Kapitel 51

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»Schlaf doch endlich.« , flüsterte Isabelle nachts, als sie bemerkte, dass Dag, der in der Mitte lag, noch immer nicht schlief.

Vincent, der rechts von Dag lag, schnarchte schon eine halbe Ewigkeit leise vor sich hin.

»Ich kann nicht pennen.«

Isabelle drehte sich zu ihm um und legte sich auf seine Brust. »Ich danke dir, das du mitgefahren bist.«

»Hey ich lasse dich doch nicht alleine.«

»Ja, aber ... es ist schon ein seltsames Gefühl. Immer wenn wir hier zu Besuch waren, habe ich nie an Moritz oder so gedacht, aber jetzt ...«

Dag drückte sie an sich. »Das ist vergangen. Du bist und bleibst bei mir.«

»Ich hab Angst.«

Er wusste, dass sie damit nicht auf Moritz anspielte. »Ich bin da für dich.«

»Was ist, wenn ich zu spät komme? Ich meine, ich liege hier im Bett, obwohl ich eigentlich zu ihr fahren sollte.«

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»Sollen wir etwas spazieren?« , fragte er sie.

»Jetzt?« Sie stützte sich auf ihrem Arm ab und sah ihn an. »Wir haben ein Uhr nachts.«

»Egal. Ich brauch' frische Luft.« Ohne abzuwarten, stand er auf und hielt ihr seine Hand hin.

Isabelle ließ sich aufhelfen und schnappte ihre Hose. Zusammen mit Dag tippelte sie zur Haustüre. Er zog den Schlüssel raus und steckte diesen in die Hosentasche, bevor er mit ihr hinausging.

Im Aufzug besah Isabelle sich im Spiegel. »Ich seh' aus wie ein Monchichi.« , lachte sie.

Er umarmte sie von hinten. »Du bist mein kleiner Monchichi.«

Weiterhin sie umarmend, dackelten sie hinaus in die Nacht. »Hinterm Haus ist ein Spielplatz. Sollen wir dahin?« , fragte sie.

»Klar. Wohin du willst.« Er änderte seine Position und folgte ihr über ein kleines Tor, bis sie schließlich zu einem Kinderspielplatz mit zwei Schaukeln, einer Rutsche, einer komischen Kletterhalbkugel und einer Wippe ankamen.

»Sollen wir wippen?« , fragte sie ihn und setzte sich schon drauf.

Er grinste und versuchte auf der gegenüberliegenden Seite Platz zunehmen. Mit viel Krafteinsatz zog er sich rauf und feuerte Isabelle in die Höhe, als er hinunterschwang.

»Huh.« , quiekte sie, als ihr Po für einen Moment nicht mehr das Holz der Wippe berührte. »Nicht so feste. Oder willst du, das ich einen Kopfsprung mache?«

Dag drosselte seine Kraft und ließ sie immer nur ein wenig anheben. »Willst du schaukeln?« , fragte er und zeigte mit seinem Kopf in Richtung des Spielgeräts.

Sie nickte, woraufhin er sofort abstieg und Isabelle mit Wucht hinabfiel. »Aaaaah, mein Arsch. Spinnst du?«

»Komm her.« , lachte er schelmisch und half ihr auf die Beine. Dag umarmte sie fest und legte seine Hände auf ihre Pobacken, wo er beherzigt zugriff. »Besser?«

»Du Idiot.« , kicherte sie. »Du hast keine magischen Hände, die meinen Schmerz verschwinden lassen können.«

ᴺᴱᴵᴺ, ᴸᴱᴵᴰᴱᴿ ᴷᴬᴺᴺ ᴵᶜᴴ ᴰᴬˁ ᴺᴵᶜᴴᵀ.

Er brachte sie zu den Schaukeln und wartete, bis sie sich hingesetzt hatte. Dann schubste er sie an und setzte sich auf die andere.

Gemächlich glitt er vor und zurück, während sie immer mehr Schwung holte.

Dag hatte ein schlechtes Gewissen, als er in ihr glückliches Gesicht sah. Er wollte sie nicht traurig machen, aber er hatte auch keine Lust mehr, ihr so etwas Wichtiges zu verheimlichen.

»Isy.« , sagte er und stieg ab. Er hielt die Kette der Schaukel fest und bremste sie ab, bevor er sich vor sie in den Sand hinkniete. »Wir müssen reden.«

Ihre Mimik veränderte sich. »Was ist los?«

Er nahm ihre Hände und drehte an ihrem Ring, den sie damals im Riesenrad von ihm bekommen hatte. »Ich liebe dich Isy. Und es tut mir weh, wenn ich weiß, dass es dir nicht gutgeht.«

»Was ist los?« , wiederholte sie.

»Lass uns morgen nach Hause fahren.«

Isabelle schüttelte den Kopf. »Nein. Marleen. Sie braucht mich.«

»Deine Schwester ist ... frei. So wie sie es wollte.«

Sie zog ihre Hände zurück und schüttelte abermals den Kopf. »Was redest du da?«

»Isy du hättest es nicht ändern können. Schon als der Brief ankam, war sie nicht mehr ...«

Ungehalten stieß sie ihn weg und rannte los. Bis zur Rutsche, weiter kam sie nicht. Die Puste blieb ihr weg, als würde ihr jemand den Hals zuschnüren. Nach Luft japsend hielt sie sich an dem Geländer fest.

Dag kam angerannt. »Hey. Hey. Atme. Hörst du Isy, atme.« Er packte sie an den Armen und rüttelte sie kurz.

Isabelle hatte das Gefühl, sie hätte verlernt Atem zu holen. Irgendwie bekam sie es nicht auf die Reihe gleichmäßig ein und auszuatmen. Sie hyperventilierte wie bei einem Asthma-Anfall. Die Tränen kullerten aus ihren Augen. Sie war sich nicht im Klaren, ob es ihre Panik war oder der Tod ihrer Schwester, der dies auslöste.

Mit weit aufgerissenen Augen und zitterndem Körper, versuchte sie nach Dag zu greifen, doch auch diese Handlung bekam sie nicht hin, stattdessen strich sie immer wieder über seine Brust.

Sie erkannte die Furcht in seinem Blick, weil er nicht wusste, wie er ihr helfen konnte. »Isy, atme.« , sagte er immer wiederkehrend, bis er selbst Stück für Stück langsam ein und ausatmete, als müsste er ihr zeigen, wie man es richtig macht.

Isabelle konzentrierte sich auf ihn. Sie sah nur auf seine Lippen, die sich bei jedem Ausatmen ein wenig spitzten.

»Ja, gut so.« , sagte er, als er bemerkte, wie ihre Atmung sich von Mal zu Mal verbesserte. »Schau mich an. Ich bin für dich da Isy.«

»... is ... m-m-ma'ne ... sch-sch-sch ..d.«

»Nein ist es nicht.« , sagte Dag, der sie dessen ungeachtet verstand. »Es ist nicht deine Schuld. Du hättest daran nichts ändern können.«

»...och...« , bibberte sie, als wäre ihr eisigkalt.

Dag führte sie zu einer der grünen Bänke und setzt sie darauf, bevor er sich neben sie platzierte. »Nein. Sie hatte das schon lange geplant. So etwas geschieht nicht von heut auf morgen.«

Ihre Unterlippe kam kaum zum Stehen. Sie hatte keine Machtausübung darüber. »... 'sch ...b'n ... g-g-g-gang...«

»Selbst wenn du hiergeblieben wärst, hätte das nicht ihr Leben beeinflusst Isy. Nein. Es wäre trotzdem geschehen und du ... du wärst vielleicht nicht mehr du selbst. Weil du mittlerweile unter Umständen sogar wie deine Schwester nach einem anderen Freisein gesucht hättest.«

Die Tränen schossen nun aus ihr heraus. Sie wusste, dass Dag Recht hatte. Ihr Dasein hatte nie Einfluss auf Marleens Leben gehabt.

Isabelle fiel in seine Arme und ließ sich von ihm trösten, solange sie es nötig hatte.

Nicht immer drauf, doch für immer auf dir (Band 1)Where stories live. Discover now