Kapitel 90

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Vincent kam erschöpft zu Hause an. Es war irgendwann in den frühen Morgenstunden und er sehnte sich nach einer Mütze Schlaf.

Nachdem er Hin und Her telefoniert hatte und zudem den Babysitter für Dag weiterhin spielte, den er dann zusätzlich in sein Heim abgeliefert hatte, damit dieser nicht sturzbetrunken in der Gosse erwachen würde, war er nun fix und alle.

Noch mit den Schuhen an den Füßen ließ er sich auf sein Bett fallen. Er hat bisher keinen gefunden, der Katja getroffen hatte, oder zumindest wusste, wo sie sich hätte aufhalten können.

Langsam zweifelte er Andis Aussage an, denn Vincent war der Meinung, dass sie sich mit hoher Wahrscheinlichkeit bei ihnen gemeldet hätte, wenn sie wahrlich zurück in Berlin wäre.

Sein Handy bimmelte heut zum hundertsten Male und er holte es fluchend hervor.

Unterdrückte Nummer.

»Ja, hallo?«

Erst war es absolut still. So still, das Vincent sein Hallo wiederholte ... doch es blieb still, bis ... »Wie geht es ihm?«

Vincent fiel fast aus dem Bett, als er auf die Schnelle in eine sitzende Position wechselte. »Isabelle, wo bist du?«

»Wie geht es ihm, Vince?« , wiederholte sie ihre Frage.

»Ihm geht es scheiße.« Isabelle sagte daraufhin nichts. »Wie geht es dir denn?« , fragte er stattdessen.

»Auch.« , antwortete sie leise.

»Du musst wiederkommen. Du weißt genauso gut wie ich, dass er dir nicht wehtun wollte. Andi hat das Videomaterial schon der Polizei ausgehändigt, da siehst du, das er vollkommen unter dem Einfluss von GHB war.«

»Du verstehst das nicht. Er hat sie schon vorher zu nahe an sich rangelassen. Ich weiß, das sie ihm Zeug gegeben hat, aber er hat mir zuvor schon das Gefühl gegeben, das ich mir Sorgen machen muss, und das ... das hätte nicht geschehen dürfen.«

»Isabelle bitte. Sei vernünftig. Ich verstehe dich absolut, aber ... wir reden von Dag. Der Dag, der von Tag eins nie von dir getrennt war. Der Dag, der einen Schubser benötigt hat, weil er vom ersten Moment in dich verschossen war und Panik hatte es zu versemmeln ... Der Dag, der alles für dich tun würde. Du kannst das nicht einfach aufgeben Isabelle. Was ihr habt, erleben nur wenige.«

»Dafür ist es zu spät.«

»Was meinst du? Es ist nie zu spät jemandem zu verzeihen.«

»Er wird mir aber nicht verzeihen können, Vincent.«

»Was hast du getan?«

»Ich hab Mist gebaut.« Er hörte, wie sie tief einatmete, bevor sie weitersprach. »Ich hätte Dag etwas sagen müssen ... in der Pizzeria. Aber das habe ich nicht getan. Ich war egoistisch und hab nur an mich gedacht. Ich hab's sofort bereut, als ich gegangen bin ... alles hab ich bereut, aber ... ich konnte nicht mehr zurück und jeden Tag, der vergangen ist ... hat mich weiter in die Scheiße getrieben.«

»Isabelle egal, was du getan hast, er wird dir verzeihen. Du kennst Dag. Er will einfach nur, dass du wieder da bist ... ich will, dass du wieder da bist. Wir vermissen dich.«

»Vincent, das ist nicht so einfach.«

»Nichts im Leben ist einfach. Und doch sollte man nicht immer direkt aufgeben, wenn es mal nicht so läuft wie gedacht.«

»Du verstehst das nicht. Ich habe ihm etwas verschwiegen ... und das hätte ich nicht tun sollen.«

»Glaub mir, für ihn zählt nur, dass du wiederkommst.« , sagte Vincent. »Er säuft ... ununterbrochen. Ich weiß nicht mehr, was ich tun soll ...«

»Du musst auf ihn aufpassen.«

»Mache ich ... aber, Isabelle du musst zurückkommen, bevor es schlimmer wird.« Sie blieb wiederholt stumm, doch Vincent hörte, wie sie schluchzte. »Bist du bei Katja?« , fragte er schließlich.

»Was? Ehm ... Katja ist in Kanada.«

Allein an ihrer Tonlage wusste er, dass sie nicht die Wahrheit sprach, und doch wollte er sie nicht zu einer weiteren Flucht ermutigen. »Ja ich weiß. Aber weil du nirgendwo zu finden bist, dachte ich, du wärst über den Ozean entschwunden.«

»Nein. Nein. Ich bin in ... Vincent, bitte pass einfach auf ihn auf, ja? Versprichst du mir das?«

»Natürlich, aber du weißt genau, dass ich nicht viel tun kann, um seine momentane Verfassung zu ändern.«

»Du kannst für ihn da sein.«

»Und wer ist für dich da?«

»Ich bin nebensächlich.« Mit diesen Worten legte sie auf.

Vincent rieb sich mit dem Handy die Stirn und ließ sich wieder rückwärts aufs Bett fallen.

Ihm war jetzt klar, dass Isabelle bei Katja sein musste, und doch fand er es seltsam, dass sie sich nicht gemeldet hat.

Sie waren nicht im Streit auseinandergegangen. Katja hatte ihm sogar versprochen, in Kontakt zu bleiben, was sie nicht getan hatte ... und er war sich ehrlich gesagt zu stolz gewesen sich von alleine zu melden.

Er vermisste die alten Zeiten, auch wenn er es nicht gerne zugab. Aber damals war alles ... einfacher ...

... gemütlich auf den Balkon der WG. Abends die Auftritte der Mädels ansehen. Im relativ normalen Zustand einen nach dem anderen bechern. Mit Isabelle gemeinsam betrunken irgendwelche idiotischen Songs trällern.

Er wünschte sich die gute alte Zeit zurück, als sein einziges Problem war, wo er in der Nacht pennen sollte.

Damals dachten sie, dieser Abschnitt würde ein ewiger Bestandteil ihres Lebens bleiben und nicht das er abgeschnitten als irgendeine schöne Erinnerung auf dem Dachboden vergammelt, während sich im gegenwärtigen Leben ein Problem nach dem anderen häufte.

Er verstand aber auch nicht, wieso Isabelle nicht zurückkam, wenn sie es doch eingesehen hatte, dass Dag wirklich nichts getan hat.

... was hat sie Schlimmes getan, das sie dachte, Dag würde ihr das nicht verzeihen können?

Statt endlich Schlaf zu finden, grübelte Vincent noch mehrere Stunden über eine Lösung ... bis er schließlich aufgab, aufstand und weiter versuchte Katja ausfindig zu machen.

Nicht immer drauf, doch für immer auf dir (Band 1)Onde histórias criam vida. Descubra agora