Eine Reise

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Mit einer gleichmäßigen und stetigen Bewegung drehten sich die Räder des Zuges. Der Wagen darüber ruckelte gleichmäßig im Tackt und stieß so meinen Kopf immer wieder leicht gegen die anliegende Fensterscheibe. In meinem Kopf klang laut der Refrain von Summertime Sadness.


Das Lied war eins meiner älteren Lieblingslieder und eigentlich war ich überzeugt davon, dass es mir nicht mehr gefiel. Als ich damals allerdings in diesem Zug saß und die seichten, leicht melancholischen Töne so in mein Ohr drangen, schien, ich weiß nicht recht wie ich es beschreiben soll, einfach genau in diese Situation zu passen. Außerdem übertönte das Lied nicht nur das tiefe Summen der Klimaanlage im Zug, sondern auch die lauten Stimmen der anderen Passagiere.


Allein mit meiner Lehrerin saß ich auf einem vierer doppel Sitz. Wie sprachen kein Wort miteinander und saßen einfach nur da, sahen uns nicht mal an. Schräg gegenüber von uns saß der Rest des Teams. 


Wilddiskutierend saßen sie da, schwangen die Hände über ihren Köpfen und lachten aus vollem Halse. Das Zentrum dabei bildete, wie es wahrscheinlich für die meistens wahrscheinlich nicht überraschte, Nina und sie schien es aus vollem Herzen zu genießen. 
Ich hingegen saß einfach nur da und lehnte meinen Kopf gegen die Fensterscheibe. Gedankenverloren starrte ich hinaus und rührte mich nicht. Atme ich eigentlich noch?


Probeweiße holte ich einmal tief Luft und bemerkte, dass meine Lunge etwas brannte. Zumindest war ich nicht erstickt, doch ich sollte nicht vergessen immer wieder tief einzuatmen.

 
Der Zug fuhr unaufhörlich weiter und stoppte nur selten bei einer Station. Wie lange fahren wir eigentlich schon?


Ich hatte während der Fahrt viel Zeit um mich in meinen Gedanken zu verlieren, die leider zu meinem bedauern immer wieder zum bevorstehenden Wettkampf kehren mussten. Im Geiste ging ich den Ablauf des Wettbewerbs durch. Jede einzelne Bewegung, jeder möglicher Ablauf lief vor meinem geistigen Auge ab. Ich spielte sie immer wieder durch und versuchte neue, bessere Enden zu konstruieren, doch sie endeten alle gleich. Mein Versagen.


Je mehr ich mich damit beschäftigte desto mehr begann mein Herz in meiner Brust zu schlagen. Ich wurde nervös und mein Magen reagierte augenblicklich. Allerdings nicht im positiven Sinne. Unbemerkt legte ich eine Hand auf meinen Bauch. Ich sah nicht hin, doch ich konnte spüren wie sich etwas in meinem Bauch begann zu verkrampfen. Sofort kamen mir die Worte des jungen Arztes wieder in den Sinn. 


Danach sah es so aus...als währest du schwanger.


In den letzten Stunden hatte ich es vermieden darüber nachzudenken. Es währe mir mehr als nur recht gewesen, dass er mir das nie gesagt hätte. Immer wieder spuckten diese Worte einfach so in meinem Kopf herum und auch wenn es eigenartig klingen mag, ich hatte wirklich große Angst. Wovor genau, da bin ich mir nicht mehr so sicher.


Schnell versuchte ich mich abzulenken, um mich und meinen Körper wieder etwas zu beruhigen. Ich fixierte die Landschaft, die an uns vorbei zog. Es waren darunter oftmals Bäume, kleinere Häuser und weite Grasflächen. Weiches Gras unter meinen Füßen. Eine Hand, warm und weich, unter meinem Kinn. Lippen die mich mit einem Mann verbanden. Etwas an ihnen schien ein Geheimnis zu bewahren. Etwas dunkles. Ich sollte ihnen nicht zu nahe kommen, doch gleichzeitig wollte ich mehr als nur diesen einen Kuss. Der Mond in meinem Rücken. Sein Licht war hell und klar, doch auch er birgt ein dunkles Geheimnis. Wie ein Schleier umhüllt er unsere Körper und beschützt uns vor ungewollten Blicken.
Bei diesem Gedanken hob ich meine Hand und legte zwei Finger an meine Lippen. Sie begannen zu prickeln und ich meinte sogar erneut seine Lippen auf meinen zu spüren. Was war den nur mit mir los. Warum plötzlich so melancholisch?


Ein Ruck riss mich aus meinen Gedanken. Der Zug war stehen geblieben. Wir standen nun in einem kleinen Bahnhof und mein Blick viel gerade auf eine Ziegelmauer, zugekleistert mit Werbeplakaten. Wild waren sie übereinander geklebt, doch unter ihnen befand sich eins, dass ich sofort erkannte. Dunkel mit dem Versprechen eines Albtraumes in Menschengestallt. Gabriel.


Meine Augen begannen leicht zu brennen. Schnell wischte ich über meine Augen und schloss sie. Keine Tränen. 


Nach einer weiteren halben Stunde war die Zeit gekommen und wir begannen uns langsam Richtung Ausgang zu begeben. Etwas müde von der langen Zugreise stieg ich aus und trottete langsam der Gruppe von Menschen hinterher. Ich gehöre nicht dazu.


Immer noch laut lief das Team umher. Sie lachten und fielen sich beinahe an wie Wölfe, die im Rudel miteinander spielten. 
Ein Bus wartete am Ende des Bahnhofes auf uns, der uns zusammen mit drei anderen Teams zu der Halle und unseren Unterkünften brachte. Es war etwa eine weitere halbe Stunde in der ich in Gedanken versank. Immer wieder kam meine mögliche Schwangerschaft auf. Ich muss herausfinden was mit mir wirklich los ist. Ich muss wissen, ob ich wirklich Schwanger bin. 

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