Gabriel!

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Es war ein nebeliger Nachmittag, als ich wieder auf der Schaukel saß und gespannt auf Lu wartete. Die Schaukel bewegte sich vor und zurück, dabei fuhr immer wieder kalter Wind unter meine Kleidung. Gänsehaut begann von den Stellen, an denen mich der Wind berührte über meinen ganzen Körper zu wandern. Lu braucht heute aber wirklich lange.

Ein Rascheln in den Ästen der Trauerweide ließ mich die Schaukel stoppen. Ich sah nach oben. In der Hoffnung, es wäre Lu begann mein Herz schneller zu schlagen. Etwas zu enthusiastisch sprang ich dann von der Schaukel. Meine Beine hängten sich ineinander und ich sank zu Boden. Meine Knie begannen leicht zu brennen.

„Du solltest besser aufpassen, kleines Mädchen." Die Stimme erschien mir fremd und ich wurde sofort vorsichtig. Es war eine warme, tiefe Stimme, allerdings mit einem gewissen Befehlston. 

„Ich bin nicht klein!" Ich rappelte mich wieder auf und ignorierte bewusst die Hand, die man mir entgegen streckte. Der Mann vor mir schien überrascht und ich musste zugegeben, dass es mich doch etwas freute. Mit strengen Blick stand ich nun dem Mann gegenüber. Er schien jung und eine starke Aura ging von ihm aus, ähnlich wie auch bei Lu, doch das machte mir schon lange keine Angst mehr. Seine Augen glitzerten ebenfalls, allerdings heller. Es fühlte sich schon beinahe etwas unangenehm an.

„Du bist ganz schön frech, Mädchen." Die Aussage klang lange nicht so böse, wie vielleicht seine Worte. Er lächelte mich an und ließ sich dann langsam auf die Knie sinken. Seine Augen begannen mich zu mustern und wurden etwas stutzig.

„Du bist auch nicht besonders nett." Mehr sagte ich nicht. Etwas an ihm störte mich. Ich wusste nur nicht so genau was. Es war so ähnlich wie Uriel. Augenscheinlich waren beide freundlich, doch je länger ich mit ihnen sprach, desto mehr kam mir an ihnen komisch vor. Zwar war Uriel eigentlich ganz nett und hatte es Lu auch nicht sehr übel genommen, dass er sie verletzt hatte. Er hielt sich dennoch so weit von ihr weg wie nur möglich. Meistens stellte er sich dann auch noch zwischen uns. Es war irgendwie komisch, doch ich hörte Uriel gerne singen und nahm es deshalb auch in kauf. Lu kniff dann immer die Augen zusammen und saß ganz oben in der Trauerweide, während Uriel mir vorsang. 

„Bin ich so viel schlimmer, als er?" Ich war zwar in seinen Augen nur ein Kind, doch ich wusste sofort wen er meinte. Es wäre vielleicht besser gewesen, wenn ich nicht geantwortet hätte, doch ich wollte nicht, dass er so über Lu sprach. 

„Ja." Wieder einmal sah mich der Mann überrascht an.

„Lu ist immer nett zu mir und würde mich auch nie so ansehen, wie du es gerade tust." Der Blick des Mannes wurde etwas strenger und ich wich sofort einen Schritt zurück. 

„Wie sehe ich dich denn an?" Der Mann lehnte sich noch weiter zu mir und ich wich sofort ein Stück zurück. 

„Wie ein Knecht." Als hätte ich den Mann direkt ins Gesicht geschlagen wich er sofort zurück. 

„Eine Marionette, die seinem Meister ohne wenn und aber gehorcht. Lu hat dich oft beschrieben." Der Körper des Mannes begann sich anzuspannen.

„Lu ist nicht allwissend." Dieser Satz schien eine Rechtfertigung, für vieles zu sein, was der Mann vor mir nicht aussprach.

„Vielleicht nicht, doch selbst ich weiß, dass du hier auf der Erde besseres zu tuen hast, als mit einem kleinen Mädchen zu reden." Es war Lus Stimme, die hinter mir nach vorne zu dem Mann drang. Der Mann richtete sich auf und war mit einem Mal ganz kalt.

„Hallo...schön das du dich auch mal blicken lässt. Komisch, dass du dein Hab und Gut nicht mehr beschützt." Er meinte damit einen Volltreffer gelandet zu haben, doch er schien Lu zu schlecht zu kennen.

„Bis jetzt gab es noch keinen wirklichen Grund für mein einschreiten." Lu trat nun vor und schob mich wieder hinter sich.

„Es ist wohl besser für dich, wenn du jetzt wieder verschwindest. Sie hat schon einmal euer widerliches Blut gerochen. Es ist nicht nötigt, dass sie sich diesen Quallen noch einmal aussetzt." Seine Stimme klang nun nicht mehr freundlich. Die Worte hätten auch die schlimmsten Beschimpfungen seien können. Es hätte wahrscheinlich keinen Unterschied gemacht.

„Seit wann bist du so ein Freund dieser Menschen. Warst du nicht derjenige von uns, der sie am meisten verabscheute? Hast du nicht deshalb diesen Auftrag dein Leben gewidmet und dich aus vergnügen zum Feindbild der Menschen erklärt?" Der Mann sah zu mir und mit einem Mal schien so etwas wie Erkenntnis darin aufzuflackern. Sein Blick huschte erstaunt zu Lu und er begann mit einem mal triumphierend zu lächeln. 

„Nein!? Sag ist das nicht köstlich!" Er begann auf eine absurde und schon gruselige Art zu lächeln. Die Energie, die sich um Lu legte begann sich zu verändern. 

„Der Meister der Verdammten, ein Gefallener ließ sich von einer Menschenfrau zu einem Packt verführen. Nun kann er nicht anders, als ihr Blut zu beschützen. Jahrhunderte vergehen bis in der Reihe der Geistertochter eine Totgeborene zum schein des roten Mondes die Augen öffnet." Der unheimliche Engel sah wieder zu mir und flüsterte dann beinahe schon, als könnte er selbst nicht glauben was er gleich sagen würde.

„Ihre Augen, so voller Trauer, dass nicht mal er ihren Ruf überhören kann. Er schenkt sein Herz diesem kleinem Wesen zusammen mit seiner Zukunft. Was er aber nicht weiß ist, dass auch die Heiligen von ihrem Neckter kosten wollen." Ein Ruck fuhr durch Lus Körper. Seine schwarzen Schwingen sprangen aus seinem Rücken und breiteten sich drohend vor dem Engel aus. 

„Fasse sie nur einmal an Heiliger und dein Meister kann dich aus meinem Schlund reißen." Lus Stimme klang wütend. 

„Willst du wirklich dein wahres Ich vor diesem kleinen Wesen zeigen." Lu lachte nur verächtlich.

„Sie hat mich schon in voller Gestallt gesehen. Ihre Augen blieben Naiv. Selbst einem der euren sah sie mich schon Teile ihres Körper herausreißen." Sein Blick wurde ungläubig, doch als er meinen immer noch ernsten Blick sah, erkannte er, dass es wahr war. 

„Du scheinst nicht mehr zu retten zu sein. Die Zeit unter diesen Menschen hat dich geschwächt. Gefühle sind Gift für einen erfüllten Geist. DU weist dies am Besten von uns." Auch der Mann begann nun seine Muskeln anzuspannen. Auf seinem Rücken prangten nun gänzlich weiße Flügel. Mit einem Mal begann sich Lu auf den Mann zu stürzten. Dieser wehrte den Angriff zwar ab, dennoch wurde sein Körper etwas nach hinten gestoßen.

„Wage es nicht, Gefallener, deine Rache an mir zu üben. Diese Rache nahmst du dir mit der Geburt dieses Geistes." Lu stieß den Engel gegen die Trauerweide.

„Wage es nicht über mich zu richten. Bist du doch nur ein willenloses Abbild meiner Seitz." Nun konnte selbst der weiße Engel nicht mehr an sich hallten. 

„Was bildest du dir ein, Höllenbrut! Du hast eins unseren Meister verraten und nun wagst du es mich mit deiner Eins zu vergleichen. Schon allein dafür sollte ich dich richten!" 

„Du nennst dich selbst Engel, doch bist du nicht besser als ich oder gar diese Menschen!"

„Es reicht!" Eine dritte Stimme mischte sich in das Wortgemenge ein. Lu schien sie zu kennen. Es schien ihn aber nicht zu freuen, sie nun zu hören.

„Es reicht Nicolas. Es ist sicher nicht im Sinne unseres Meisters, wenn du dich in einen solchen Kampf begibst. Auf der Erde gibt es noch wichtige Aufgaben, die du zu erledigen hast." Lu ließ den Mann, namens Nicolas los. Nun sah man erst die Verletzungen, die er von sich getragen hatte. Ich sah zu dem Mann hoch, der es geschafft hatte Lu zu beruhigen. Seine Gesichtszüge waren ganz weich und hatte etwas sehr weibliches an sich, genau wie sein Körperbau. Er schien meinen Blick zu bemerken und sah mich nun ebenfalls an.

„Du musst Miriam sein." Langsam sank er zu mir nach unten. Ich wich etwas zurück.

„Deine Existenz hat uns eine Menge Probleme eingebracht." Der Mann streckte seine Hand nach mir aus. Kurz bevor sie allerdings mich in irgendeiner weiße berühren konnte wurde sie von einer blassen Hand weggeschlagen. 
„
Wage es nicht ihr zu nahe zu kommen. Sie gehört nicht unter deinen Einfluss." Seine Stimme klang streng, dennoch nicht lange so hasserfüllt wie zuvor bei Nicklas. Der Mann erhob sich wieder und lächelte Lu unschuldig an. So viele schöne Menschen.

„Sei nicht so streng, Lu" Durch seinen Mund klang meine Kosename sehr abwertend.

„Wir mögen zwar Freunde sein, dennoch stehst du nun auf Seiten meines Feindes." Der Mann legte eine Hand auf Lus Schulter.

„Unglaublich, dass es ein Mensch geschafft hat dich so gegen mich zu wenden." Irgendetwas an der Art wie er zu Lu sprach gefiel mir nicht. 

„Denke nicht zu hoch von dir Gabriel." Er begann zu lächeln, als er seinen Namen hörte. 

„Du sprichst meinen Namen aus, als wäre es eine Beleidigung." Mit einem Mal griff Gabriel nach Lus T-Shirt und drückte ihn mit seinen Händen, fest in den Stoff verkrallt, gegen den Stamm der Weide. Das Geräusch schien unglaublich laut. 

„Die rechte Hand eines Wahnsinnigen. Denk nicht zu hoch von dir mein Freund." Sein Körper wurde erneut gegen den Stamm gedrückt. 

„Mit einem eigensinnigen Handelns hast du in eine Ordnung eingreifen, in die es niemanden zusteht einzugreifen. Deine Selbstsucht bringt uns alle in sehr große Gefahr. Deine Anwesenheit macht dies noch schlimmer. Es wird uns nicht mehr möglich sein sie zu ignorieren." Lu schienen diese Worte nicht besonders zu gefallen.

„Fahr zur Hölle, mein Freund." Gabriel Hände begannen sich fester in das T-Shirt zu krallen. Lu stöhnt leise und schmerzerfüllt auf.

„Drohe mir lieber nicht." 

„Bitte, hör auf!" Endlich hatte ich meine Stimme wieder gefunden. Gabriels Blick drehte sich zu mir. Es gefiel mir gar nicht, wie er mich ansah.

„Miriam verschwinde!" Lus Worte klangen ernst. Gabriel drückte seine Körper wieder gegen den Baum.

„Bitte!" Aus Lus Nase begann bereits Blut zu fließen. Das kann doch nicht wirklich sein Freund sein!

„Wieso konntest du dich nicht einfach an die Regeln halten? Du machst es für uns alle einfach nur unnötig kompliziert. Genauso wie für dieses Mädchen. Warum hast du sie da mit reingezogen?" Es klang, als würde Gabriel mit Blei gegen den Baum schlagen. Meine Augen begannen zu brennen. Tu Lu nicht weh.

„Bitte! Tu ihm nicht weh!" Meine Stimme bebte etwas, auch wenn ich versuchte sie unter Kontrolle zu halten.

„Wurdest du komplett deiner Sinne beraubt!? Haben diese Biester so deinen Verstand vernebelt? Du wehrst dich nicht einmal mehr. Ein Schwächling ist aus dir geworden." Gabriel schien unglaublich wütend. Ich kannte ihn zwar nicht, doch es schien mir dennoch gegen sein sonstiges Auftreten zu sein. Die Situation überforderte mich komplett und ich wusste einfach nicht mehr, wie ich damit umgehen sollte. Eines war mir allerdings dennoch klar, ich musste es irgendwie schaffen Lu zu helfen. Gabriel musste ich Gnade gewähren.

„Gabriel!"



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