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Dicke heiße Tränen begannen über meine Wangen zu laufen und meine Lippen begannen zu beben. Die kühle Nacht legte ihre Arme schützend um mich während ich weinend neben der Straße saß. Ungehindert konnte ich hier weinen. Keiner würde hier vorbei kommen, da war ich mir sicher. Ich saß hier in irgendeinem verlassenen Winkel, des Landes das ich immer als meine Heimat betitelt hatte. Um mich herum schlief alles und ich kam vor, als wäre in dieser Welt ganz allein. Bei jedem Atemzug begann mein ganzer Körper zu zittern. Enormer Hass hatte sich in mir aufgestaut und suchte einen Weg nach draußen, doch es war nicht meiner. Es waren die letzten Überreste von Lucifers Präsents, die mich überschattete. Immer noch jagten mich Bilder aus seiner Erinnerungen. Großteils waren es schreckliche Bilder von Mord, Folter und auch dem Missbrauch von Frauen und Kindern. Es fühlt sich an als wären das alles meine eigenen Taten. Er hat kein Mitleid mit auch nur einem seiner Opfer. Wo ist die Reue?


Wie ein angefahrenes Tier begann ich mich über den Boden zu ziehen. Mit zitternden Gliedern schaffte ich es irgendwann mich zu erheben. Wie Lichtblitze tauchten weitere Bilder auf. Unter ihnen auch einige unserer gemeinsamen Zeit. Wie ein schwerer Anker hängten sich diese Bilder an mein Herz und drohten, es auseinander zu reissen.

Ich weiß nicht wie lange ich noch in der Nacht herum lief. Es konnten mehrere Stunden gewesen sein, vielleicht auch nur eine oder zwei. Alles in mir schien nun zum Leben erwacht zu sein und die Erinnerungen und Gefühle begannen sich in meinem Körper zu bekriegen. Sie feuerten Kanonen und Raketen, stachen mit Dolche aufeinander ein. Mein Herz wurde schwer und machte das weiterlaufen noch schwerer für mich. Am liebsten hätte ich mich von einer Klippe gestürzt. Die Reisende Gischt des Meeres unter mir gespürt und wäre an den Felsen zerschellt. Dazu fehlte mir allerdings der Mut.

Irgendwann kam ich schließlich wieder zu dem Haus von Briseis Oma. Ich war wahnsinnig Müde. Gerne wäre ich schneller dort gewesen, doch ich musste mich zuerst wieder etwas beruhigen, bevor ich es auch nur ansatzweise wagen konnte Briseis zu begegnen. Unmöglich konnte ich ihr zu diesem Zeitpunkt von alle dem erzählen. Sie würde mir nie glauben. Ich glaubte es ja selbst nicht. Wie sollte ich also eine andere Person dazu bringen mir zu glauben. Es wäre mir lieber gewesen ich hätte mir alles nur eingebildet und würde nun schweißgebadet in meinem Bett aufwachen, doch so würde es nicht kommen. 
Mit von der Kälte tauben Fingern holte ich den Haustürschlüssel von Briseis aus der Tasche und sperrte auf. Im Stiegenhaus war es dunkel und ich hatte eigentlich auch nicht vor das Licht an zu machen. Stattdessen lief ich im Dunkeln das Stiegenhaus hinauf und kämpfte gegen neue Tränen an. Mit einem dumpfen klicken öffnete sich die Tür und ich trat ein. In der Wohnung war es ebenfalls dunkel. Beinahe blind lief ich ins Badezimmer.
Hinter mir schloss ich die Tür und drehte das Licht an. Im Spiegel erschien wieder ein Gesicht. Es war nicht meins. Die Augen strahlten und schienen Sterne in sich zu tragen. Die Haut zwar weiß doch eben und die Lippen ganz zart rosa. Das bin ich nicht. 

Am liebsten Hätte ich mit der bloßen Faust auf den Spiegel eingeschlagen und dieses Bild vernichtet, doch ich drehte einfach wieder das Licht aus und verschwand aus dem Badezimmer. Die Schuhe standen bereits wieder neben dem Eingang und der Schlüssel lag an seinem vorhergesehenen Platz, als ich das Zimmer betrat. Durch den Schein des Mondes konnte ich erkennen, das Briseis noch tief und fest schlief. Ich legte mich einfach dazu. Sie weiß ja nicht, dass ich aufgewacht bin.

Ich drückte mich fest in die Matratze und schlang meine Decke um mich, um die aufkommende Kälte in meiner Brust zu verscheuchen. Langsam ließ ich meine Lieder zu gleiten und schafften es tatsächlich zu meiner eigenen Überraschung einzuschlafen. 

Mehr und weniger am nächsten Morgen wachte ich auf. Briseis hatte sich beweget und ihren Arm auf meinen Rücken geschlagen. Autsch.
Beinahe schon wieder wach drehte ich mich um und sah wie Briseis ganz an mich gekuschelt lag. Ihr Körper war zusammen gerollt. Über dieses Anblick war ich wirklich mehr als nur überrascht. Zwar war ich mir sicher, dass ich es nach den Geschehnissen nie wieder tuen würde, doch ich begann ganz leicht zu lächeln. Irgendwie schon niedlich.

Briseis Lieder begannen zu flimmern, bis sie sie schließlich ganz öffnete. Ihre Augen glänzten noch ganz verschlafen, als sie zu mir auf sah. Sie wich etwas zurück und streckte sich. Dabei gab sie ein dumpfes knurren von sich.

„Warum bist du schon so früh wach?" Ihre Stimme klang noch etwas stumpf.

„Du hast mich mit deinem Arm geschlagen." Sie riss die Augen verwundert auf.

„Oh! Tut mir leid." Sie setzte sich auf und streckte sich im Sitzen erneut. Ich beobachtete sie dabei und begann mir in Gedanken einen Plan für den heutigen Tag zurecht zu legen. Briseis streckte ihre Hand nach ihrem Handy aus. Bei einem kurzen Blick auf ihre Uhr wurde sie plötzlich hell wach.

„Scheiße! Wir müssen uns beeilen!"

Schon ehe ich mich versah saßen wir wieder im Zug und waren auf dem nach Hause. Briseis und ich redeten nicht viel miteinander. Sie war ziemlich schnell nachdem der Zug losgefahren war auch schon eingeschlafen. Ich hingegen starrte einfach nur gedankenverloren aus dem Fenster. In den letzten zwei Tagen hatte sich meine gesamte Weltanschauung verändert. Es erschien mir in dem Moment, als diese ganzen verschiedenen Landschaften an mir vorbeizogen, so als wäre alles was ich bis jetzt für richtig hielt falsch.

Die Frage, wie es denn nun weitergehen sollte beschäftigte mich mehr als nur einmal. Am liebsten hätte ich die Zeit zurück gespult und mich selbst davon abgehalten hinter all diese Geheimnisse zu kommen. Jetzt wo ich es wusste erschien es mir viel schrecklicher, als die Unwissenheit. Wo ich doch noch nicht einmal alles wusste.

Stunde um Stunde verging, bevor an unserem heimischen Bahnhof ankamen. Irgendwie schaffte ich es ohne größere Zweifel bei Briseis zu schüren durch unsere restliche gemeinsame Zeit. Schließlich verabschiedeten wir uns und versprachen noch, dass wir uns schrieben. Es war bereits Abend, als ich Zuhause ankam. Meine Mutter empfing mich freundlich bereits im Eingang. Ich spielte mit. Meinen Vater sah ich nicht.

„Und wie war dein Ausflug?" Sie war wirklich gespannt auf meine Erzählungen. Ich ließ mich von ihr dazu hinreisen einwenig zu erzählen, wobei ich natürlich alles was nur irgendwie mit dem Zirkus im Zusammenhang stand weg ließ. Nach wahrscheinlich mehr als einer weiteren Stunde schaffte ich es in mein Zimmer. Es vergingen noch ein paar weitere Stunden bevor ich schließlich endlich schlief.

Der nächste Tag war nicht viel besser. Ich war schon früh wach, doch blieb ich liegen. Irgendwann klopfte es an dann an meiner Tür. Einen kurzen Blick warf ich auf meine Uhr. Es war bereits weit nach neun, meine Mutter konnte es also nicht sein. 

„Herein!" Ich hörte wie sich die Tür langsam öffnete. 

„Morgen, kleines. Du solltest langsam mal aufstehen." Es war Anitas warme und herzliches Stimme, die an mein Ohr drang. Langsam erhob ich mich dann schließlich und drehte mich zur Tür. Vor mir stand Anita mit einem hölzernen Tablett in der Hand, darauf stand ein Häferl, aus dem der warme Duft von Schokolade und Schlagobers aufstieg, daneben ein Teller mit zwei Croissant und Marmelade, Butter und Nutella. 

„Morgen, Anita." Ich versuchte zu lächeln.

„Ich habe dir etwas zu essen mitgebracht und so wie ich sehe kannst du das Essen auch wirklich gut brauchen." Sie stellte mir das Tablett auf meine ausgestreckten Beine und fuhr mir sanft über meine Kopf. 

„Danke schön." Ich sog den Duft tief ein.

„Gerne doch, mein Liebling. So! Und nun iss schön auf. Ich hol das Tablett wieder ab und wenn ich dann noch einen Krümmel darauf sehe." Sie machte einen gespielt bösen Blick und fuchtelte warnend mit dem Finger vor mir herum. Schließlich verließ sie wieder das Zimmer und ich aß ganz brav wie mir aufgetragen mein Frühstück.
Mit warm glühenden Bauch erhob ich mich aus dem Bett und beschloss mich erst einmal unter die Dusche zu stellen. 
Das Wasser schien unendlich viel Schmutz von meinem Körper zu waschen und dennoch fühlte ich mich nach beenden der Dusche immer noch nicht sauber. Lange Zeit stand ich unter Dusche, als ich es schließlich schaffte mich heraus zu bewegen war meine Haut bereits rot, von dem heißen Wasser und dem vielen schrubben mit dem Schwamm.


Pregnant Where stories live. Discover now