Briseis

485 34 0
                                    

Es war ziemlich schwül und langsam begann sich ein dünner Schweißfilm auf meiner Haut zu bilden. In den letzen Wochen war es mitunter fast kühl gewesen, doch jetzt schien die Sonne noch einmal all ihre Kraft zu mobilisieren und um uns zu beweisen, dass doch noch Sommer war.

Ich war schon so gut wie bei Briseis, als plötzlich die Tür ihres Hauses aufging und jemand hervor trat. Es war Lucius. Trotz der Jahreszeit war seine Haut bleich und seine Augen wirkten müde. Er beobachtete mich bei jedem Schritt, den ich tat und in mir begann sich ein komisches Gefühl auszubreiten. Ich begann mir wieder unserer früheren Begegnungen aus meiner Erinnerung zu kramen. Die Namen der Beiden sind sich wirklich sehr ähnlich...Ich habe kein gutes Gefühl.

Uns trennten nur noch ein paar Schritte, doch bevor auch nur einer von uns etwas sagen konnte tauchte auch schon Briseis auf.

„Da bist du ja endlich!" Sie schnappte sich meinen Arm und zog mich ins Haus. Einmal sah ich noch zu Lucius, der sich langsam umdrehte und mich mit einem beinahe betretenen Gesicht ansah. Was ist nur mit diesem Jungen?


Endlich in ihrem Zimmer angekommen setzte ich mich auf ihr Bett und beobachtete, wie sie die Tür schloss. Sie wirkte irgendwie etwas nervös. Schließlich setzte sie sich zu mir und es herrschte für eine kurzen Moment Stille zwischen uns. Irgendetwas lag in der Luft, doch ich konnte es nicht so recht einordnen.

„Also,...was gab es so wichtiges, dass du mir unbedingt mitteilen wolltest?" Ich übersprang die Begrüssung. Ich hatte in den letzten Wochen doch irgendwann endlich begriffen, dass ich, wenn ich etwas wissen wollte, nicht so viel Zeit mit Förmlichkeiten verschwenden durfte. Briseis hatte schon am Telefon vorher sehr nervös geklungen, doch jetzt sah ich erst wie schlimm es eigentlich war. Unter ihren Augen vielen mir leichte Schatten auf und ihre Hände zitterten leicht. Irgendetwas stimmt nicht.

„Geht es dir gut?" Bei meiner Frage schreckte Briseis Kopf hoch und ihre Augen wirkten vor Schreck geweitet. Ich war in dem Moment ehrlich überfordert und wusste nicht so recht wie ich nun regieren sollte. 

„Briseis?" Ihr Blick begann mit einem mal ins Leere zu starren. Ich bekam angst, dass sie mir gleich umkippte. Vorsichtig, um sie irgendwie aus ihrer starre zu holen, legte ich eine Hand auf ihre Schulter. Sie zuckte zusammen. 

„Es tut mir leid." Ihre Stimme war ganz leise und wirkte gebrochen. Mit einem mal begannen sich in ihren Augen Tränen zu sammeln und vergrub ihr Gesicht schnell in ihren Händen. Leise fing sie an zu schluchzen. Ähhh....

Ich zog ihren Körper leicht gehemmt etwas näher an meinen Körper und schloss sie in meine Arme. Sie schluchzte weiter und ich hätte am liebsten mit ihr geweint. Wir kannten uns nicht sehr lange, dennoch oder gerade deshalb war es für mich sehr komisch sie so aufgelöst zu sehen.
 
„Ich wollte das nicht. Du musst mir das glauben." Es schien nicht, als würde sie mit mir sprechen. In diesem Moment schien sie unglaublich weit von mir weg. Ich wollte etwas sagen, um sie zurück in meine Welt zu holen, als vor meinen Augen begann ein Bild aufzublitzen. Es war wieder ein Bruchstück von Lucifers Erinnerungen. 
Vor mir, oder besser ihm, hockte eine junge Frau auf einem sehr edlen Boden. Ihre Augen sahen voller Angst geweitet zu ihm hinauf. Seine dünnen Finger hielten ihren Kopf an ihrem Kinn fest und drehten ihn herum, wie es ihm gerade passte. Seine zweite Hand griff hinter die junge Frau und öffnete ihren strengen Zopf. Langsam ergoss sich ihr volles Haar über ihren Rücken und ihren Augen waren noch weiter aufgerissen. Sein Blick fiel auf das dünne blaue Band in seinen Händen. Er begann es langsam zwischen seinen Fingern zu drehen, als ihm und nun auch mir ein leicht süßlicher Geruch begann in die Nase zu steigen. Ich kenne diesen Geruch.

Hastig lösten sich meine Arme von Briseis und ich sprang beinahe von dem Bett. Ich stand etwas von Briseis entfernt, die mich nun mit mit Tränen verschmierten Gesicht an. Immer wieder flimmerte das Bild der Frau auf und legte sich über Briseis Antlitz. Sie sehen sich so ähnlich! 

Als ich etwa 7 oder 8 Jahre war begann meine Schwester, sie war 16 oder 17, mit ihrem ersten Job. Sie wollte damals etwas abstand von meinen Eltern und sich emanzipieren. Ihr gefiel die Arbeit dort, auch wenn wir nie genau wussten wo oder was sie arbeitete...

Das kann unmöglich sein, wie sollte...

„Miriam?" Briseis schon beinahe verzweifelte Stimme ließ die Bilder verschwinden und auch meine Gedanken wurden leiser. 

„Ja...tut mir leid." Ich ging wieder näher auf sie zu und legte ihr wieder tröstend einen Hand auf die Schulter. Langsam sank ich in die Hocke.

„Willst du erzählen was los ist?" Ich komm mir vor wie eine Therapeutin.

„Ich weiß nicht ob ich das kann..." Es schien sie wirklich sehr zu beschäftigen und mich ließ das Gefühl einfach nicht los, dass es etwas mit mir zu tuen hatte.

„Was ist, wenn ich dir dafür eines meiner Geheimnisse erzähle?" Sie sah mich überrascht an, als sie ihre eigenen Worte wieder erkannte. Ein kleines Lächeln zauberte sich auf ihre Lippen. Ich nahm das als ein Ja und begann zu überlegen was ich ihr den von mir erzählen konnte. Geheimnisse hatte ich inzwischen viele, doch ich wusste nicht so recht welches ich davon bereit war preiszugeben. Langsam setzte ich wieder neben die noch leise weinende Briseis.

„Ich hab das noch niemanden erzählt...eigentlich ist es, im Sinne der jüngsten Ereignisse auch nicht mehr unbedingt ein besonders großes Geheimnis." Gedankenverloren begann ich mir über meinen linken Arm zu streichen. Es zeichneten sich ganz helle kaum sichtbare Linien darauf ab.

„Es passiert jetzt auch nicht mehr so oft, doch früher, nach der ganzen Geschichte mit der Vergewaltigung, breitete sich in meinem Körper immer so ein Gefühl von Ekel und auch Selbsthass aus, sobald ich auch nur irgendwie an die Vergewaltigung dachte oder Nina mal wieder sehr ausfallend wurde in der Schule. An meinem Armen und meinem Hals begann es dann immer schrecklich zu jucken und ich habe dann angefangen zu kratzten. Immer fester bin ich über meinen Arm gefahren." Um meine Erzählung zu unterstreichen fuhr ich demonstrativ über meinen Arm. Mein Körper begann sich bei den Erinnerungen anzuspannen und auch etwas zu zittern. Bis jetzt hatte nur Gabriel, oder besser Lucifer davon gewusst.

„Solange bis ich spürte, wie mein eigenes, noch Körper warmes Blut begann über meine Arme zu fließen. Durch das plötzliche Adrenalin, dass durch meinen Körper floss und die Zellen antrieb die Wunde schnell zu verschließen, um mich nicht verbluten zu lassen, spürte ich immer eine gewisse Taubheit. Sie breitete sich schnell in mir aus und sorgte dafür, dass ich zumindest für kurze Zeit ruhe hatte...Man kann es vielleicht etwas mit einem Rausch vergleichen." Als ich zu Ende gesprochen hatte spürte ich plötzlich Briseis Arme, die sich um mich schlangen. Sie legte ihren Kopf auf meine Schulter und schluchzte wieder etwas. 

„Es tut mir leid." Ich legte eine Hand auf ihren Arm und meinte mit etwas gebrochener Stimme:

„Es ist nicht deine Schuld." Sie wich etwas von mir weg und sah betreten auf den Boden. Ich sah sie etwas verwundert an.

„Miriam...es gibt da etwas, dass ich dir nicht erzählt habe..." Ich wurde etwas unruhig.

„Als du damals ohnmächtig geworden bist, als das erste Mal, da war ich wirklich sehr beunruhigt, immerhin wusste ich ja was dein Körper gerade durchmachte, doch gleichzeitig...du hast dich so komisch verhalten damals auf der Toilette." Ihr Blick suchte meinen, eher sie weiter sprach.

„Du schienst nicht recht bei dir. Dein Blick wirkte regelrecht panisch... Doch nicht nur du, auch Gabriel verhielt sich irgendwie ganz komisch." Ich konnte mich an unser Gespräch nach meinem erwachen noch halbwegs Erinnern, doch es schien bereits so lange her zu zu sein.

„Er sah sehr traurig aus und dennoch..." Briseis Blick veränderte sich. Sie begann auf mich irgendwie abwesend zu wirken. 

„Briseis?" Sie blieb still. Ich begann mich ihr etwas mehr zu zudrehen. Ihr Blick löste sich von mir, dabei entdeckte ich etwas komisches in ihrem Blick. Sie schien zu versuchte sich über etwas klar zu werden und gleichzeitig etwas vor mir zu verstecken, doch dabei war sie lange nicht so gut wie Gabriel.

„Briseis! Was ist los?" Ihr Kopf drehte sich wieder zu mir herum und etwas eigenartiges begann in ihren Augen aufzuleuchten. 

„Er hat mich angesehen, bevor er mich aus dem Wagon geschmissen hat, damit du deine Ruhe hast..." Ihr Blick wurde starr und ihre Stimme war nur ein flüstern, so als wollte sie nicht, dass uns jemand hörte.

„Seine Augen schienen beinahe rot, wie Flammen zu leuchten und ich war mir damals sicher gewesen er würde mich gleich zerfetzten. Er schloss die Tür und ließ mich allein davor stehen. Allerdings war meine Neugier geweckt worden und ich schaffte es irgendwie durch das Fenster auf der einen Seite des Wagens zu kucken...dabei sah ich ihm, wie er neben dir auf dem Bett saß." Ihre Atem stockte kurz.

„Seine Hand strich sanft über dein Gesicht und dann lehnte er sich vor, um dich zu küssen...Ich dachte ich wäre verrückt und würde mir das alles nur einbilden, doch in dem Moment, als seine Lippen deine berührten, da..." Sie drückte ihre Hand aus erneutem Schock auf ihre Lippen.

„...sprangen schwarze Flügel aus seinem Rücken." 


Pregnant Where stories live. Discover now