Kapitel 115

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POV Julian

Am nächsten Tag hatte Kai wieder eine Chemotherapie, die letzte, bevor der Arzt schauen wollte, wie groß der Tumor noch ist. Wir kamen gerade heim, nebenbei stützte ich meinen Mann und trug unseren Sohn mit dem anderen Arm. „Schatz? Ich würde mit Jannik einkaufen gehen. Schaffst du das alleine? Jannis steht gerade noch im Stau fest", „sicher Jule, geh ruhig", „wenn etwas ist, dann ruf mich sofort an", „natürlich, ich weiß", ich setzte den braunhaarigen sanft auf dem Sofa ab und brachte ihm noch etwas zu essen und trinken. „Bist du sicher, dass ich gehen kann?", „Jule, jetzt geh schon. Mir geht es gut", lächelte mich mein gegenüber leicht müde an. „Versuch etwas zu schlafen", seine Stirn küssend, reichte ich ihm eine Decke und nahm mir dann schließlich wieder meinen Sohn. „Wir sind weg, wir lieben dich Engel", „ich euch auch", mit einem letzten Kuss, verschwand ich schließlich aus dem Haus und fuhr zum Einkaufen.

Doch mitten im Laden bekam ich ein total schlechtes Gefühl, weshalb ich Jannis anrief. „Tempel der Lust – die Wilde Hilde spricht", „hey Jannis, bist du schon bei Kai?", „hey Julian, kannst du auch mal auf meine lustigen Telefonwitze reagieren?", „bitte Jannis, es ist ernst", „nein, ich stehe noch im Stau. Was ist denn los?", „ich hab ein ganz schlechtes Gefühl", „ich komme hier nicht so schnell raus. Umfahren würde auch mindestens 20 Minuten dauern", „verdammt!" fluchte ich, so leise es ging, um keine Aufmerksamkeit zu erregen. „Hast du schon versucht, ihn anzurufen?", „nein, das ändert aber nichts an meinem schlechten Gefühl. Außerdem, wenn er schläft, will ich ihn nicht aufwecken", „schick mir die Einkaufsliste, ich gehe einkaufen und du fährst zu Kai", „du bist wirklich der beste Jannis. Ich bin dir echt etwas schuldig", „Quatsch, fahr vorsichtig und meld dich wenn was ist", „du auch Jannis...du auch", damit legte ich auf, schickte ihm die Einkaufsliste und fuhr zurück nach Hause.

Dort angekommen, fand ich Kai nicht auf dem Sofa vor. „Kai? Engel? Wo bist du?", leicht panisch rief ich durch das Haus, bis mein Blick auf etwas braunes im Pool traf. „Oh mein Gott!", ich rannte sofort raus, sprang in den Pool und griff unter Kais Arme. Diesen zog ich erstmal zurück an die Wasseroberfläche, wo ich seine Wange tätschelte. „Schatz? Schatz rede mit mir", während ich ihn an den Beckenrand und ihn schließlich aus dem Pool zog, versuchte ich ihn weiter wach zu bekommen. Sobald ich ihn auf den Boden gelegt hatte, kontrollierte ich seinen Puls und seine Atmung.

„Nein nein nein! Schatz, das darfst du nicht machen!", geschockt über den nicht vorhandenen Puls, schob ich sein durchnässtes Shirt hoch und platzierte meine Hände auf seinem Brustkorb. Nachdem ich den Notruf gewählt hatte, begann ich, mit Tränen, auf seine Brust zu pumpen und ihn damit wiederzubeleben. „Engel, du darfst uns nicht alleine lassen, bitte lass uns nicht alleine", flehte ich ihn weiter an. Es knackste, seine Rippen wohl nun gebrochen und nach 30 mal drücken, beamtete ich ihn zwei Mal. Sein Puls kam immer noch nicht zurück, weshalb ich weiter pumpte...

Freiheit beginnt dort, wo die eigene Angst endet.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt