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Die nächsten Tage vergingen wie im Flug. Hannah verbrachte die meiste Zeit mit Maite, die zusammen die Gegend erkundeten, sich im Garten erholten oder das Meer genossen. Ihr letzter Tag sollte jedoch etwas Besonderes werden und so machten sich alle auf zum Hafen, um einen Segelausflug zu unternehmen. Etwas verschlafen packte Hannah einen Rucksack mit Dingen, die sie auf die Tour mitnehmen wollte und machte sich auf den Weg nach unten, wo schon einige ungeduldig warteten. „Können wir jetzt endlich los?", nörgelte Joey, der nervös mit seinem Schlüsselbund spielte. Er schaute in die Runde und stellte fest, dass nur noch Paddy und Angelo fehlten, und verdrehte die Augen: „Kann jemand mal die beiden Trantüten in den Arsch treten? Ich packe schon mal einige Sachen ins Auto." Während alle Anwesenden ihr Hab und Gut schulterten, ging Hannah nochmal nach oben, um die beiden Jungs ein wenig zu triezen. Die Zimmertür von Angelo war ein Spalt auf. Hannah hörte, wie sich die beiden Brüder unterhielten: „Oh man, Paddy wirklich. Zwischen uns Geschwistern ist das schon lange ein offenes Geheimnis. Schön, dass du endlich mal selbst draufgekommen bist. Hast du schon mit ihr geredet?", fragte Angelo. „Denkst du das ist so einfach? Da hängt wesentlich mehr dran, als eine Abfuhr zu kriegen oder eine neue Beziehung einzugehen." ‚Um wen geht es denn da?', fragte sich Hannah und klopfte vorsichtig an der Tür, da sie dieses Gespräch nicht weiter belauschen wollte: „Ich will eure private Unterhaltung ja nicht stören, aber Joey meckert schon die ganze Zeit. Wir wollen so langsam auch los." Paddys Wangen nahmen eine rote Färbung an, als er den Blick senkte und nickte. Angelo klopfte seinen Bruder auf die Schulter und erhob sich: „Dann mal los!" Er nahm seine Sachen und ging hinunter. Paddy zögerte und stand nicht sofort auf. Hannah musterte ihn. Besorgt fragte sie ihn: „Alles ok bei dir?" Er setzte ein Lächeln auf, das ihn glücklich erscheinen ließ. „Alles super. Nur ein bisschen müde. Ist für mich ziemlich früh." Hannah nickte, hatte aber dennoch einen besorgten Blick.

Später als erwartet erreichten sie den Hafen. Nachdem das ganze Gepäck an Bord gebracht wurde, konnte es endlich losgehen. Es war ziemlich windig und die Wellen peitschten förmlich gegen das Boot, dennoch war die Stimmung unter den Geschwistern und Hannah ausgelassen. Eine Weile schipperten sie über das Meer. Hannah stand an der Reling und ließ sich den Wind ins Gesicht pusten. Sie atmete die frische Meeresluft ein und fühlte sich frei. Als sie bemerkte, dass das Boot sich nicht mehr bewegte drehte sie sich fragend um und sah, wie Paddy und Angelo den Anker setzten und an sämtlichen Schnüren zogen. Hannah hatte von Booten, geschweige denn vom Segeln, überhaupt keine Ahnung, wodurch sie die beiden Jungs umso mehr bewunderte. Auf der anderen Seite der Reling hörte sie, wie Jimmy und Joey anfingen spanische Lieder zu singen und ihre Angeln auswarfen. Patricia, Barby, Kathy und John saßen mit einer Tasse Kaffee in der Sonne. Es wunderte Hannah, dass Maite fehlte, denn sie war nirgends zu sehen. „Wo ist denn Maite?", fragte Hannah als sie auf die Kaffeerunde zuging. „Maite geht es nicht besonders. Sie ist etwas seekrank und hat sich unten hingelegt", sagte John und nahm währenddessen Sean auf den Schoß. Hannah ging unter Deck, um nach ihrer Freundin zu schauen. Diese sah alles andere als gesund aus. Ihr Gesicht war kreidebleich und ihre Stirn in Falten gelegt. „Na, du siehst ja gar nicht gut aus. Kann ich dir irgendetwas Gutes tun? Soll ich dir einen Tee machen oder so was?" Maite schüttelte den Kopf. „Wenn du mir einen Eimer organisieren kannst, wäre das super. Aber mehr brauche ich nicht. Wenn wir weiter Segeln, wird das bestimmt auch wieder besser. Der Wellengang ist einfach heftig heute." Hannah nickte und suchte in der Kombüse nach einem Eimer, den sie auch relativ schnell fand. Als sie zu Maite zurück ging, gab sie ihr den Eimer und setzte sich zu ihr. „Du musst hier nicht rumsitzen. Ich versuche ein wenig zu schlafen." „Bist du sicher?", fragte Hannah. Als ihre Freundin nickte, streichelte sie ihr über die Unterschenkel und ging wieder an Deck. Sie gesellte sich zu Angelo und Paddy, die mit Notizbüchern und Gitarren in einer Ecke saßen. „Hannah du kommst gerade richtig. Findest du, der Text ist zu schnulzig?", fragte Angelo. Er spielte die ersten Akkorde auf der Gitarre und fing an die ersten Zeilen von ‚Because it's love' zu singen. An einigen Stellen stimmte Paddy auch mit ein. Hannah war total begeistert: „Ist das von dir?", fragte sie Angelo zugewandt, der nickte. „Da wird sich Kira aber freuen." „Sie ist eben die beste Inspiration", sagte Angelo lässig. „Siehst du, der Text ist super." Paddy grinste schräg: „Ja, ja. Du hast gewonnen. Wenn Kira nur wüsste, dass es in deinen Songs immer nur um sie geht." Angelo blieb immer noch gelassen. „Irgendwann wird sie es schon merken." Dabei schaute er Paddy vielsagend an, dessen Augen sich jedoch weiteten und damit andeuten wollte, dass er das Thema nicht weiter vertiefen sollte. Hannah, die von dem Blickkontakt zwischen den Brüdern nichts mitbekam, forderte die beiden auf, weitere Songs zu spielen, was diese auch nur zu gern taten. Auch Hannah durfte ein Lied auf der Gitarre spielen, was sie zuvor vor Jahren mit Angelo zusammen geübt hatte. Die drei hatten viel Spaß bei der Sache, als Jimmy und Joey jeweils mit einem Eimer an sie herantraten: „So Leute, wir haben essen besorgt und einer von euch muss es vorbereiten. Maite scheint es immer noch nicht gut zu gehen und ich glaube, wenn sie den Fisch riecht und ausnehmen muss, wird es nicht besser. Hannah nickte und nahm Jimmy und Joey die Eimer ab: „Ich mach das schon." Paddy stand ebenfalls auf: „Warte, ich helfe dir."

Die Fische waren schnell ausgenommen, das Schälen der Kartoffeln war für so viele Leute wesentlich lästiger. Die beiden saßen sich gegenüber, in der Mitte ein Großer Topf und ein Eimer für die Kartoffelschalen. „Ich komme mir vor wie auf einem Piratenschiff, auf dem die Gefangenen die Drecksarbeit machen müssen", beklagte sich Hannah und wischte sich mit dem Handrücken die Stirn ab. Paddy lachte: „Bei so vielen Geschwistern kann das Essenzubereiten auch eine Folter sein. Kartoffeln schälen hat aber auch irgendwie etwas Beruhigendes." Hannah schaute ihn verständnislos an: „Hä? Wieso das denn?" „Naja, es ist so gesehen einfache Arbeit und du kannst dich voll und ganz drauf konzentrieren ohne an andere Dinge denken zu müssen." „Oder um gewisse Dinge zu verdrängen?" „Ja, vielleicht auch das." Hannah ließ Paddy Aussage so stehen. ‚Wenn er über etwas reden wollen würde, dann würde er sich schon melden', dachte sie sich und widmete sich einer weiteren Kartoffel. Als sie mit den Vorbereitungen fertig waren, machten sie sich ans Kochen. Das Essen war einfach, aber es duftete herrlich. Gemeinsam saßen die Familie und Hannah zusammen, jeder mit einem Teller auf dem Schoß, und aßen das zubereitete Essen von ihr und Paddy. Maite ging es mittlerweile auch besser und war in der Lage ein wenig von dem Essen zu sich zu nehmen. „Das Essen war wirklich sehr lecker. Ich hätte es nicht besser machen können"; sagte Maite und schob sich noch eine Kartoffel in den Mund. „Dafür wasche ich auch ab." Paddy freute sich tierisch über die Aussage: „Na ein Glück, darauf hätte ich ja auch überhaupt keine Lust." Auch Hannah nickte zustimmend und lehnte sich zurück: „Ich wäre auch viel zu vollgefressen, um jetzt noch den Abwasch zu machen." Maite lachte und stand auf: „Ihr seid einfach nur faul. Barby hilfst du mir?" Als Barby nickte, sammelten sie schon mal ein paar Teller ein und gingen zusammen in die Kombüse.

„Und was machen wir jetzt?", fragte Paddy Hannah, die mit den Schultern zuckte. „Ich muss mich erstmal von dem ganzen Essen erholen." „Komm mit!" Paddy reichte Hannah seine Hand und zog sie hoch. Sie gingen an das Ende des Bootes. Er deutete auf ein Netz, auf das er mit schnellen Schritten zu ging und sich hineinlegte. „Ist das denn sicher?", fragte Hannah und zögerte, ehe sie das großmaschige Netz betrat. „Klar, vertrau mir." Vorsichtig krabbelte sie in die Mitte des Netzes und legte sich neben Paddy. Den Blick auf den Himmel gerichtet lagen sie nebeneinander und genossen die Fahrt zurück zum Hafen.

Zwischen Liebe und FreundschaftWhere stories live. Discover now