Back to school

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Mein Kopf lehnte gegen der blassen, leicht verschmierten Fensterscheibe des Buses. Starr wanderte mein Blick nach draußen und beobachtete wie die Landschaft vorbei zog und mich näher zu der Stadt führte. Kleine Waldabschnitte neben der Straße, reihe von Bäumen, teilweise sah man in der Entfernung sogar Häuser und andere Dörfer. Leise surrten die Kopfhörer in meinem Ohr.

I'm caught up in your expectations.

You try to make me live your dream.

But I'm causing you so much frustration.

And you only want the best for me.

Der Himmel war verhangen und bot einem nicht unbedingt einen spätsommerlichen Ausblick. Stattdessen schienen die Wolken schwer auf einen nieder zu drücken und den kalten Wind tief unten zu halten. Ich warf einen kurzen Blick auf mein Handy, wo über dem Album Cover auch die Uhrzeit eingeblendet wurde. Mal wieder viel zu früh.

Ich versuchte nicht weiter darüber nachzudenken und starrte weiter aus dem Fenster. Als mein Vater nur etwa eine Stunde zuvor in die Küche gekommen war, war ich so schnell wie möglich verschwunden. Es fühlte sich immer noch unangenehm an mit ihm alleine in einem Raum zu sein, mit meiner Mutter ging es. Sie schien etwas von der eigenartigen Energie umzuwandeln. 

Der Bus bremste langsam ab, als er in die nächste Station glitt. Ich drehte meinen Kopf leicht zur Seite und beobachtete, wie Menschen in den leeren Bus einstiegen. Dabei waren eine ältere Dame, eine Frau in Bleistiftrock und Blaiser, die auf ihrem Handy herum tippte. Es kamen noch zwei Männer angerannt und schafften es gerade noch so in den Bus, in ihren Handy befand sich jeweils auch ein Handy. Mit einem dumpfen knarren schloss sich die Tür wieder und der Bus setzte sich erneut in Bewegung.
Immer weiter drehten sich die Räder und brachten mich mit jeder erneuten Umdrehung näher zu meinem Ziel. Bei dem Gedanken an das kommende Schuljahr lief mir ein kalter Schauer über den Rücken, zugleich schlich sich auch erneut Lucifer in meine Gedanken.
Vor noch nicht all zu langer Zeit hatte mir allein seine Existenz Kraft gegeben jeden weiteren Tag für mein Kind zu überstehen. Die Hoffnung ihn vielleicht mal wieder sehen zu können und auch schon allein das Wissen seiner Liebe zu mir gab mir etwas neuen Mut. Jetzt hatte ich allerdings nicht mehr an das ich klammern konnte um in diesem tosenden Wellen halt und etwas Sicherheit zu finden. Allein dieses kleine Baby hielt mich nun noch davon ab, mich selbst von der Nächsten Klippe oder Brücke zu stürzten. Noch kann dir diese Welt nichts anhaben. Solange ich kann werde ich auf die Aufpassen.

Schließlich fuhr der Bus über die imaginäre Linie, die meine Freiheit von der Folterkammer trennte. Es folgten zwei weitere Stationen, an denen Hauptsächlich Menschen Ausstiegen. Schließlich wurde es auch für mich an der Zeit und ich erhob mich aus dem alten stoffenen Sitz. Die Tür öffnete sich ein weiteres Mal und ich verließ mit zitterten Gliedern den Bus.
Schritt für Schritt näherte ich mich meiner Schule, bis ich nur noch eine Straße überqueren musste. Es gab keine Ampel und die Autos fuhren einfach an einem vorbei, selten hielt eines an. In den letzten Minuten waren die Wolken dunkler geworden und einer einzelner kleiner Tropfen fiel aus dem Wolken direkt auf meinen Kopf. Kein Auto war mehr zu sehen, als machte ich den ersten Schritt auf den dunkelgrauen Asphalt, der sich nur wenig von dem Gehsteig unterschied. Bei jedem Schritt hoffte ich insgeheim, dass ein Auto kommen würde und mich mit sich reisen. Ich sah schon meinen Körper, der von der Druckwelle von meinen gerissen wurde und als der Mann endlich bremste weiter flog, ehe etwas seinen Flug abbremste. 
Ein lautes Hupen riss mich aus der Träumerei. Ich fand mich nun mitten auf der Straße wieder. Nur wenige Zentimeter entfernt die Stoßstange eines Autos. Hinter der Scheibe befand sich eine wütend, den Mittelfinger schwenkende, Frau. Schnell kam ich wieder komplett auf die Erde und rannte den restlichen Weg über die Straße.
Weiter Tropfen vielen nun auf mich hinab, beinahe so, als würde der Himmel weinen, weil ihm eine Seele entgangen war. Am liebsten hätte ich mit ihm geweint.
Langsam und bedacht lief ich die hellen, grauen Stufen hinauf. Neben mir glänzte das glatte Metall des Geländers und vor mir boten mir drei verschiedene Türen Einlass in diese Welt. Vorsichtig schubste ich eine der Türen auf und trat ein. Die Halle war nur sehr spärlich besucht, lediglich ein paar Erstklässler, die zum ersten mal an der Schule waren. Manche von ihnen tanzten nervös herum und schienen gespannt, gleichzeitig aber auch verängstigt, vor den neuen Erfahrungen. Lauft! Solange ihr das noch könnt.

Stillschweigend lief ich um die Ecke und ging langsam die Treppen hinauf. Ich lief einmal durch den ganzen Stock ehe ich bei dem Klassenzimmer ankam. Hier also dieses Jahr.

Langsam streckte ich meine Hand nach der Türklinke aus. Das Metall war ganz kalt unter meinen Fingern und beim öffnen murrte die Tür etwas, als wollte sie mich davon abhalten weiter zu laufen. Sie wusste allerdings genauso wie ich, dass nichts daran vorbeiführte. Ich betrat also trotz der nett gemeinten Warnung das kleine Klassenzimmer. Die Reihen waren mit hölzernen Tischen gefüllt, aus dem selben Material waren auch die Stühle. Ich setzte mich in die erste Reihe ganz an den Rand. Kaum einer wollte hier sitzen und ich konnte mich hinter dem alten Röhrenbildschirm gut vor den Lehrern verstecken. Die Vorhänge boten noch zusätzlichen Schutz vor neugierigen Blicken. Die kleine Tasche, die ich mit mir trug, landete auf dem Tisch und diente mir als Polster. Fest drückte ich sie schützend gegen meine Brust und versuchte mir so etwas Sicherheit wieder zu geben, was aber zu wenig seien sollte. 

Es waren noch 35 Minuten ehe der Unterricht beginnen würde und niemand außer mir hatte sich bis jetzt die Mühe gemacht zu kommen. Für mich war das Perfekt, so hatte ich noch etwas Zeit. Die Minuten vergingen schleppend und gleichzeitig viel zu schnell. Erst bei Ablauf der letzten zehn Minuten begannen die ersten Schüler in den kleinen Raum zu strömen. Es waren fünf Schüler weniger als letztes Jahr. Nina und Sarah waren welche von den letzten, die den Raum betraten. Ninas vernichtender Blick fand mich sofort und bohrte ein schwarzes Loch in meinen zitternden Körper. Sie schien es zu genießen. Ich drehte mich schnell nach vorne und versuchte die Tränen vor Panik zurück zu halten. Es läutete und unser Klassenvorstand kam in die Klasse. Etwas Ruhe kehrte ein und er begann zu sprechen.

„Schöne euch nach den Ferien alle wieder zu sehen." Die erste Reihe blieb leer. Briseis kam nicht. Mein Klassenlehrer begann wie immer mit der Jahresanfänglichen Rede, in der er versuchte uns zu ermutigen gleich anfangen zu lernen und nicht wieder alles bis zu der letzten Möglichkeit aufzuschieben. Er hieß übrigens Herr Maier. Seitdem es diese Klasse gab war er unser Klassenvorstand, damals war er noch relativ jung gewesen und hatte auch noch wenig Erfahrungen mit teilweise noch präpubertären Schülern. Inzwischen war er älter und auch mit seiner damaligen Freundin verlobt, diese erwartete wie ich ein Kind.
Eigentlich mochte ich ihn, dass einzige was mich wirklich etwas störte war sein Chaoten Reichtum. Gerne mal vergaß er Zettel und gab sie uns eingeknickt und mit leichten Bügelfalten. Er organisierte auch nicht wirklich Ausflüge, doch er stand hinter jeden Schüler und half auch immer gerne, wenn man ihn fragte. 
 Zettel nach Zettel wurde durch die Reihen gereicht, wobei er mich auch ein, zwei mal vergaß. Schließlich ertönte die befreiende Klingel und die ersten zwei Stunden an meinem ersten Tag waren vorbei.
So schnell es auch nur irgendwie ging stopfte ich die Massen an Information in meine Tasche und stürmte mit dem Rest aus dem Raum, auch unser Lehrer schien es eilig zu haben. 
Insgeheim hatte sich in mir schon die Hoffnung breit gemacht, dass Nina mir für den ersten Tag noch eine Schonfrist gewähren würde, doch dem war nicht so. Alle Schüler stürmten die Treppen hinunter. Ich wollte ihnen eigentlich folgen doch etwas oder besser jemand packte mich an meinem Ärmel und zog mich zurück.
Aus schreck versteifte sich mein Körper und ich begann zu stolpern. Mit dem Rücken schlug ich gegen die Wand gegenüber der Treppe in die Freiheit. Schmerz floss meine Wirbelsäule rauf und runter, weshalb ich die Luft einzog. Der Stock war bereits Lehrgeräumt, nur drei Leute waren noch hier. Das war einmal ich und wer die anderen waren kann sich an diesem Punkt wohl jeder denken. 


Pregnant Where stories live. Discover now