Kapitel 13

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Es war schon spät, als Dag Isabelle nach Hause brachte.

Den ganzen Tag verbrachten die zwei im Park. Doch außer Herumalbern, sinnloses Schwadronieren und seltsame Kletterversuche auf einem Kinderspielplatz war nichts weiteres geschehen.

»Willst du eigentlich irgendwann zurück?« , fragte er sie, in Bezug auf ihren Geburtsort.

»Nein. Eigentlich nicht. Mir gefällt es hier.«

Sie blieben vor der Haustüre stehen und setzten sich genau neben dem Hauseingang auf den Boden. »Triffst du dich jetzt noch mit Vincent?« Isabelle sah auf die Uhr, während sie fragte.

»Ja. Danach kommen wir direkt wieder. Will dich doch in Action hinterm Keyboard sehen.« Er ließ seine Finger über imaginäre Tasten klimpern.

Isabelle lehnte plötzlich ihren Kopf an Dags Schulter an. »Kann ich dich etwas fragen?«

Er wollte erst wieder seinen dämlichen Witz bringen, aber da er nach der Busfahrt selbst seine eigene Frage vergaß, durch diese Sinnlosigkeit, war die Neugier in ihm groß, was genau sie wissen wollte. Er schnupperte den Duft von Vanille, als ihre Haare so nah an seinem Kopf waren. Eigentlich mochte er diesen Geruch nicht, weil ihn das mit den Mädchen seiner Schule verband, die immer dieses komische Vanilledeo trugen, aber bei Isabelle war es eine angenehmere, wohlriechendere Variante. »Ja.« , war das einzige, was Dag momentan über die Lippen bekam.

»Darf ich dich küssen?«

Die Worte brannten sich in seinen Schädel. Er wollte es nie so weit kommen lassen, dass sie ihn darum bitten muss.

»Ich will nicht ...« , begann er und Isabelle nahm ihren Kopf augenblicklich zurück.

Sie sah in eine andere Richtung. »Okay. Verstehe.« , unterbrach sie ihn. »Ich dachte, da wäre ... ich hab mich wohl getäuscht.«

Er bemerkte sofort die Niedergeschlagenheit in ihrer Stimme.

»Nein. Nein. Nein. Nein. Warte. Stopp Isy. Lass mich zu Ende reden.«, sagte er und drehte ihren Kopf anhand ihres Kinns wieder in seine Richtung. »Ich wollte sagen, ich will nicht, das du denkst ich wäre feige oder nicht Manns-genug, dich einfach gegen die Hauswand zudrücken und zu küssen. Das will ich eigentlich schon seit dem ersten Tag tun, aber ... du sagtest mal, du stehst nicht auf so Macho-Typen und ich wollte nicht als einer rüberkommen. Okay, ich bin auch im Grunde kein Macho-Typ, aber eigentlich nehme ich mir schon was mir gefällt und dich will ich mehr, als ich je etwas gewollt habe ...«

»Halt den Mund.« , unterbrach sie ihn mit einem Lächeln. Erstarrt sah er sie an. »Küss mich endlich du Idiot.«

Das musste sie ihm nicht nochmal sagen. Unaufdringlich und vorsichtig legte er seine Lippen auf ihre. Sanft zog Dag sie dabei näher an sich heran.

Isabelle verspürte ein Ziehen in ihrem Bauch und sie war sich mehr als sicher, das es ihm genauso erging. Ihr Kuss wurde inniger. Die ganzen Gefühle, die beide zurückgehalten hatten, fanden endlich ihren Bestimmungsort.

Isabelle konnte sich nicht erklären wieso, aber eine einzige Träne huschte währenddessen aus ihrem Augenwinkel heraus und perlte ihre Wange hinunter.

Dag unterbrach den Kuss und sah auf die Träne, die er mit seinem Daumen wegwischte. »Is' alles okay?«

Sie nickte. »Alles ist okay. Es ist perfekt.« Sie zog ihn an sich heran und küsste ihn weiter. Er erwiderte den Kuss leidenschaftlicher als vorhin.

Seine Zunge spielte gekonnt mit ihrer. All die Schüchternheit, die er sonst so mit sich herumtrug, war wie weggeflogen. Als hätte sie nie existiert.

Isabelles weiche Lippen, der Geruch nach ihrem Vanilleshampoo, es war, als würde ein Feuerwerk in Dag explodieren. Ihr ganzes Dasein, ließ ihn regelrecht erschauern und das im positiven Sinne.

Ein Räuspern vor ihnen zerstörte jedoch den Moment und ließ beide mit ihren Köpfen hinschauen.

Sascha und Lea sahen beide an. »Wurd' ja auch ma' Zeit.« , meinte Sascha. »Diese ewige Anspannung zwischen euch war ja schon fast nicht mehr auszuhalten.«

»Welche Anspannung?« , fragte Isabelle.

»Na dieses ewige Angucken, aber nichts tun. Kam mir schon vor im Kindergarten. Der nächste Schritt bei mir wäre dann die Schaufel auf dem Kopf gewesen, wenn ihr nicht endlich vorangemacht hättet.«

»Du warst doch selbst nicht derjenige, der vorangemacht hat, auf uns beide bezogen, also lass die zwei das auf ihrem Tempo machen.« , mischte Lea sich ein. »Die wissen schon, was sie machen.«

Neben den beiden stand etwas abseits ein Junge, höchstens fünfzehn. Es war Lars. Leas kleiner Bruder. »Ach ja. Mein Bruder wird heute Tinas Part übernehmen. Ich hoffe, das ist okay für dich.«

»Klar. Wieso nicht.« Isabelle stand auf und reichte ihm freundlich die Hand.

Auch Dag stellte sich auf die Beine und begrüßte den Jungen.

»Es ist schon spät und ich glaube nicht, das du so auf die Bühne willst.« , sagte Sascha und zeigte auf Isabelles Körper.

»Nee eigentlich hatte ich eher so einen roten Lackanzug in Aussicht.« , witzelte sie.

Sascha sah zu Dag. »Jetzt sag mir nicht, du hast so 'nen Fetisch?!«

Erschrocken schüttelte der seinen Kopf. »Nein. Nein. Das war auf was anderes bezogen.«

»Gut. Ich dachte schon, ich müsste jetzt demnächst mit einer Domina auf die Bühne.«

Isabelle schlug nach Sascha. »Deine Vorstellungskraft ist überwältigend mein Freund.«

»Ich mein ja nur.« Achselzuckend trabte er an Dag und Isabelle vorbei und folgte somit Lea und Lars, die schon vorausgegangen waren und im Hausflur auf ihn warteten. »Denkst du daran, dass du dich auch noch fertig machen musst.«

»Ja Papa.« , gab Isabelle genervt von sich.

Sie sah den dreien nach, wie sie die Treppe hinaufgingen, dann fiel die Tür gemächlich ins Schloss.

Sie sah ein wenig hinauf zu Dag, der ein Kopf größer war als sie, und grinste ihn an. »Ich muss mich jetzt fertigmachen, wie du gehört hast.«

»Ich muss eh zu Vincent. Der wartet bestimmt schon.« Er sah auf ihre Lippen.

Isabelle lächelte verlegen, als sie seinen Blick bemerkte. »Muss ich dich jetzt jedes Mal erst darum bitten?« , fragte sie ihn.

Er lachte ein wenig und benetzte seine Lippen kurz, dann schüttelte er den Kopf, hob ihr Kinn eine Winzigkeit an und zog sie energisch näher an sich heran. Sein Kuss war jedoch kein bisschen stürmisch.

Als er dann ihre Hand dabei ergriff, durchflutete Isabelles Körper eine Wallung von Wärme. Sie fühlte sich geborgen. Angekommen.

Er entfernte sich von ihren zitternden Lippen. »Du musst nie wieder darauf warten.« , sagte er nach einem kurzen Augenblick der Stille.

Dag gab ihr noch einen flüchtigen Kuss und verschwand dann Richtung Bushaltestelle.

Isabelle sah ihm einen Moment nach. Ihre Lippen schmeckten nach seinen und mit einem breiten Grinsen verschwand sie schließlich auch ins Hausinnere.

Nicht immer drauf, doch für immer auf dir (Band 1)Where stories live. Discover now