Kapitel 176

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POV Kai

Es waren gerade mal 4 Tage vergangen, in denen ich das Sofa nur verlassen hatte, wenn ich auf Toilette musste. Gegessen hatte ich nichts und getrunken auch kaum, weshalb ich ziemlich abgebaut hatte. Ich hasste mich dafür, dem Baby in mir das anzutun, doch ich konnte aktuell gerade selbst nicht für mich sorgen. Und ich hoffte sehnlichst, dass mein Kind dies ohne Schäden übersteht und mir irgendwann verzeihen würde. Und meine Depressionen? In die war ich wieder komplett rein gerutscht. Meine Gedanken drehten sich seit gestern nur darum, mir irgendwas anzutun und einfach alles zu beenden, weshalb ich nun ein Messer in der Hand hielt. Dieses betrachtete ich eindringlich, bis sich die Haustür öffnete und ich Schritte hörte.

„Hey Kai, ich bin's. Ich wollte mal-", meldete sich Jannis zu Wort, welcher sofort stockte, als er mich da mit dem gefährlichen Gegenstand sitzen sah. „Kai...hey gib mir das bitte, ja? Du musst das nicht tun", bat er mich, hockte sich vor mich und streckte seine Hand nach dem Messer aus. Zögernd legte ich ihm dies auf die Handfläche, welches er weg brachte und danach wieder zu mir kam. „Ich wollte sehen, wie es dir geht", „gut...", „das glaubst du doch nicht selbst. Hast du getrunken? Hier stehen Bierflaschen...", leicht nickte ich, wischte mit meinem Pulliärmel über meine Augen und schluchzte auf. „Ich will dir keine Vorwürfe machen. Ich bin da, um dir zu helfen", behutsam legte der blonde seinen Arm um mich, schien zu spüren, dass ich abgenommen hatte, weshalb er leicht meinen Pulli anhob.

„Hast du in letzter Zeit gegessen?", Stumm schüttelte ich den Kopf, was meinen Schwager zum seufzen brachte. „Du bist schwanger. Du musst essen und trinken. Ich koche dir jetzt was, okay?", ich antwortete nicht, musste wieder an meinen Ehemann denken. Oder war er vielleicht sogar schon mein Ex? Ich sank dem Onkel meines Sohnes in die Arme, da ich nichtmal mehr sitzen konnte. „Ich bin bei dir. Das wird schon wieder", liebevoll strich dieser mir meinen Rücken und legte mich auf das Sofa. „Ich mache dir jetzt was zu essen", bestimmte der mittlere Brandt, ohne auf mein Einverständnis zu warten und verschwand in der Küche. Als ich jedoch hörte, wie er mit seinem älteren Bruder telefonierte, bekam ich Panik und versuchte somit aufzustehen. Es gab einen lauten Knall, als ich zu Boden fiel, was Jannis seine Aufmerksamkeit erregte.

„Kai? Kai was machst du denn??", ebenfalls ängstlich half mir mein gegenüber wieder zurück auf das Sofa. „Jannis? Was ist bei euch los?", ertönte die Stimme meines Mannes durch das Telefon, was mir wieder Tränen in die Augen trieb. „Ich muss auflegen Julian. Kai ist am Ende seiner Kräfte und braucht mich. Wir sehen uns später", damit legte der blonde auf und half mir wieder, mich hinzulegen, bevor ich sanft zugedeckt wurde. „Das Essen braucht noch ein bisschen. Versuch ein bisschen zu schlafen, das hast du bestimmt seit Tagen nicht. Zur Not kannst du die Nudeln auch noch kalt essen", war das letzte, was ich wahr nahm, bevor ich die Augen schloss und einschlief...

POV Julian

Aufgebracht, schloss ich die Haustür auf, hinter welcher ich meinen Bruder erblickte. „Julian? Was machst du hier?", „ich will zu meinem Mann", „es geht ihm scheiße Julian. Wegen dir...", „weiß ich doch...ich will es doch nur wieder gut machen...", Jannis seufzte und nickte dann. „Er liegt auf dem Sofa, aber sei bitte leise. Er ist gerade erst eingeschlafen", ebenfalls nickte ich, trat mit leisen Schritten in das Wohnzimmer, wo ich einen Haufen Bierflaschen sah. Mir stockte mein Atem und ich merkte, wie auch mein Herz zerriss, als ich den braunhaarigen ansah. Leise kniete ich mich vor ihn, strich ihm vorsichtig eine Haarsträhne aus dem Gesicht und betrachtete seine rot angeschwollenen Augen. „Er sieht so fertig aus...er hat total eingefallene Wangen. Hat er...hat er abgenommen...?", „Ja Julian...er muss seit Tagen nichts gegessen haben, ebenso wie geschlafen", „das ist alles meine Schuld...ich hab ihm das angetan...", „hey, du kannst jetzt nichts mehr ändern. Nur noch besser machen und ihm zeigen, wie leid es dir tut", eifrig nickte ich, wischte meine eigenen Tränen von meinen Wangen und strich Kais Schläfe.

„Ich werde alles dafür tun, dass er mir verzeihen wird...dass es wieder eine Chance für uns geben wird...", „geh es aber bitte langsam an. Du solltest nichts überstürzen", wieder nickte ich, legte meine Hand vorsichtig auf den Bauch meines Mannes und strich diesen. Der jüngere grummelte ein wenig, drückte das Kissen, was er im Arm hatte, noch stärker an sich und kniff leicht seine Augen zusammen. „Du ziehst immer solche Grimassen, wenn du schläfst Kai...", lächelte ich liebevoll, küsste dabei sanft seine Stirn. „Jannis...", nuschelte mein Ehemann, schien aufzuwachen, weshalb ich mich von ihm löste. Als er seine Augen öffnete und realisierte, dass ich vor ihm hockte, schluckte er schwer und sah wieder weg. „Julian...was machst du hier...?", „als Jannis mich angerufen hat...hab ich mir Sorgen um dich und das Baby gemacht. Aber wenn du möchtest, dass ich wieder gehe, kann ich das machen", „ich...ja...nein...ich meine...", „lass dir Zeit mit der Antwort. Du kannst gerade keinen Stress gebrauchen", nachdem Kai mit der Situation sichtlich überfordert war, wollte ich ihm Zeit zum verarbeiten geben, weshalb ich erstmal zu meinem kleinen Bruder in die Küche ging.

„Und? Wie hat er dich empfangen?", „er ist überfordert. Deswegen bin ich hier, ich will ihm Zeit geben", „das ist doch schonmal ein Anfang. Immerhin hat er dich noch nicht raus geworfen", „bis jetzt. Vielleicht ja noch, wenn er sich wieder beruhigt hat...", „denk nicht so negativ. Er liebt dich unglaublich", leicht lächelte ich, beschloss dem 23 jährigen ein Glas Wasser zu bringen, mit welchem ich wieder zu ihm ging. Dieser saß mittlerweile auf dem Sofa und strich sich durch seine Haare, die fast wieder so lang waren, wie vor dem Krebs. „Ich dachte mir, dass du vielleicht was trinken willst. Deswegen hab ich hier ein Glas Wasser für dich", leicht zögerlich gab ich es ihm, was er annahm. „Danke Julian...", lächelte Kai mich kurz an, doch wandte seinen Blick wieder schnell von mir ab...

Freiheit beginnt dort, wo die eigene Angst endet.Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt