Magst du die Sterne

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Es ließ mich einfach nicht so recht los. Etwa Anfang der nächsten Woche saß ich dann wieder an diesem Baum. Der Abend schlich sich schon langsam heran und kaum merklich wurde das Wetter schließlich wieder milder.
Sanft wippte ich mit der Schaukel hin und her, dabei war mein Blick auf das Blätterdach über mir gerichtet, wenn man es denn als solches bezeichnen kann. 
Langsam sank mein Blick hinunter zum Boden. Frustration machte sich in mir breit. Es konnte ja doch nicht sein, dass ich das alles einfach vergessen hatte, vor allem da ich mich doch an andere Ereignisse aus dieser Zeit erinnerte. Ich hob meine Hände an meine Schläfen und begann sich sacht zu massieren, in der Hoffnung mein Hirn würde beginnen sich dadurch motiviert zu fühlen. Zunächst passierte allerdings nichts. Ich ließ den Kopf hängen, als plötzlich ein ganz leichter und milder Geruch in meine Nase stieg. Zuerst dachte ich, dass ich es mir nur eingebildet hätte, doch der Geruch wurde langsam stärker. Vorsichtig hob ich dann den Kopf und begann nach der Quelle zu suchen. Auf der Schaukel drehte ich mich um und suchte den ganzen Baum ab. Langsam wanderte mein Blick weiter nach oben und in den Geäst wurde ich dann wirklich fündig, allerdings schien mir die Sonne nun direkt ins Gesicht, weshalb ich die Person mehr Schemenhaft erkennen konnte.

„Was willst du hier kleines Mädchen?" Die Stimme klang schroff und er schien sich von mir eher gestört zu fühlen. Ich gab aber keine Erwiderung von mir, was er nur verwundert auffasste. Meinen Kopf drehte ich stur zur Seite. Für einem Moment blieb es still.


„Warum weinst du? Deine Augen sind schon ganz rot." Was meint der? Ich weine doch gar ...

Plötzlich spürte ich wie etwas auf meine Hand tropfte. Verwirrt fuhr ich mit meinen Händen nach oben und begann wirklich auf meinen Wangen eine Tränenspur zu fühlen. Schnell wischte ich mir mit meinen Händen über meine Augen und versuchte zu verbergen, dass ich weinte. Vorsichtig sah ich wieder nach oben, doch dieser jemand hatte sich nicht bewegt er sah mich allerdings nun an. 

„Ich weine gar nicht." Ist das wirklich meine Stimme? Sie klingt viel zu hoch.

Der Mann in den Ästen legte seinen Kopf leicht schief und sah mich musternd an. Es fühlte sich allerdings nicht spöttisch an, so wie ich es erwartet hatte. 

„Lügner." Mehr sagte er nicht und dennoch mochte ich diese Worte nicht. Er sprach sie so herablassend aus. Meiner Meinung nach hätte er mich gleich beschimpfen können.

„Bin ich gar nicht!" Meine Stimme klang jetzt deutlich belegt, aber immer noch zu hoch. Ihn schien das allerdings nur zu amüsieren.

„Doch." Seine Stimme war ganz ruhig.

„Nein!" Es klang nun mehr nur noch wie ein schrilles Quietschen und ich spürte wie erneut die Tränen zu laufen begannen. Nein ich muss stark sein! Für Oma und Mama.

Ich drückte meine Augen fest aufeinander und versuchte so den Tränenfluss aufzuhalten, doch kleine Tränen schafften es dennoch sich raus zu mogeln. Immer fester drückte ich meine Augenlieder aufeinander und begann mich komplett zu verkrampfen, als ich plötzlich etwas ganz warmes an meiner Wange spürte. Ganz zart strich etwas über meine Wange und nahm sich so eine Träne. Vorsichtig öffnete ich die Augen wieder und sah nun den Mann vor mir stehen. Er schien noch ziemlich Jung, aber seine Augen zeigten etwas anderes. Aus meiner Sicht erschienen sie sogar fast einwenig blass. 


„So viel Willensstärke und dennoch schafft sie es nicht eine kleine Träne zurück zu halten." Fasziniert hob er seine Hand wieder näher an sein Gesicht und betrachtete die Träne, die nun auf einem seiner Finger hing. Im Sonnenlicht begann sich leicht zu schimmern.


„So schön können nur Kindertränen sein." Er sah mich wieder an und begann mich wieder zu mustern. Ich hatte es währenddessen aufgeben und ließ die Tränen nun fließen. Der junge Mann sah das und blickte wieder auf die einzelne Träne. Langsam führte er dann die Hand zu seinem Mund und drückte meine kleine Träne gegen seine Lippen. Wie eine Blase schien sie zu platzen und sich langsam auf seiner Lippe auszubreiten. Mit seiner Zungenspitze fuhr er dann ganz langsam über seine Unterlippe. Seine Augen glitten für einen Moment zu, doch mit einem Mal sprangen sie auf und schauten mich erstaunt an.

Langsam kam er noch ein Stück näher und sank vor mir in die Hocke. Nun konnte er von unten zu mir hinauf schauen. Er begann mich nun ganz genau zu betrachten und zu mustern, als könnte er nicht glauben, dass ich nun vor ihm saß.

„Sag mir bitte, kleines Mädchen, warum weinst du?" Seine Stimme war nun ganz weich und es schien fast so, als hockte da nun ein anderer Mann vor mir. Ich schüttelte allerdings nur den Kopf und wollte meinen Kopf wegdrehen, doch etwas hielt mich davon ab. Seine Hand hatte sich unter mein Kinn gelegt und ließ mich nun nicht mehr los. Mein Herz begann schneller zu schlagen. Unter Anleitung seiner Hand begann ich ihn nun wieder anzusehen und als ich dies dann tat begann er mit einem mal ganz leicht zu lächeln.

„Bitte. Sag es mir." 

„Aber ich muss doch stark sein. Für Omi." Seine Hand ließ von meinem Kinn ab und wanderte hinauf zu meiner Wange, dort blieb sie dann auch liegen.

„Du bist doch stark. So lange hast du es geschafft, doch auch die stärksten müssen einmal schwach sein." Ich begann noch mehr zu weinen und mir erneut über die Augen zu reiben.

„Oma hat aber nicht geweint. Sie war ganz stark und das obwohl Oper jetzt weg ist." Ich begann bei der Erinnerung zu schluchzen. Während der gesamten Beerdigung hatte ich die Hand meiner Mutter gehalten und mit ihr geweint. Oma stand neben mir und hielt sich die ganze Zeit aufrecht, nur ein paar Tränen hatten es gewagt ihr über die Wange zu laufen.

„Dein Oper ist heute gestorben." Er sagte es, als wäre ihm nun eine Erleuchtung gekommen. Ich hingegen saß immer noch heulend auf der Schaukel.

„Deshalb trägst du auch dieses hübsch Kleid, oder?" Mit Tränenverschmierten Gesicht schaute ich an mir herunter und tatsächlich trug ich ein Kleid. Es hatte Dreiviertel Ärmel und war aus schwarzen Samt, der Rock allerdings war aus dunkelrotem Samt. Meine Füße steckten in flachen, kleinen, schwarzen Riemchen und baumelten in der Luft.

Ich sah wieder zu ihm hoch und nickte, dann begann ich noch lauter zu schluchzen. Der junge Man reagierte sofort und lehnte sich zu mir nach oben. Seine Arme schlangen sich ganz sanft um meinen kleinen Körper und drückten mich an sich. Nun wusste ich auch von wo der Geruch kam. Es war mir zuvor gar nicht aufgefallen, doch sein ganzer Körper schien diesen Geruch zu verströmen. Der Geruch war sehr angenehm und sorgte dafür, dass ich mich etwas beruhigte. Irgendwie kam mir der Geruch bekannt vor, allerdings in etwas anderer Form.


„Nun bist du endlich ehrlich." Ich schlang meine kurzen Arme so gut es ging um seinen Hals und suchte so an seinem Körper halt. Meine Kopf drückte ich fest gegen seinen Hals und ließ mich weiter von seinem angenehmen Geruch umhüllen. So bekam ich nur am Rand mit wie er auf die Knie sank und meine Körper langsam von der Schaukel hob. Auf seinem Schoß kroch ich dann zusammen und verharrte so bis ich aufhören konnte zu weinen. Er blieb währenddessen ganz still und hielt mich einfach nur fest. 

Mit einem Mal kam eine starke Windböe uns entgegen. Ich begann zu zittern. Mein ganzes Gesicht war mit Tränen verschmiert und war deshalb noch Kälte empfindlicher. Seine Arme schlossen sich noch etwas an sich und er lehnte sich etwas nach vorne. Sein Körper schützte mich so vor dem Wind. Nach einer Weile sah ich nach oben und begegnete seinem Blick. Seine Augen hatten begonnen etwas zu glitzern, sie waren nun nicht mehr so matt. So schön!

Langsam hob ich meine Hand und legte sie an sein Gesicht. Er schien sichtlich überrascht, doch er hielt mich nicht davon ab oder schupste mich weg.

„Wie Sterne!" Er begann verwirrt zu blinzeln, doch nach einer kleinen Weile begann er dann wieder sanft zu lächeln.

„Sag, magst du die Sterne?"

„Miriam?" Ich hörte eine sanfte Stimme und spürte eine leichte Berührung an meiner Schulter. Was ist das?

Pregnant Where stories live. Discover now