Die Praxis

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Ich hielt den Atem an und versuchte irgendwie herauszufinden, was sich nun hinter mir befand. Etwas warmes blies mir immer noch in den Nacken und ließ meine Nackenhaare zu Berge stehen. Keine weiteren Geräusche drangen an mein Ohr. Ich schloss die Augen und atmete einmal tief ein. Okay. Du drehst dich jetzt um und schaust dir an, was da hinter dir ist.

Entschlossen öffnete ich die Augen wieder und drehte mich mit einer schnellen Bewegung um. Vor meinen Augen begann das Bild kurz zu flimmern. Mir wurde schwindelig und ich hielt mir den Kopf. Nach einer Minute etwa war das Gefühl wieder verschwunden, zusammen mit was auch immer hinter mir gestanden hatte. War das bloß eine Einbildung gewesen?
Dennoch war ich mir so sicher gewesen, dass jemand hinter mir gestanden hatte.

Sie wird besser. Ihr Körper beginnt sensibler auf mich zu reagieren. Das sollte eigentlich noch nicht passieren. Von nun an muss ich vorsichtiger sein. So nah darf ich ihr nun nicht mehr kommen wenn ich nicht will, dass sie mich bemerkt.

Es währe noch zu früh. Sie würde dies alles noch nicht begreifen. Nun gilt es abzuwarten und den richtigen Moment abzupassen. 
Langsam senkte ich mich wieder tiefer in die Schatten. Es war zwar unwahrscheinlich, dass sie mich sehen konnte, dennoch hatte sich mich zuvor bemerkt. Ihr Herz hatte begonnen wie wild auszuschlagen.

Sie drehte sich herum. Auf ihrem Gesicht ein verwirrter Blick. Ha, wie amüsant. 
Irgendwann gab sie es allerdings auf nach mir zu Suchen und ging mit angespannten Schritten wieder in ihr Badezimmer. Hm. Nur zu gerne würde ich mich einwenig zu ihr gesellen. Ihr Körper befand sich allerdings gerade in Alarmbereitschaft und würde mich deshalb noch leichter finden. Außerdem war es für mich wieder Zeit zu gehen. Ich sollte endlich etwas gegen diese Brut unternehmen.

Montag...Nah das kann ja lustig werden.

Mit angespannten Gliedern saß ich in der dritten Stunde. Briseis hatte mich zwar schon versucht zu beruhigen, doch ich war immer noch wahnsinnig nervös. Briseis wusste zwar nicht allzu viel über meine Vorgeschichte, dennoch hatte sie bemerkt, dass es mir vor dem Besuch bei der Frauenärztin grauste.

Meine letzte viertel Stunde in Ungewissheit war bereits angebrochen. Meine Mutter würde mich abholen und Briseis hatte versprochen mir zu helfen mich ohne große Beachtung aus dem Gebäude zu schleichen. Ich kann es jetzt wirklich brauchen, dass Nina und/ oder Sarah von meinem Besuch wind bekommen. Auch wenn das noch kein Indiz ist, dass ich schwanger bin, die Beiden hätten schon ihre Wege, um das auch noch ans Tageslicht zu befördern.

Immer wieder versuchte ich tief durch zu atmen, doch es half einfach nichts. Ich war bereits zu angespannt, um an was anderes zu denken oder mich auch nur ein quentchen zu entspannen. Hinzu kam, dass ich in der letzen nacht kaum etwas geschlafen hatte und mein Körper nur noch durch das durch ihn fließende Adrenalin wach gehalten wurde. Ich weiß nicht mal mehr in welchen Unterrichtsfach ich in diesem Moment saß.
Alles verging einfach viel zu langsam und gleichzeitig viel zu schnell. Schließlich hörte ich die Glocke in meinen Ohren hallen. Alle sprangen aus ihren Sitzen und packten so schnell es ging die letzten Stifte ein und verschwanden auch schon aus dem Raum. Wie in Trance tat ich es ihnen gleich. Mit mehr und mehr Zeug füllte ich meine Tasche. Brauche ich etwas zuhause? Habe ich Hausübung? Noch irgendwelche Projekte?

Durch meine Kopf rauschte alles durch. Ich konnte mich auf nichts mehr so recht konzentrieren. Plötzlich wurde ich allerdings aus meiner Trance gerissen, als eine Hand sich vorsichtig auf meine Schulter legte. Ich schreckte hoch und sah in ein bekanntes Gesicht
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„Nun Trödel doch nicht so. Wenn du dich nicht beeilst wird sich noch jemand wundern. Deine Mutter wartet sicher auch schon unten." Als Briseis allerdings sah, dass ich sie immer noch einfach nur verwirrt anstarrte seufzte sie genervt und meinte dann.

„Okay komm. Ich helf dir." Mit ihrer Hilfe hatte ich schnell alles zusammengepackt und wir eilten auch schon aus dem Klassenraum. Die nächstgelegene Treppe rannten wir hinunter zum Erdgeschoss, dann einmal um die Ecke und wir standen vor dem Ausgang. Zusammen verließen wir dann auch das Gebäude. An der Straße blieb ich dann stehen und sah mich um. Wo parkt denn meine Mutter.

Etwas zupfte plötzlich an meinem Ärmel. Ich sah zur Seite und folgte Briseis, die mit ihrer Hand auf ein blaues Auto zeiget, dass etwas schräg gegenüber auf der anderen Straßenseite stand.

„Ist das der blaue Wagen deiner Mutter?" Ich nickte und wir eilten sofort hinüber auf die andere Seite. Meine Mutter kam uns bereits entgegen und schien sich zu wundern, dass ich nicht alleine gekommen war.

„Hi Mama." Doch einwenig aus der Puste kam ich vor ihr zum stehen
.
„Hallo mein Schatz." Sie sah kurz zu Briseis, die immer noch neben mir stand und streckte ihr eine Hand entgegen. Briseis nahm sie sofort entgegen und schüttelte sie freundlich
.
„Guten Tag. Mein Name ist Briseis. Ich bin eine Freundin von Miriam." Die Szenen erinnerte einwenig daran, wie sich im Kindergarten immer die Freunde vorgestellt hatten, wenn sie zum ersten mal auf einen meiner Eltern gestoßen war. 

„Hallo Briseis. Freut mich sehr dich kennen zu lernen." Es schien meine Mutter wirklich zu freuen, da sie bis über beide Ohren zu strahlen begann.

„Mich ebenfalls. Ich muss allerdings dann auch wieder zum Unterricht. Hat mich aber sehr gefreut sie kennen zu lernen." Sie kam noch einmal auf mich zu und umarmte mich schnell noch einmal, bevor sie wieder zur Schule rannte. Meine Mutter und ich blieben alleine zurück und ich konnte spüren, dass ihr nun eine Frage mächtig auf der Zunge brannte.

„Sie ist neu in unserer Klasse und wir haben uns angefreundet." Damit war zumindest für mich dieses Thema beendet. Meiner Mutter und ich stiegen vorne ins Auto. Nach einem kurzem Moment startete meine Mutter den Wagen und wir fuhren aus der Parklücke.

Den Großteil der Fahrt blieb es still. Ich spürte wie die Nervosität begann mehr und mehr in mir aufzusteigen und sich langsam mit der vorher schon vorhandenen Panik zu mischen. Am liebsten würde ich die Autotüre öffnen und raus springen.

Ich hielt mich zurück und versuchte nicht weiter über mögliche Fluchtwege nach zu denken. Wenn ich jetzt das Fenster hinunter kurble, dann könnte ich hinausschlüpfen oder ich wartete bis wir an einer roten Ampel stehen und sprinte dann aus dem Auto - Hör auf darüber nach zu denken!

Je länger diese Autofahrt dauerte, desto mehr begann ich die fragenden Blicke meiner Mütter auf mir brennen zu spüren. Irgendwann wendete ich meinen Blick dann von dem Fenster ab und sah zu meiner Mutter. In diesem Moment sah sie zwar starr auf die Straße, doch ich war mir fast hundertprozentig sicher, dass ich mir es diesmal nicht eingebildet hatte. Ich hätte sie einfach Fragen können, was sie beschäftigte und somit das einfach klären und dann weiter gedankenverloren aus dem Fenster starren, doch ich tat es nicht. Eigentlich hatte ich im Moment keine Lust zu reden, da ich immer noch wahnsinnig beschäftigt war, damit meine Panik in den Griff zu kriegen. Meine Mutter war die Erste die nach gab. 

„Sag mal Schatz, beschäftigt dich etwas?" So viel mehr, als ich dir im Moment erzählen könnte.

„Ich bin nur etwas nervös wegen dem Arzttermin." Sie sah wieder nach vorne.

„Das kann ich gut verstehen. Ich bin, um ehrlich zu sein, auch etwas nervös." Damit blieb es für kurze Zeit ganz still im Wagen, man hörte nur ganz leise und dumpfe Geräusche von Außerhalb, die ins Auto drangen.
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„ Es war schön mal eine Freundin von dir kennen zu lernen." Aha, einen Themenwechsel.

„Wir kennen uns noch nicht so lange, aber wir verstehen uns wirklich gut." Ich begann etwas zu lächeln.

„Das freut mich. Du kannst sie ja mal einladen wenn du willst. Dein Vater freut sich sicher auch eine deiner Freundinnen kennen zu lernen." Sensibles Thema.

Am Wochenende war ich auch nicht wirklich dazu gekommen mit ihm zu sprechen. Er schien mir wirklich aus dem Weg zu gehen. Ich hoffe nur das geht nicht mehr all zu lange so.

„Ja. Ich werd sie mal fragen, ob sie Lust hat." Ich schenkte ihr ein Lächeln, doch ich war mir nicht sicher, ob es auch richtig bei ihr ankam. Zum überprüfen hatte ich allerdings keine Zeit mehr, da meine Mutter in diesem Moment in eine Parklücke fuhr. 
Mit leicht zitternden Händen öffnete ich die Tür und stieg aus. Das Auto parkte nur unweit von der Praxis, so dass wir nicht sehr weit gehen mussten. Meine Mutter und ich schwiegen den ganzen Weg bis zur Rezeption.

„Guten Tag. Wie kann ich ihnen helfen." Die Stimme einer bereits deutlich gealterten Dame drang uns bestimmt, aber dennoch freundlich entgegen. Sie trug ihre zu einem niedrig sitzenden Zopf nach hinten gebunden. Sie trug eine helle Bluse und eine dünne Kette mit einem Kreuz daran um den Hals. Ein freundliches und kompetentes Lächeln strahlte uns ihrerseits entgegen. 
„Guten Tag. Wir haben einen Termin um zehn vor zwölf." Die Frau tippte schnell und flink etwas in ihren Computer, dann nickte sie kaum merklich.
„Aja Talhammer. Bitte setzten sie sich doch in den warte Bereich. Ich rufe sie dann auf." Meine Mutter nickte. Ich folgte ihr in den angrenzenden Wartebereich. Es war ein eher kleiner Raum, in hellen Farben gehüllt. Zahlreiche Stühle standen entlang der Wand. In der Mitte befand sich ein großer Kaffeetisch, auf dem sich Zeitungen und Magazine stapelten. Eine Ecke hatte man mit einem bunten Teppich, in Straßen/ Stadtoptik versehen und darauf tummelte sich Unmengen an Spielzeug. Nehmen wirklich Frauen ihre Kinder hierhin mit? Kann mir nicht vorstellen, dass das so praktisch ist. 
Meine Mutter und ich ließen uns auf benachbarte Stühle fallen und begann zu warten. Außer uns befanden sich noch sechs weitere Menschen im Raum. Menschen...
Eine davon, nur etwa drei Stühle weiter, war wohl kaum älter als ich. Sie hatte dunkelbraunes, leicht schwarz anmutendes Haar. Ihr Körper steckte in einer grauen Röhrenjeans und darüber trug sie eine locker sitzende Weste. Das T-Shirt konnte ich nicht so gut erkennen. Sie wirkte, im Gegensatz zu mir, deutlich entspannter. Wahrscheinlich machte sie nur einen Routine Besuch.
Mein Blick wanderte weiter zu einer Frau mittleren altern, vielleicht ein zwei Jahre älter als meine Mutter. Sie trug eine etwas lockerer sitzende Hose und ein weißes Top mit Jeansjacke darüber. Ihre dunkelblonden Haare hatte sie geflochten. Auch deutlich entspannter.
Fast direkt neben ihr saß eine weitere Frau, etwa Anfang zwanzig. Sie trug eine Nut farbenen Maxirock mit Snikers, darüber ein enges dunkles Top mit schwarzer Lederjacke. Ihre beinahe silbernen Haare trug sie offen, so dass sie ihr bis über die Brust gingen. Sie unterhielt sich mit einer Frau etwa im selben alter, diese trug eine enge Lederleggins mit einem steifen Top, dass etwas unter der Taille leicht ausgestellt war, die Haare zu einem Dutt gebunden. Noch zwei entspannte.
Mein Blick wanderte weiter und traf genau gegenüber von mir auf zwei weitere Personen. Es war ein junges Pärchen. Endlich mal jemand, der auch etwas nervös ist. 
Die Frau hatte kurze haselnussbraunen Haare und trug ein langen blaues Kleid, durch das sich ihr Babybauch deutlich herausstach. Der Mann neben ihr hatte einen Arm beruhigend um sie gelegt und strich sanft über ihre Schulter. Sie wirkten irgendwie schrecklich verliebt. Ich würde das auch gerne haben. Ich würde Gabriel jetzt gerne bei mir haben.

Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis die alte Dame von der Rezeption endlich unsere Namen rief. Mit nervös klopfenden Herzen erhob ich mich von meinem Stuhl. Eine weile blieb ich an Ort und Stelle stehen und versuchte mich etwas zu beruhigend, doch es funktionierte nicht wirklich. Meiner Mutter schien das aufgefallen zu sein, da ich kurz darauf ihre Hand auf meiner Schulter spürte. 
„Du brauchst nicht nervös sein." Sie begann etwas zu lächeln. Sah mein falsches Lächeln auch so aus?
„Es wird alles gut." Ich stimmte ihr zu, auch wenn ich ihr ihre beruhigenden Worte nicht so recht abnahm. Langsam begann wir uns wieder in Richtung Rezeption zu bewegen. Die alte Damen wies uns dann zu einer leicht weiß-rosernen Tür. Meine Mutter drückte die Klinke hinunter und die Tür sprang auf. 
Wir betraten einen weißen, wirklich sehr steril wirkenden Raum. Er war nicht besonders groß, dennoch aber mit allen ausgestattet. Es war zwar nicht der Behandlungsaal oder wie auch immer man das bezeichnete, sondern eine Art kleines Büro. Außer mir und meiner Mutter befand sich niemand im Raum. Wir gingen langsam weiter in den Raum hinein und ließen uns auf den zwei Sesseln nieder, die vor einem mit Holz furnierten langen Schreibtisch standen. Zunächst blieb es noch still, doch dann wurde hastig die Tür geöffnet. Meine Mutter und ich drehten uns um, und beobachteten, wie eine rothaarige Frau mit hochgebundenen Zopf und weißem Kittel herein kam. 
„Entschuldigung für die Verspätung. Ich musst nur dringen einmal wohin." Schnell rannte sie auf ihren Platz und atmete einmal tief durch.
„Nun gut. Erstmal einen schönen guten Tag." Meine Mutter und ich erwiderten diese Höflichkeitsfloskel. 
„So,..bevor wir mit der eigentlich Untersuchung anfangen würde ich ihnen gern noch ein paar Fragen stellen." Sie sah mich direkt an. Sie weiß also, das ich die Patientin bin, wahrscheinlich weil ich so ein Nervenbündel bin. 
Ich nickte schnell und sie fuhr fort. 
„Gut, dann zuerst mal wäre es ihnen recht wenn ich sie duze?"
„Ja."
„Wann warst du denn zuletzt beim Frauenarzt." 
„Vor nicht ganz einem Jahr." Sie nickte und fuhr fort.
„Ich habe hier stehen, dass du hier bist, weil du vor kurzem entdeckt hast, das du schwanger bist." Ich nickte.
„Würdest du mir vielleicht sagen, wann sich bei dir der verdacht geäußert hat oder besser wodurch?"

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