Kapitel 92

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»Komm, das klappt. Die kann man ausfahren.« , sagte Dag, der mittlerweile durch eine Infusion wieder einen teilweise klaren Kopf hatte. Mit seiner verbundenen Hand, die mit sechs Stichen genäht werden musste, demonstrierte er seinem besten Freund, wie das Sofa zur Schlaffunktion umgewandelt werden konnte.

»Ich weiß nicht. Du kennst Isabelle. Wenn sie dich hört, wird sie auflegen und sich mit hoher Wahrscheinlichkeit gar nicht mehr melden.«

»Dann red' nur du. Hauptsache ich höre sie.«

Vincent konnte ihm das nicht abschlagen, denn er wusste, wie sehr Dag wenigstens eine Winzigkeit von Isabelle benötigte.

»Wusstest du, dass Katja halbe Russin ist?« , warf er stattdessen in den Raum.

Dag schüttelte den Kopf. »Nee.« Er setzte sich auf die Couch und betrachtete seinen Verband. »Ich wollte nicht da einbrechen, aber ... ich dachte irgendwie, dass sie vielleicht doch dort wäre.«

»Sie ist definitiv bei Katja ... oder Katajoschka, wie immer sie auch in Wahrheit heißt.«

Dag lachte eine Winzigkeit. Für Vincent war es ein tolles Gefühl, seinen besten Freund wenigstens ein wenig zum Lachen gebracht zu haben.

»Du musst ihr sagen, das sie bitte zurückkommen soll.« , meinte er plötzlich. Seine Mimik veränderte sich dabei schlagartig, als würde er sich selbst bestrafen gelacht zu haben.

»Dag ich mache nichts anderes. Und das seit Wochen.« , gab er von sich und setzte sich ebenso aufs Sofa. »Seit Wochen versuche ich das mit euch wieder hinzubekommen und gleichzeitig passe ich auf, das dir nichts geschieht.«

»Es tut mir leid. Ich ... ich ... wenn ich trinke vergesse ich für einen Moment wenigstens den Schmerz.«

»Das ist aber keine Lösung. Denkst du, Isabelle kommt zu einem Alkoholiker zurück?«

»Ich bin kein Alki.«

»Dag du säufst jeden Tag ... und das nicht zum Genuss.«

»Ich weiß, das es den Schmerz nicht vertreibt, aber ...«

»Nein, kein aber ... du hörst auf, dich jetzt in Selbstmitleid zu suhlen. Ich hätte da schon längst die Reißleine ziehen müssen und wenn ich dich an die Heizung kette.« Er stand auf und holte eine große Mülltüte aus dem Schrank. Sein Weg führte ohne Umwege in die Küche. Dag hörte, wie er Flaschen in die Tüte warf und wenig später mit dem halbvollen Müllsack, der klirrte und klimperte als er ihn bewegte, wieder im Wohnzimmer erschien. »Ab jetzt bekommst du Wasser und Gemüsesaft.«

»Gemüse?« Dag verzog sein Gesicht.

»Jepp. Meinetwegen kannst du auch noch Obst zu dir nehmen, aber nichts mit Trauben.« Er schmiss die Tüte in den Flur und setzte sich zurück auf die Couch.

»Warum ruft sie dich an und nicht mich?«

»Weil sie wissen will, wie es dir geht ... aber halt nicht mit dir reden will ... oder kann. Ich weiß es nicht.«

»Aber sie weiß doch, dass ich nichts getan habe.«

»Ja.«

»Und warum kommt sie dann nicht wieder?«

Vincent hatte nicht vor Dag von dieser Sache zu erzählen, von der er selbst nicht genug wusste. Ihm war nur klar, dass es schlimm sein musste, wenn Isabelle Angst vor Dags Reaktion hatte. »Ich weiß es nicht.« , sagte er.

»Wieso hast du mir nicht direkt Bescheid gesagt, dass sie sich bei dir meldet?«

»Weil ich es nicht für wichtig hielt. Isabelle zu finden, fand und finde ich bedeutsamer.«

»Hat sie etwas wegen mir gesagt?«

»Du bist nur das Thema. Oder denkst du, sie ruft mich an, um übers Wetter zu schwadronieren?«

»Ja aber ... was sagt sie? Liebt sie mich noch?«

»Natürlich. Sie ruft ja nicht an, weil du ihr egal bist.«

»Warum lässt sie mich leiden?«

»Ich glaube nicht, das sie das mit Absicht macht. So viel ich weiß, geht es ihr ja auch nicht besser.« Vincents Handy klingelte. Unbekannte Nummer wurde angezeigt. Er ging ran und stellte sofort auf laut, bevor er Dag die Anweisung gab, still zu sein. »Ja? Hallo?«

»Ich hab den Namen. Hast du was zu schreiben Jung?« , fragte Andi.

»Ehm ... warte ...« Vincent sah sich um, fand dann eine alte Zeitung und einen Bleistift. »Schieß los.«

»K, wie Kaufmann. A, wie Anton. T, wie Theodor. J, wie Julius. U, wie Ulrich. S, wie Siegfried. C, wie Cäsar ...«

»Geht der noch lang?« , unterbrach Vincent ihn.

»Ach Jung, wo war ich denn jetzt?«

»C. Andi. Du hast beim C geendet.«

»C?«

»K – A – T – J – U – S – C -.« Er betonte das C extra laut.

»C, wie Cäsar ...«

»Noch ein C?«

»Nein.«

»Was kommt nach dem C, Andi?«

»H, wie Heinrich. K, wie Kaufmann und ein A, wie Anton.«

»Ende?«

»Ja. Das ist ihr Name.«

»Katjuschka? Okay?! Ja, danke Andi, das du nachgeschaut hast. Ich muss aber jetzt auflegen, ich erwarte noch einen wichtigen Anruf.«

»Okay. Passt jut auf euch auf Jungs.«

Vincent legte auf und sah nochmal auf den Zettel. »Katjuschka Hofmann. Klar, das ich sie nirgends gefunden habe.« Erneut klingelte sein Handy und Dag rutschte sofort nervös näher ran.

Wieder unbekannt.

»Hallo?« , sprach Vincent und drückte auf den Lautsprecher.

»Hey. Wie geht es ihm?«

Vincent legte sofort seinen Finger auf den Mund, als Dag noch näher rutschte. »Ihm geht es nicht gut. Wie geht es dir?«

»Auch nicht gut.« , antwortete Isabelle.

»Dann komm wieder.«

»Vincent das Thema hatten wir doch schon.«

»Isabelle, es wäre für euch beide das Beste und das weißt du genau. Sag mir einfach, wo du bist, und ich hole dich ab. Ganz einfach.«

»Ich kann nicht.«

Dag riss das Handy an sich. »Isy bitte. Komm zurück.« Keine Antwort. Alles war still. »Isy? Bist du noch dran?«

»Dag, ich kann jetzt nicht wiederkommen.« , sagte sie leise.

»Warum?«

»Weil du mich ... du wirst mich hassen.«

»Was? Was redest du da? Ich könnte dich niemals hassen.«

Wiederholte Stille.

»Ich liebe dich Dag.« Im Zuge dessen beendete Isabelle das Gespräch.

Nicht immer drauf, doch für immer auf dir (Band 1)Where stories live. Discover now