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Draußen war es stockdunkel als der Nightliner Köln erreichte. Den Abend gab es heftige Diskussionen zwischen Paddy, Jimmy, und Kathy. „Was ist denn das Problem? Paddy ist alt und verantwortungsbewusst genug, um das selbst zu entscheiden", sagte Jimmy gereizt und hielt sich die Schläfen. „Jimmy, es ist einfach zu gefährlich. Gerade hier in Köln. Es wäre einfacher, wenn Hannah mit ins Hotel kommt. Was ist, wenn irgendwer spitzkriegt, dass Paddy bei Hannah ist? Das ganze Haus würde belagert werden und auch Hannahs Sicherheit wäre gefährdet." „Leute, ich sitze neben euch. Behandelt mich nicht wie ein kleines Kind. Ich kann das wirklich selbst entscheiden und Tom ist ja auch noch da. Außerdem ist es mitten in der Nacht. Wer soll mich da bitte sehen?", gab Paddy zu bedenken „Ja, jetzt ist es dunkel", entgegnete Kathy sarkastisch, „aber was ist mit Morgen? Wie willst du Morgen unbemerkt zur Halle kommen?" „Das wird schon funktionieren. Ich mache mir da keine Sorgen. Ich werde pünktlich zum Soundcheck da sein. Selbst wenn ich später da sein sollte, ihr schafft das auch ohne mich. Ich darf ja wohl ein paar Stunden meines Lebens selbst gestalten, oder?" „Kathy, Paddy hat recht", sagte Jimmy und seufzte. Hannah, die die ganze Diskussion mit verfolgte, war diese Auseinandersetzung unangenehm. „Ich habe auch kein Problem damit, mit ins Hotel zu fahren", flüsterte Hannah kaum hörbar, doch Paddy, dessen Hand auf ihrem Oberschenkel weilte, drückte leicht zu und schüttelte den Kopf. Kathy blieb jedoch stur, was Paddy zum kochen brachte. „Kathy weißt du was? Es ist mir scheiß egal, was du sagst. Ich bin alt genug. Lass mich meine Entscheidungen selbst treffen." Wutentbrannt verschwand Paddy im Bus, während Hannah wie erstarrt stehen blieb. Entschuldigend sah sie zu Kathy und Jimmy. „Ich packe dann mal meine Sachen. Es tut mir wirklich leid, dass es wegen mir Ärger gibt." Wortlos stand Kathy auf. Hannah schaute ihr schuldbewusst hinterher „Mach dir keinen Kopf, Hannah. Fahrt ruhig zu dir. Ich sage Tom Bescheid, dass er euch fahren und bei euch in der Nähe bleiben soll. Kathy kriegt sich schon wieder ein. Sie muss eben auch lernen, dass manche auch gerne mal ihr Leben selbst in die Hand nehmen wollen." Zögernd stand Hannah auf und fing an ihre Sachen zu packen. Maite kam zu ihr und sah sie besorgt an. „Denk nicht weiter drüber nach, ok? Genießt die Zeit zusammen." „Das sagst du so einfach. Das eben war so unangenehm. Ich hasse es so zwischen den Fronten zu stehen." Maite lächelte müde: „So ist das in einer Großfamilie. Sei froh, dass du Paddy gerade nicht erlebt hat. Wenn der etwas in die Hände bekommen hätte, hätte er es zerschlagen" Maite reichte Hannah ein paar Sachen, die sie in ihrer Tasche verstaute. „Wir sehen uns dann morgen und jetzt schau nicht mehr so bedröppelt. Lass dir den letzten Abend nicht verderben." Hannah zwang sich zu einem Lächeln und ging mit ihrer Tasche nach draußen, wo Tom und Paddy schon warteten. Paddys Stirn war immer noch in Falten gelegt. Tom nahm Hannah die Tasche ab und verstaute sie im Kofferraum, während sie ins Auto stieg. Auf der Fahrt sprach niemand ein Wort. Hin und wieder sah Hannah Paddy von der Seite an, doch er starrte aus dem Fenster und war in seinen Gedanken vertieft. Zögernd griff sie nach seiner Hand, was Paddy ein leises Lächeln entlockte und er ihre Hand drückte. „So wir sind da. Wenn was ist, ich bleibe hier in der Nähe." „Danke, Tom." Tom half den beiden noch bei dem Gepäck, ehe er sich verabschiedete.

Hannah ging mit ihren Schlüssel voraus, Paddy mit ihren Taschen hinterher. „Sandra scheint nicht da zu sein", sagte sie und schloss die Tür auf, knipste das Licht an und entledigte sich ihrer Schuhe. Paddy schmiss ihre Tasche in die Ecke des Flurs und zog sich ebenfalls Schuhe und Jacke aus. Hannah ging schnell die Post durch, die Sandra für sie auf die Ablage gelegt hatte und grinste Paddy an: „Du kennst dich hier ja aus." Paddy nickte und steuerte die Küche an. Da er sich tatsächlich gut auskannte, waren schnell zwei Tassen und Tee gefunden, den er mühelos zubereitete. Hannah hingegen verschwand im Badezimmer und zog sich einen flauschigen Schlafanzug, auf dem Rentiere abgebildet waren, an. Als Hannah aus dem Badezimmer kam, saß Paddy bereits im Wohnzimmer und blies in seine Teetasse. Verträumt lächelte Hannah und ging auf ihn zu. Er bemerkte Hannah und musste ebenfalls grinsen, als er sie in ihrem Outfit sah. „Deine Schlafanzüge sind echt unschlagbar." „Was hast du gegen meinen Rudolphschlafanzug auszusetzen? Der ist wunderbar flauschig." Hannah ließ sich neben Paddy nieder und hielt ihm einen Arm hin: „Hier überzeug dich selbst." Paddy lachte, stellte seine Tasse ab und nahm seine Freundin in den Arm. Er vergrub sein Gesicht in ihren Haaren und atmete den Duft ihres Magnolienschampoos ein. Hannah drückte ihn sachte nach hinten, so dass sie mit einem Teil ihres Körpers auf ihm lag. Sie schwiegen eine Weile. Paddy starrte an die Decke und malte mit seinem Finger unwillkürliche Kreise auf Hannahs Schulter, während sie seinem Herzschlag lauschte. „Das muss doch echt schön sein", unterbrauch Paddy die Stille. „Was meinst du?", fragte Hannah, ohne aufzusehen. „Na das hier. Eine eigene Wohnung, keiner, der dich ständig nervt, einfach mal Ruhe zu haben." Besorgt sah sie auf: „Machst du dir Gedanken wegen Kathy? Du weißt, dass ich auch mit ins Hotel gefahren wäre. Mir war die Sache eh unangenehm." Paddy seufzte und drücke Hannah näher an sich: „Ja, das weiß ich doch. Es geht mir aber ums Prinzip. Muss ich denn alles mit meiner Familie zusammentun? Ich will auch nur einmal ein paar Stunden einen „normalen" Alltag haben, weg vom ganzen Trubel, und Zeit mit meiner Freundin verbringen." Hannah fing an zu kichern. „Was ist?" „Du hast mich das erste Mal >deine Freundin< genannt. „Bist du das denn nicht?", fragte Paddy verwundert. Schelmisch grinsend rutschte sie zu Paddys Gesicht hoch und küsste ihn zärtlich. Er grinste in den Kuss hinein: „Ich deute das mal als ja." Abermals verschmolzen ihre Lippen miteinander, erst zaghaft, dann leidenschaftlicher. Paddys Hände wanderten über Hannahs Rücken auf und ab, ehe er ihr Oberteil sanft nach oben schob und seine warmen Hände ihre nackte Haut berührten. Für einen kurzen Moment trennten sich ihre Lippen. Paddy schaute ihr mit seinen tiefblauen Augen, die leidenschaftlich funkelten, an. Ehe Hannah sich versah, packte er ihren Körper und drehte sie auf den Rücken. Hannah umschloss seinen Nacken und zog sein Gesicht wieder näher zu ihrem heran. Paddy küsste sie leidenschaftlich und fuhr mit seinen Lippen langsam ihren Hals entlang bis zum Schlüsselbein, was ihr ein leises Stöhnen entlockte. Jede Berührung brachte Hannahs Körper zum Beben und auch Paddys Atmung wurde schneller. Er seufzte als Hannah seinen Hals mit ihrer Zunge liebkoste und seine Lippen wiederfand.

Völlig in ihrer Lust vertieft bemerkten Hannah und Paddy nicht, dass sich ein Schlüssel in der Wohnungstür drehte und Sandra leicht angeheitert nach Hause kam. „Hannah bist du da?" Im letzten Augenblick schreckten die beiden auf und lösten sich voneinander, bevor Sandra das Wohnzimmer betrat und entsetzt zum Sofa starrte. Hannahs Gesicht brannte und auch bei Paddy war eine leichte Röte auf den Wangen bemerkbar. In Sandras Gesicht breitete sich ein Lächeln über beide Ohren aus: „Oh du hast Besuch. Ich wollte euch auch gar nicht stören...bei...was auch immer ihr getan habt. Ihr seid alt genug, aber denkt an die Verhütung. Ich geh dann mal in mein Zimmer und ihr tut einfach so, als ob ich nicht da wäre." Skeptisch musterte Hannah ihre Mitbewohnerin: „Sandra, bist du betrunken?" „Nein, nur ein kleines bisschen...beschwipst würde ich sagen. Aber lasst euch nicht stören, ich gehe jetzt ins Bett." Hannah packte sich an die Stirn und schüttelte den Kopf. Anschließend schaute sie zu Paddy, der sie angrinste und seine Haare richtete: „Vielleicht sollten wir auch so langsam schlafen gehen?" Hannah strich ihren Pyjama glatt und nickte. „Das ist wohl keine schlechte Idee." Er gab ihr einen Kuss auf die Wange, ehe er aufstand und seine Tasche holte. Innerlich verfluchte Hannah ihre Mitbewohnerin. „Wie kann Sandra immer nur so ein schlechtes Timing haben?", sagte sie vor sich hin und schnappte sich die Teetassen, deren Inhalt bereits kalt geworden war.

Zwischen Liebe und FreundschaftWhere stories live. Discover now