in der Hand, mache ich große Augen. "Jetzt?" - "Jetzt."

Amor manet.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt