Chapter 10

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Isaac P.O.V

Seufzend lehnte ich meinen Körper gegen die Tür. Was ich tat, was für ein Verhalten ich Nick gegenüber zeigte, es war alles andere als in Ordnung.

Aus moralischer Sicht war das absolut nicht vertretbar. Nein, aus moralischer Sicht hätte ich längst gefeuert werden sollen.

"Ich geh mein Zeug holen!" rief Nick durch die Tür. Seine schnelle Flucht ließ mich kurz Schmunzeln.

Da war es ja schon wieder. Ich vergaß mich, wenn es um Nick ging. Ich vergaß meine Position.

Die Bedingung, dass Nick in meiner Wohnung bleiben konnte war eine Verhaltensverbesserung und alles, was jetzt gerade passiert war, dass sich mein eigenes Verhalten verschlechterte.

Um mich abzulenken und mir auch wieder meiner Rolle als Lehrer bewusst zu werden setzte ich mich an einige Arbeitsblätter, die ich noch überarbeiten wollte.

Es half mir tatsächlich, die Zeit zu vergessen. Mir wurde erst bewusst, wie spät es geworden war, als ich Glockenschläge vom Gebäude nebenan vernahm.

Die Schlafenszeit wurde damit angekündigt. Das hieß, keiner durfte, ohne Erlaubnis von Vito, das Haus verlassen.

Nick war immer noch nicht zurück. Es würde mich nicht verwundern, wenn er doch bei Ron bleiben wollte, trotzdem hatte ich zumindest eine kurze Nachricht erwartet.

Wobei, wie sollte er das können, ohne meine Nummer zu haben.

Ich wollte auch nicht völlig übervorsichtig extra rüber gehen und nachsehen. Nick ist vernünftig genug, um rationale Entscheidungen treffen zu können.

Oder auch nicht.

Gegen neun, als es draußen schon dunkel war wurde ich angerufen.

"Mister Hilton, ich verstehe, dass ich Sie während der Abendruhe störe, nur ist es sehr wichtig." Es war Vito, der Hausherr des Internats.

"Ist etwas passiert?" fragte ich alamiert. "Es ist eher das 'nicht passieren', was mir solche Sorgen bereitet. Nick kam vor einer Stunde und stürmte in Sekunden wieder aus dem Gebäude. Ich hoffe doch, er ist bei Ihnen." antwortete Vito.

Vielleicht hat er sich mit Ron gestritten, aber so schnell?

Seufzend schüttelte ich den Kopf, mir wurde danach erst bewusst, dass Vito mich nicht sah, sondern nur hörte.

"Nein, hier ist er nicht. Ich dachte, er würde lieber in seinem eigenen Zimmer schlafen, aber anscheinend schläft er gar nicht." erklärte ich also.

Vito brummte nachdenklich, bevor er selbst seufzte. "Ich kann mir bereits vorstellen, wo er ist." Nicht das erste mal, dass er weg lief.

"Gut, dann können wir ihn ja gemeinsam abholen. Warten Sie bitte vor dem Internat auf mich." Bevor Vito widersprechen konnte hatte ich bereits aufgelegt.

Er wartete tatsächlich vor dem Gebäude, begrüßte mich mit einem erschöpften Lächeln. "Es ist nicht weit von hier." erklärte Vito und lief auch schon los.

"Was ist nicht weit von hier?" Wir liefen nebeneinander her. "Ein Kiosk. Nick ist oft dort, wenn er jemanden zum Reden braucht. Der Besitzer ist ebenfalls deutscher Herkunft." erklärte der Internatsleiter ruhig.

Ich schenkte mir die Frage, wie oft Nick schon weggelaufen war. Die Antwort war offensichtlich, wenn man sieht, wie gewohnt Vito damit umging.

Der ältere Herr seufzte leise. "Mister Hilton, Nick ist kein schlechter Mensch. Es ist einfach eine sehr schwierige Situation für ihn. Auch wenn ich es lieber gehabt hätte, Sie hätten es von Nick selbst erfahren, es ist wichtig, dass Sie etwas verstehen."

Stumm hörte ich zu, was mir eben erzählt wurde. Ich sah bloß auf den Weg vor uns und wartete, bis Vito weiter sprach.

"Nach der Scheidung von Nicks Eltern war es für ihn selbstverständlich nicht leicht und als seine Mutter später eine Beziehung mit Nicks altem Lehrer einging fand er einen Sündenbock." Daher also der Hass gegen Lehrer.

Da seine Mutter sich auch nicht um den Kontakt bemühte kann ich mir vorstellen, was sich alles an Wut bei Nick angestaut hat.

"Hören Sie das?" fragte Vito plötzlich und blieb stehen. Ich lauschte angestrengt. "Fußstapfen." murmelte ich dann. "Das ist er."

Ich versuchte mit den Augen dem Geräusch zu folgen, währenddessen legte Vito beide Hände an den Mund und rief nach Nick.

"Du bist langsam geworden Vito!" Es war mir unmöglich zu erahnen, woher Nick kam. Es war, als würde er aus dem Nichts springen. Schwarze Kleidung und überall Kratzer, an den Armen, im Gesicht.

Mit schief gelegtem Kopf sah Nick mich an. "Warum sind Sie hier?" fragte er. "Ich hab mir Sorgen gemacht. Du bist so plötzlich verschwunden." antwortete ich.

Der Rothaarige grinste mich selbstgefällig an. "Sie sind immer noch viel zu sehr von mir angetan." Mit diesen Worten lief er hinter mich, um sich dann auf meinen Rücken zu werfen.

Eine anstrengende Eigenart. Ich hätte mich beschwert, hätte Vito mich nicht sanft angelächelt und langsam den Kopf geschüttelt.

Seufzend griff ich nach Nicks Beinen, damit er nicht runter fiel.

Der war schon auf halbem Wege zurück zum Internat eingeschlafen. "Ich bring ihn zu mir, Ron schläft wahrscheinlich längst." meinte ich und verabschiedete mich von Vito.

Nick war um einiges leichter, als er aussah, das war mir schon beim ersten mal, als ich ihn getragen hatte aufgefallen.

Vorsichtig legte ich Nick auf dem Sofa ab, hörte nur, wie er leise "Isaac." flüsterte.

Leicht lächelnd setzte ich mich neben ihn auf den Boden und fuhr mit meiner Hand durch seine Haare.

"Ich bin hier, keine Sorge."

A losing Game | BoyXManWhere stories live. Discover now