Farbe

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Ich wich einen Schritt zurück, zwar hatte ich nicht wirklich angst vor ihm, doch ich wollte auch nicht riskieren, dass er seine Drohung wahr machte. 

„Das glaub ich nicht." 

„Wieso weichst du dann zurück?" Bei seinen Worten begann ich mich etwas ertappt zu fühlen und mein Herz begann nervös zu flattern. 

„Ich mag es nicht wenn Menschen mir so nahe kommen." Daraufhin musste er lächeln.

„Was ist wenn ich aber kein Mensch bin?" Mein Herzschlag wurde schneller. 

„Wie kannst du kein Mensch sein?" Meine Stimme klang etwas zu hoch und merklich nervös.

„Wirklich etwas naiv." Er kam noch etwas näher zu mir und lehnte sich zu meinen Ohr. Wie eine todgeweihte Maus begann alles in mir in eine starre zu verfallen. Wird er mich fressen?

„Nen mich einfach..."


„Lucifer." Langsam glitten die Worte über meine Lippen. Wie das Herz eines kleinen Kindes begann mein vor Wiedersehensfreude schneller zu schlagen, allerdings schoben sich immer wieder diese schrecklichen Bilder in mein Bewusstsein und unterdrückten die Freude. Gabriel hingegen begann zu lächeln, als ich seinen wirklichen Namen aussprach.

„Es hat mir gefehlt meinen Namen aus deinem Mund zu hören." Ich wich noch einen Schritt zurück und stieß ruckartig gegen die kleine rote Couch. Meine Knie begannen zu zittern und gaben nach. Beinahe wie in Zeitlupe sank mein Körper auf die rote Couch. Sie war warm und fühlte sich an, als würden kleine Flammen darin schlagen. Lucifer nützte die Gelegenheit und vernichtete den letzten schützenden Abstand zwischen uns. Das eine Bein winkelte er ab und stützte es neben meinen Körper auf der Couch. Der Rest seines Körpers lehnte sich nah vorne. Eine Hand krallte sich in die Lehne hinter mir. Erneut erstarrte ich, wie eine todgeweihte Maus. Mein Herz schlug unglaublich schnell, sowohl wegen der aufsteigenden Panik, aus auch wegen meinen immer noch vorhandenen Gefühlen für den Vater meines Kindes und den Mann der mich als kleines Mädchen beschützt hatte. 
Ich zuckte zusammen als seine eine Hand sich langsam an meine Wange legte. Seine Augen bohrten sich in meine. Wie in meinen Erinnerungen glitzerten sich wie tausende von Sternen und hinter ihnen zog der Nachthimmel auf. 

Große ängstliche Augen und dennoch kann ich in ihnen das Mädchen Wiedersehen, wie es sich langsam aus seinem Schlaf erhebt." Er schien nicht mit mir zu sprechen, doch etwas ganz tief in mir fühlte sich davon angesprochen und sehnte sich dieser Stimme entgegen.

„Warum tust du das?" Meine Augen begannen mit einem mal plötzlich zu brennen. Ich hatte diese Worte nicht mit Absicht ausgesprochen, doch Lucifer schienen sie dennoch zu verletzen. 

Es hat mich unglaublich viel Zeit gekostet, um euch Menschen zu verstehen. Der Meister schickte mich bereits Jahrhunderte vor deinem Leben in diese Welt, die wir bis dahin nur durch ein Fenster beobachteten. Ich sollte mich unter sie mischen und herausfinden, was sie antreibt. Was sie von uns unterscheidet." Die Notizbücher kamen mir wieder in den Sinn. Wie kann ein so verzweifeltes Wesen so distanzierte Worte schreiben. Erstrecht wenn er uns Menschen so verabscheut.

Plötzlich zog sich das schwarze in seinen Augen zurück. Lucifer stieß sich von mir weg.

„Erinnerungen sind etwas schreckliches. Immer wieder verfolgen sie einen. Ich kann nichts vergessen." Lucifer hielt sich eines seiner Augen. Langsam wanderte die zweite Hand an seinen Hals und begann zuzudrücken. Zwischen seinen Fingern, die er fest gegen sein Gesicht presste drang nun beinahe schwarze Blut. 
Langsam und vorsichtig erhob ich mich wieder vor der Couch, als sich plötzlich alles um mich herum begann zu verändern. Wie ein nass gewordenes Gemälde begann alles um mich herum zu zerrinnen und zu zerfließen. An meinen Füßen begann sich ein Gemisch aus Farben zu sammeln. Immer höher stieg es an, während sich alles um uns herum begann aufzulösen. 

„Was passiert hier?" Man konnte die Panik meiner Stimme anhören, während weiterhin ungehindert Emotionen auf mich einschlugen.

„Immer mehr Erinnerungen drängen sich nun durch den größer werdenden Spalt in dein Bewusstsein. Es fällt mir nur sehr schwer mich zu halten." Sein Blick war ernst, als er mich ansah. Immer mehr Blut begann durch seine Finger zu rinnen. Tropfen fielen zu Boden und vermischten sich mit den Farben. Wenn er jetzt verschwindet, dann...

Verlustängste begannen sich in mir auszubreiten. Die Erinnerungen erschufen Gefühle, die ich nicht kontrollieren konnte. Sie schienen sich in meinem Körper ein Eigenleben zu bilden.

„Lu du darfst nicht schon wieder gehen." Es überraschte mich mehr als nur einwenig, als ich plötzlich hinter mir meine eigene Stimme hörte. Die Farbe begann Wellen zu schlagen, als sich jemand in Bewegung setzte. Ich spürte wie etwas kleines an mir vorbei lief und konnte beobachten, wie ich selbst auf ihn zu rannte. Ich war wieder dieses kleine Mädchen, dass sich so unsterblich in ihn verliebt hatte. Fest schlang ich meine kurzen Arme um seine Beine, da ich nicht höher reicht. Lucifer sank auf die Knie und die kleine Miriam zog ihm schnell die Hand von seinem Hals.

„Du tust dir weh!" Sie kreischte, während sie gleichzeitig weinte. Mit ihr begann auch ich zu weinen, doch plötzlich begann sie sich schnell umzudrehen. Ihr Rücken war nun Lucifer zu gewannt. Aus ihren Augen quollen immer noch Tränen, doch ihr Blick war entschlossen. Sie streckte ihre Arme aus und stellte sich schützend vor Lucifers Körper.

„Geh weg du Monster!" Die Worte schrie sie mir direkt ins Gesicht und ich wich erschrocken zurück. Die Augen dieses Mädchen begannen ebenfalls wie wild zu funkeln und etwas an ihr wirkte bedrohlich, obwohl sie noch so klein war. Hinter mir begannen sich Wellen aufzutürmen. Langsam begann ich dann eine Präsents hinter mir wahrzunehmen. Schnellte drehte ich mich dann um und erblickte wie sich die Farbe begann zu formen. Wie von eine Schnurr angeleitet wanderten die ineinander geronnen Farben in die Luft und begann langsam aus ihrem wackelten Körper einen Menschen zu formen. 

„Du solltest lieber aus dem Weg gehen. Als Totgebohrende bewegst du dich bereits auf dünnem Eis. Überschätze meinen guten Willen nicht." Es war eine himmlische Stimme und dennoch spürte ich schreckliche Angst in mir aufsteigen. 

„Du wirst Lu nicht noch mehr wehtuen!" Das kleine Mädchen schien fest entschlossen ihr Leben für diesen gefallenen Engel zu geben. Wie konnte ich dieses Monster nur so abgöttisch geliebt haben?

Abgöttisch? Eine sehr interessante Wortwahl angesichts meines Status." Erschrocken drehte ich mich herum. Lucifer, der immer noch sein schwer blutendes Auge verdeckte, lächelte mich an. Wie kann er in so einem Moment nur lachen?

„Lucifer! Töte deine Schöpfung und leiste Wiedergutmachung, oder ich werde dies zu meiner persönlichen Aufgabe erklären." Eine beinahe schon feminine Gestallt hatte sich aus den Farben gebildet. Sie waren zu einer dunkeln Masse verschmolzen und ließen seine Erscheinung noch schrecklicher aussehen. 

„Du bist wirklich töricht Gabriel, zu glauben, ich würde meine eigene Schöpfung umbringen, nur um deinen Meister zu gefallen und zu hoffen er würde mich wieder in seinen Garten Eden willkommen heißen." Die Masse aus Farben begann sich in Bewegung zu setzten. Ich drehte mich so schnell ich konnte um und rannte auf das kleine Mädchen und Lucifer zu. Fest schlang ich meine Arme um meinen eigenen noch so kleinen Körper. Als sich Lucifer plötzlich begann wieder zu bewegen. Er ließ die Hand von seinem Augen gleiten und sprang über unser Köpfe. Blut begann in breiten Bahnen durch die Luft zu segeln und auf unsere Köpfe nieder zu fallen, wie Regen. Mit schreck geweiteten Augen beobachtete ich wie sich Gabriels oder besser Lucifers Körper in den Körper des Monsters aus Farben rammte und dieser kollabierte.
Alle Kraft schien aus dem Gebilde zu weichen und er sank wieder zu Boden. Wie ein riesige Welle begannen sich die Reste dieser Erinnerung auf uns zu zu bewegen. Ehe ich mich dann versah wurde ich von den Massen an Farben begraben, während alles um mich herum in sich zusammen sank. In den Massen von Erinnerungen begann ich langsam zu ertrinken und mein kleines ich verschwand darin.  


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