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Sandra und Hannah saßen gemeinsam im Wohnzimmer und schauten fern. „Und du bist wirklich sicher, dass du das schaffst, Sandra?" Sandra verdrehte die Augen und atmete tief durch. Zum gefühlten hundertsten Mal wollte sich Hannah vergewissern, dass ihr Plan auch gut durchdacht war. „Was soll denn da dran schief gehen? Bleib doch mal locker. Du hast gesagt, da liegen nur Listen rum, in denen du dich eintragen müsstest. Ich werde ja wohl in der Lage sein, deine Matrikelnummer und deinen Namen dort einzutragen. Das wird schon schief gehen." „Und du weißt auch, in welche Listen du dich eintragen musst?" „Mein Gott. Ja, Du hast mir eine Liste geschrieben mit deinen Prioritäten und Alternativen. Man, jetzt mach dir nicht so viele Sorgen." „Tut mir leid. Ich bin dir echt dankbar, dass du das für mich machst." Mit ihrem eindringlichen Blick musterte Sandra ihre Freundin und fing an zu lächeln. „Klar doch. Kein Problem. Ich wollte schon immer etwas Kleinkriminelles tun. Hoffentlich muss ich deine Unterschrift fälschen." Hannah wich jegliche Farbe aus dem Gesicht, doch Sandra lachte nur. „Du bist echt ein Angsthase. So schlimm wird es schon nicht werden. Es sind nur blöde Seminare. Den Leuten an der Uni ist es doch scheißegal, wer sich jetzt in die Listen einträgt oder nicht." „Das hoffe ich doch.", antwortete Hannah zaghaft.

Als Hannah im Bett lag, konnte sie nicht schlafen. Sie wälzte sich hin und her und fand keine angenehme Schlafposition. Nach einiger Zeit gab sie es auf, schaltete das Licht an und setzte sich in ihrem Bett auf. Es war bereits 3 Uhr nachts. „Ich hätte keine Cola trinken sollen", murmelte Hannah vor sich hin. Genervt von ihrer Schlaflosigkeit stand sie auf und fing an ihre Sachen für ihre bevorstehende fahrt nach Gymnich zu packen. Im Kopf ging sie die Tage durch und packte dementsprechend Kleidung ein. Das Packen machte Hannah jedoch nicht müde, so dass sie schließlich ins Wohnzimmer ging und leise den Fernseher anmachte. Um diese Uhrzeit waren, wie zu erwarten, mehrere Werbeblöcke mit anzüglichen Frauen zu sehen, die für Telefonsexhotlines warben. Nichtsdestotrotz blieb sie an einem Musiksender hängen, der die TOP100 des letzten Jahres ausstrahlte. Hannah machte es sich vor dem Fernseher bequem und ließ sich von den bunten Musikvideos berieseln, bevor sie bei „I'll be missing you" von P. Diddy einschlief.

Sandra wunderte sich am nächsten Morgen, dass der Fernseher noch lief. Haben sie vergessen den Fernseher gestern Abend auszuschalten? Als sie jedoch Hannah sah, die tief und fest auf dem Sofa schlief, wurde ihr einiges bewusst und machte den Fernseher aus. Sie legte die Fernbedienung leise auf den Couchtisch und ging duschen. „Dieses Weib hat aber auch einen Schlaf.", sagte Sandra vor sich hin, als sie frisch geduscht und angezogen in der Küche saß und alleine frühstückte. Sie wusste, dass Hannah ein Langschläfer und ein noch größerer Morgenmuffel war und hütete sich, sie zu wecken. Zudem genoss Sandra morgens ihre Zeit, wenn sie für sich war, und in Ruhe Boulevardzeitungen lesen konnte. Sie las gerade einen Artikel über Aaron Carter, als es an der Tür klingelte. Genervt blickte sie auf die Uhr und verfluchte die Person, die sie bei ihrem Morgenritual störte. Es klingelte erneut und Sandra fing an vor sich hinzumeckern. Sie riss die Tür auf und wollte gerade anfangen sich zu beschweren, als Paddy grinsend vor ihr stand. „Guten Morgen! Brötchen?" Er hielt eine Tüte vom Bäcker in die Luft und musste über das verwirrte Gesicht von Sandra schmunzeln. „Was machst du denn hier?", fragte sie verblüfft und ging einen Schritt zur Seite, damit Paddy eintreten konnte. „Ich wollte Hannah überraschen und sie abholen. Ist sie nicht da?" Sandra schnaubte sarkastisch. „Da ist sie schon, aber sie weilt nicht unter uns." Skeptisch musterte Paddy Sandra. „Komm mit. Ich zeig es dir." Gemeinsam gingen sie ins Wohnzimmer, in dem Hannah immer noch leise vor sich hin schnarchte. „Viel Glück beim Wecken und danke für die Brötchen." Sandra riss Paddy die Tüte aus den Händen, der sich darüber beschwerte, tänzelte zurück in die Küche und ließ ihn alleine im Wohnzimmer zurück. Mit schnellen Schritten ging Paddy auf Hannah zu und kniete sich vor das Sofa. Er beobachtete sie eine Weile und strich ihr mit dem Handrücken über ihre Wange. Hannah nuschelte etwas Unverständliches, was Paddy zum Grinsen brachte. „Hey, Murmeltier. Willst du nicht so langsam wach werden?" Im Halbschlaf antwortete sie: „Nein, ich träume gerade so schön" „Und was träumst du so Schönes? Heiratest du schon wieder einen Bruder von Maite?" Es war schon länger her, dass er Hannah im Schlaf reden hörte und musste daran denken, wie sie das letzte Mal von ihrer Hochzeit mit ihm erzählte. Von Hannah kam ein müdes „Nein". Paddy war ein wenig enttäuscht, dass Hannah nicht mehr über ihren Traum preisgab. Vorsichtig steckte er ihre Haare, die ihren Hals bedeckten, hinter ihr Ohr und fing an, leichte Küsse auf ihren Hals zu hauchen, was Hannah lächeln ließ. Zentimeter für Zentimeter wanderten seine Lippen von ihrem Hals bis zu ihren Mundwinkeln, bis Hannah seufzte und den Kuss erwiderte. Langsam lösten sich ihre Lippen voneinander und Paddy nahm in Hannahs Gesicht ein Lächeln wahr: „Sagst du mir jetzt, was du geträumt hast?" Hannahs Lächeln wurde immer breiter: „Von Joey, wie er mich küsst." „Wie bitte?" Empört wich Paddy mit seinem Gesicht zurück, ehe Hannah die Augen öffnete und ihn glücklich anlächelte. „Natürlich habe ich nicht von Joey geträumt, du Trottel." Leicht beleidigt schaute Paddy sie an, die ihm eine Hand entgegenhielt. „Los, komm her. Ich wollte dich nur ärgern." Er rutschte wieder ein Stück an das Sofa heran, legte seine Arme samt seinen Kopf darauf ab, so dass sein Gesicht nur wenige Zentimeter von Hannahs entfernt war. Hannah gab ihm einen innigen Kuss und strich ihn über den Kopf. „Was machst du denn eigentlich hier?" Paddy grinste. „Na, was denkst du denn? Ich habe es nicht mehr ausgehalten und wollte dich überraschen. Weißt du eigentlich, dass du im Schlaf redest?" Erstaunt über diese Aussage schüttelte Hannah den Kopf. „Ich rede überhaupt nicht im Schlaf." Paddy lachte. „Oh doch, das tust du!" „Und was habe ich gesagt?", fragte Hannah und setzte sich ein wenig auf. „Das verrate ich dir nicht. Rache muss sein." Er gab ihr einen Kuss auf die Nase und stand auf: „Ich habe Brötchen mitbracht. Wir können noch frühstücken und dann können wir los, wenn du willst." Schmollend schob Hannah ihre Unterlippe hervor: „Ach komm schon, was habe ich im Schlaf so erzählt?" Doch Paddy war bereits auf den Weg in die Küche und drehte sich in der Tür noch einmal zu ihr um: „Sag ich nicht und jetzt aufstehen!" Hannah warf ihn ein Kissen hinterher und quälte sich vom Sofa.

Zwischen Liebe und FreundschaftWhere stories live. Discover now