Der Wald

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Ich brach durch eine Reihe von Ästen und stieß auf eine Lichtung. Dumpfes Licht stach in meine Augen und sie begannen trotz des wenigen Lichtes etwas zu tränen. Sehen konnte ich allerdings niemanden. Sie sind weg.

Ich legte meine Hände an meine brennenden Backen. Ich war zu langsam. Sie ist einfach wieder verschwunden. 
Mein Kopf begann leicht zu brummen. Wieso kann ich mich nicht erinnern. Irgendetwas muss da doch sein. Ich muss mich erinnern.

So gut ich nur konnte versuchte ich weitere Erinnerungen herauf zu beschwören, doch nichts kam mehr. Frustriert schlug ich meine Hände gegen meinen Kopf und sah auf den Boden. Was habe ich den nur so bedeutendes Vergessen.

Ich sog ein paar Mal ganz tief Luft ein und versuchte mich einfach zu entspannen. Langsam richtete ich dann meinen Kopf wieder auf und begann wieder zu laufen. Ich war ziellos herum gelaufen und einfach der Stimme gefolgt. Unbewusst begann ich wieder herum zulaufen und einem mir unbekannten Weg zu folgen. Langsam begann ich wieder durch den kleinen Wald zu streichen. Ich weiß nicht mehr was es genau war, doch etwas zog in diesem Moment meine Aufmerksam auf sich. Zielstrebig lief ich auf einen der Bäume zu. Er wuchs hoch hatte aber tief hängende Äste. Ein paar Meter über dem Boden sah ich etwas. Ein Bein?

Ich sah weiter nach oben und erkannte im Schatten des Baumes eines Körper. Er rührte sich allerdings nicht. Ich wartete noch einen Moment, doch wer auch immer da oben war, er reagierte nicht. So etwas wie Sorge begann sich in mir breit zu machen. Vielleicht ist ihm ja etwas passiert. 

Ich streckte die Hände nach den Ästen aus und zog mich vorsichtig an ihnen hoch. Die ersten waren noch etwas wackelig und ich vertraute ihnen auch nicht so recht. Mit so wenig Hilfe wie möglich versuchte ich die erste Höhe zu überwinden. Auf den ersten dickeren Ästen stützte ich mich dann komplett ab und kletterte mit zitterten Gliedern weiter. Ich hatte nicht unbedingt höhen Angst, doch ich vertraute meinen Körper bei solchen Angelegenheiten nicht besonders und während ich nach oben kletterte wurde mir klar, was ich hier riskierte. Du hast ein Kind verdammt! Warum tust du das?

Doch ich versuchte die Stimme in meinem Kopf so leise wie möglich werden zu lassen und einfach weiter zu klettern. Ich musste etwas um den Körper herum klettern und schaffte es dann schließlich auf einem Ast einen kleines Stückchen schräg über ihm halt zu finden.

Leicht an den Baum gelehnt streckte ich mich etwas nach vorne um das Gesicht des Menschen im Schatten auch gut erkennen zu können. Sehr lange brauchte ich allerdings nicht um es zu erkennen. Mein schnell schlagendes Herz verriet ihn. Gabriel...da hast du dich versteckt.

Er wachte nicht auf, also nützte ich die Gelegenheit um ihn etwas zu betrachten. Gabriel sieht wirklich umglaublich gut aus. Ich verstehe wirklich nicht, was er an mir findet.

Eine einzelne etwas dickere Strähne hing Gabriel ins Gesicht. Meiner Meinung nach störte sie einwenig dieses schöne Bild. Vorsichtig und ganz zaghaft streckte ich eine Hand aus und stütze mich an einem Ast direkt über uns. Die zweite Hand löste ich vom Baum und strich mit dieser die Strähne aus seinem Gesicht.

„Gabriel!"

Der Hauch einer Erinnerung tauchte wieder in meinem Kopf auf und beinahe zeitgleich, als hätte Gabriel die Schreie gehört, riss er die Augen auf und sah mich für einen Moment vollkommen geschockt an. Es dauerte ein paar Minuten lang, bis er mich zu erkennen schien.

„Miriam." Seine Stimme war leise und etwas rau. Ich musste schlucken und konnte mich nicht mehr rühren. Er blieb ebenfalls so liegen und sah einfach nur zu mir hinauf. So traurige Augen.

Seine Augen schienen etwas in meinen zu suchen, doch ich wusste nicht ob sie es denn auch wirklich fanden. Es viel mir einfach zu schwer in seinem Gesicht etwas abzulesen. Mit einem Mal legte sich seine Hand an meine Wange. Unter seiner Hand begann meine Wange leicht zu prickeln, so ähnlich wie meine Hand an seinem Wagen.

„Was machst du hier?" Seine Stimme änderte ihren Ton nicht und ich war mir nicht einmal sicher, ob die Frage wirklich an mich gerichtet war. Soll ich ihm die Wahrheit sagen?...Ich bin verzweifelt einem Traum nachgejagt, weil etwas in meinen Träumen mich zwing mich zu erinnern, dabei habe ich dich dann wie tot auf einem Ast schlafend gefunden.

„Ich hab mir sorgen gemacht. Du bist einfach verschwunden und ich wusste nicht..." Ich biss mir auf meine Lippe. Zwar hatte ich versucht ihm eine plausible Erklärung aufzutischen, doch diese war beinahe schon zu plausibel. Ich glaubte sie mir selbst.

Gabriel hielt mich wie eigentlich so oft mit seinen Augen gefangen. Seine Lippen formten sich bei meinen Worten zu einem sehnenden und gleichzeitig auch irgendwie traurigen Lächeln. Nur war es an mir meine Hand auszustrecken und an seine Wange zu legen. Seine Augen begannen sich zu weiten. Ich wusste nicht genau wieso. Immerhin hatte ich das zuvor auch schon gemacht. Langsam fuhr meine Hand über seine Wange und löste sich von ihr, um mit einem Finger über seine Lippen zu fahren. Diese Lippen, die noch einige Sekunden zuvor so ein schrecklich trauriges Lächeln gezeichnet haben. Es sah aus als würdest du etwas schrecklich vermissen. Als würdest du neben einem Baum mit den süßesten Früchten stehen und keine davon pflücken, doch ich kann doch sehen wie sehr du an dem Hunger leidest. Warum nimmst du sie dir also nicht? 


„So ein trauriger Engel." Die Worte flossen einfach aus meinem Mund ohne, dass ich wirklich nachdachte. Seine Augen wurden noch größer und seine Pupille begann sich zu weiten. So als hätte er sich erschreckt.

„Mami hat mir früher manchmal Geschichten vorgelesen. Sie handelten von wunderschönen Feen und Engeln." Meine kleine Hand streckte sich nach vorne und legte sich auf seidenweiche und dennoch sehr kalte Haut. 
„So ein trauriger Engel. Du sagst immer ich soll lachen. Warum kannst du es nicht?" 

Der Hauch einer Erinnerung flammte auf, doch sie war so unscharf, dass ich nicht beschwören konnte ob es war oder nur ein Traum war. 
Gabriel begann sich während ich noch halb in Gedanken war langsam aufzusetzen. Ich wollte ausweichen und ihm so etwas platz machen, doch er packte mein T-Shirt, bevor ich mich wegbewegen konnte und drückte seine Lippen auf meine.
Noch zu überrascht reagierte ich zunächst nicht, doch als seine Lippen dann fordernder wurden konnte ich einfach nicht mehr widerstehen. Ich drückte etwas dagegen und wäre ich nicht so überrumelt gewesen, dann hätte ich vielleicht bemerkt, dass sich etwas in diesem Kuss verbarg. Wahrscheinlich hätte es mir auch nichts gebracht, da diese Puzzleteile in meinem Kopf noch lose herumschwirrten und ich nicht genau wusste wie ich sie wohin ordnen sollte.
 
Nach endlos scheinenden Sekunden oder vielleicht sogar Minuten lösten sie sich wieder voneinander. Meine Lippen kribbelten wie wild und mein Herz war kurz davor meine Brust zu sprengen.

„Am Besten wenn wir zurück gehen. Sonst glauben die anderen noch wir sind verloren gegangen." Es hatte mich viel Kraft gekostet diese Worte halbwegs vernünftig aus meinem Mund zu bekommen. Gabriel begann allerdings nur zu lächeln und drückte mir zu meiner noch größeren Überraschung einen Kuss auf den Mund bevor er sich vollständig aufrichtete. 
Gemeinsam klettern wir von dem Baum. Ich natürlich mit hochroten Gesicht. Irgendwie war ich erleichtert, als meine Füße wieder den Boden berührten. Ich sah wieder zu Gabriel und vermutete, dass er bereit ging, doch im selben Moment spürte ich sein Hand, die sich um meine Schlang. Händchen haltend liefen wir dann durch den Wald zurück zu dem Zirkuszelt. Irgendwie verhältst du dich komisch.

Als wir den Walt verließen dauerte es nicht besonders lange bis jemand direkt auf uns zugesteuert kam und etwas von Gabriel wollte. Wieder war es ein bekanntes Gesicht, oder eher eine bekannte Stimme. Vor uns beiden baute sich diese Frau auf. Ich hatte sie an damals in der Manege reden gehört und sie dann auch im Wagon wieder angetroffen. Sie war mir mehr als nur unsympathisch und am liebsten hätte ich sie auch alleine reden lassen, doch Gabriel ließ meine Hand zwar los, als ich aber die Anstalten mich von den Beiden weg zu bewegen hielt er mich am Saum meines T-Shirts fest. 

„Du solltest nicht einfach so verschwinden. Ich denke das haben wir schon oft genug besprochen." Sie klang zwar im ersten Moment einwenig wie eine typische Oberlehrerin oder eine überfürsorgliche Mutter, dennoch konnte ich nicht verhindern, dass ich mir einbildete noch einen zweiten Ton in ihrer Stimme zu hören. Es war so etwas wie bei Lysander. Ich konnte es allerdings immer noch nicht einordnen.

„Ich muss nicht belehrt werden, dass habe ich auch schon mehr als einmal gesagt." Gabriels Stimme klang gefährlich und meine Nackenhaare begannen, auch wenn ich es nicht recht zugeben will, sich leicht aufzustellen. Da liegt doch etwas in der Luft.

Ich kam allerdings nicht dazu mir mehr Gedanken darüber zu machen, da ich schon aus der Entfernung sah wie Briseis auf mich zu steuerte. 

„Da bist du ja Miriam!" Sie klang sichtlich erleichtert, doch ich konnte auch ein böses funkeln in ihren Augen sehen. 

„Du hast ja vielleicht nerven. Weist du eigentlich was für Sorgen ich mir gemacht habe, als du nicht mehr da warst. Ich habe mir schon sorgen gemacht, dass du von irgendjemanden verschleppt wurdest." Erst jetzt schien sie Gabriels Präsents wahrzunehmen. 

„Anscheinend wurdest du das auch." Sie begann zu lächeln. Sag mal halten mich hier alle für komplett bescheuert. Ich merk doch, dass etwas hier komisch ist.


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