Traum

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Ich begann zu blinzeln und schreckte mich plötzlich, als mit einem Mal zu viel Licht auf meine Netzhaut traf. Meine Augen begannen etwas zu tränen und ich rieb mit meinem Handrücken über meine Augen. Langsam begannen meine Augen wieder alles scharf zu stellen und ich erkannte vor mir meine Mutter.

„Mama?" Meine Stimme klang etwas rau und verschlafen. Erst jetzt viel mir dann auch so richtig auf, wie schwer sich mein Körper anfühlte. Langsam richtete ich mich wieder auf und sah mich kurz um. Mein Körper lehnte gegen den Stamm der alten Trauerweide. So recht wusste ich nicht mehr genau, wie ich dahin gekommen war, doch ich war noch so verschlafen, dass ich kaum einen geraden Gedanken zustande brachte. 
Ich wand meinen Blick wieder zu meiner Mutter, die sanft lächelnd vor mir stand. Langsam ließ sie sich dann, zu meiner persönlichen Überraschung, neben mir auf den Boden sinken. Für gewöhnlich saß meine Mutter nie auf dem Boden ohne eine Decke oder dergleichen, was mich bei den teuren Sachen auch nicht unbedingt wundert.

„Hast du so tief geschlafen?" Heute so gut gelaunt?

Die Stimme meiner Mutter klang sehr ausgelassen, womit sie mich sofort etwas ansteckte. Ich nickte und blieb noch für ein Weilchen still. Sie lehnte ihren Kopf gegen den harten Stamm und sah mich nach einer Weile, in der sie nur hinauf zu den Ästen geschaut hatte, wieder zu mir. Ihren ganzen Gesichtszüge waren nun ganz weich und hätte ich es nicht besser gewusst, so hätte ich schon vermutet, dass sie irgendetwas ominöses genommen hätte. 

„Es ist schon wirklich lange her, dass ich dich das letzte mal hier schlafen gesehen habe." Bei dem Gedanken begann sich wieder zu schmunzeln.

„Das war zu der Zeit, als du immer von diesen Engeln erzählt hast." Weiter konnte sie mir nichts erzählen, da im nächsten Moment auch schon meine Oma um die Ecke kam und uns sah. Zuerst wirkte sie fast etwas misstrauisch, doch dann kam sie weiter auf uns zu und ich konnte nichts mehr davon erkennen. Ob sie es nur versteckt.

Sie stellte sich vor mich und meine Mutter, nach einem Moment begann sie dann ebenfalls zu lächeln. Langsam sank sie auf die Schaukel und schaute hinauf zu dem Baum. Was haben die den wirklich eingenommen? Die Beiden sind doch sonst auch nicht so ausgelassen.

„Das ist ja schon ewig her, dass ich dich hier am Boden sitzen gesehen habe." Auch sie begann nun zu schmunzeln. Wenn das so weiter geht muss ich sie mal fragen.

Es dauerte eine ganze Weile, bis wir uns wieder von dem Boden, bzw. der Schaukel erhoben und zurück ins Haus gingen. Die Beiden hatten sich während der Zeit äußerst seltsam verhalten. Unablässig hatten sie die ganze Zeit, manchmal zwar nur leicht, gelächelt. Nichts schien ihnen die Laune vermiesen zu können. Ich fand das allerdings doch einwenig gruselig. Sie sind zwar sonst auch nicht dauernd schlecht gelaunt oder gestresst, doch seit dem Tod meines Opas, also eigentlich immer, so weit ich mich zurück erinnern kann, hatte sie einen leichten grauen Schleier über den Augen. Manchmal war er stärker und manchmal schwächer, doch wenn man ihr in die Augen sah konnte man ihn immer sehen. Doch in diesem Moment konnte ich ihn nicht sehen und auch meine Mutter verhielt sich anders. Normalerweiße sah man immer wieder bei ihr ein kleines sorgen Fältchen auf der Stirn und an der Mundpartie, vor allem seitdem sie von meiner Schwangerschaft wusste, waren diese wie eingemeißelt. An diesem Abend allerdings war ihr Gesicht ganz glatt und entspannt.
Ich versuchte mir einzureden, dass ich mehr daraus machte, als es war und nicht weiter darüber nachzudenken.
Es vergingen währenddessen ein paar weitere Tage ohne besondere Vorkommnisse. Ich unternahm immer wieder etwas mit meiner Mutter oder meiner Oma, je nachdem wer gerade Zeit hatte. Sie glaubten ich würde vereinsamen und durchdrehen, wenn man mich nicht beschäftigte, womit sie vielleicht im Nachhinein sogar recht hatten. Meinen Vater sah ich so gut wie gar nicht, was meiner Meinung nach auch besser war. Er hatte für sich beschlossen sich daraus zu halten, also wollte ich ihn auch nicht unnötig involvieren. 
Durch die viele Beschäftigung hatte ich allerdings nur herzlich wenig Zeit mich weiter mit meiner frühen Kindheit auseinander zu setzten. Doch auch mit nur wenig Zeit vielen mir immer mehr Gedächtnislücken auf. Sie gingen etwa bis zu meinem siebten Lebensjahr, dann konnte ich mich an vieles wieder erinnern.

Am Sonntag nahm ich mir dann schließlich die Zeit und setzte mich wieder auf die Schaukel. Es war wieder ein wärmer Tag und ich wollte das ausnutzen, auch weil meine Mutter arbeiten musste und meine Oma beim Arzt war, so würde mich sicher für eine Weile zumindest niemand stören. Ich begann wieder ganz sanft zu schaukeln und rief in meiner Erinnerung wieder den Traum auf. Es schien so real gewesen zu sein und ich wollte auch nicht so recht glauben, dass es nur ein Traum war. Ich vermutete eher, dass es sich dabei um eine Erinnerung handelte. Ich musste noch sehr klein gewesen sein, da meine Füße noch nicht einmal auf den Boden reichten und so hoch hing die Schaukel nicht. Der Mann war wirklich sehr komisch gewesen...Zu schade, dass ich sein Gesicht nicht erkennen konnte.

Nach einer halben Stunde stand ich wieder auf. Eigentlich wollte ich wieder zurück ins Haus. Irgendwie war ich heute etwas mies gelaunt und wollte nicht so lange draußen rumsitzen und darauf warten, dass ich irgendwann mal wieder Erinnerungen herauf beschwor, doch dann hielt ich mitten in der Absicht inne. Mein Blick viel wieder auf den Baum und an die Stelle, an der ich auch vor ein paar Tagen gesessen hatte. Ich bin dort aufgewacht, vielleicht wenn ich mich wieder dort hinsetzte...?

Ich beschloss es zumindest zu versuchen und ging näher zu dem Baum. Am Stamm entlang ließ ich mich dann auf den Boden sinken und lehnte meinen Kopf gegen den Baum. Es waren immer noch einige Wolken am Himmel, weshalb nur wenig Licht durch das Geäst zu mir nach unten viel. Ob das wirklich alles nur Einbildung war? Hatte ich als Kind wirklich so viel Fantasie? An ihm kam mir allerdings alles so echt vor. Sein Geruch und die wärme seines Körpers...dass kann ich mir doch nicht alles eingebildet haben. 

Es wollte einfach nicht so recht in meinen Kopf und reite sich nun in die Schlange der Sachen ein, auf die ich einfach keine Antwort hatte. Ich begann meine Gedanken weiter wandern zu lassen und da vielen mir plötzlich wieder die Worte meiner Oma ein. 

„Ich musste dir damals schwören, dass ich es niemanden verraten würde, denn niemand dürfte von den schwarzen Flügeln wissen. Erst recht nicht sein Meister."

Ob sie damit den Mann gemeint hat, den ich gesehen habe? Ich konnte allerdings keine Flügel sehen.

„Er muss sie doch verstecken, sonst sieht er sie." Ich erkannte die Stimme sofort wieder und löste meinen Blick augenblicklich von dem Himmel. Die Schaukel vor mir hatte begonnen zu schwingen. Ich sah sie zwar nicht, doch ich hatte so eine Vermutung, wer es seien konnte. 

„Was meinst du?" Die Schaukel wurde wieder etwas langsamer und ich begann nun etwas zu erkennen. Langsam wurde sie deutlicher und meine Vermutung bestätigte sich. Das kann doch nicht sein.

„Hast du es vergessen?" Ihre Blick wurde etwas traurig. Ich wusste genau, wie sie sich jetzt fühlte. Ich hatte mich schon oft so gefühlt.

„Ich sagte dir doch sie kann sich nicht erinnern." Die Stimme war nur ganz leise und ich war mir nicht mal sicher, ob ich sie mir nur eingebildet hatte. 

„Hast du ihn wirklich vergessen." Vielleicht hab ich sie mir doch nicht nur eingebildet.

„Du meinst den Mann auf dem Baum oder?" Bei meinen Worten begann sie wieder zu lächeln und auf der Schaukel herum zu rutschen. 

„Du kannst dich doch erinnern! Ich wusste es! Wir würden ihn so einfach nicht vergessen." Sie klang sichtlich begeistert und sprang etwas unbeholfen von der Schaukel. Langsam tapste sie näher auf mich zu und lächelte mich breit und strahlend an. 

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