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„Und du bist wirklich sicher, dass das klappt?" Hannah drehte sich auf den Bauch, während sie die Frage stellte und schwang ihre Beine hin und her. Mittlerweile war es Dezember. Vor Zwei Monaten hatte ihr Psychologiestudium angefangen und Hannah war voll und ganz mit dem Studieren beschäftigt. Das Lernen bereitete ihr große Freude. In ihren Seminaren lernte sie viele nette Kommilitonen kennen, mit denen sie auch die eine oder andere Studentenparty besuchte. Auf den Partys zeigten einige Interesse an Hannah, wollten mit ihr Kaffee trinken oder ins Kino gehen. Doch sie lehnte jede Verabredung ab. Seit dem Konzert in Dortmund, hatte sie nun Paddy nicht mehr gesehen, doch der Kontakt blieb bestehen. Wenn sie nicht telefonierten, schrieben sie miteinander. Für keinen anderen empfand sie so, wie für ihren besten Freund. Auch wenn sie Paddy und auch Maite und die anderen in wenigen Tagen zu Maites 18. Geburtstag sehen würde, war ihre Geduld bis zum Rande erschöpft. „Glaub mir Hannah. Das funktioniert. Ich habe mit Tom gesprochen. Er weiß Bescheid und klärt das alles ab. Ich komme morgen Abend zu dir nach Köln und dann fahren wir am nächsten Tag gemeinsam nach Mannheim, wo Tom uns von Bahnhof abholt. Die werden sich freuen, wenn wir da auftauchen, glaub mir." Aufmerksam hörte Hannah Kira zu und nahm den Telefonhörer in die andere Hand. Kira war neben Maite eine enge Vertraute geworden, die mehr oder weniger dasselbe Schicksal mit ihr teilte. „Ich bin so nervös, Kira." „Das glaube ich dir. Ich habe aber alles fest im Griff. Vertrau mir. Auf Tom können wir uns verlassen und Paddy wird staunen." Kira und Hannah redeten noch über einige Themen, ehe sie sich verabschiedeten und auflegten.

Am nächsten Tag ging Hannah morgens in ihre Vorlesungen, doch konzentrieren konnte sie sich nicht. Immer wieder schweiften ihre Gedanken ab. Gestern Abend hatte sie nur kurz mit Paddy gesprochen, der ihr erzählte, dass sie nach Mannheim fahren würden, um dort bei „Wetten, dass" aufzutreten. Er selbst hatte keine Lust drauf, vor allem, weil bereits vorher bekannt war, dass sie Playback singen mussten. Paddy freute sich darum umso mehr, dass es bis zu ihrem Wiedersehen nur noch wenige Tage waren. Bei seiner Unwissenheit musste sich Hannah zusammenreißen, um nicht gleich die Überraschung auszuplaudern. ‚Wenn du wüsstest', dachte sie sich und freute sich umso mehr, dass Tom wirklich kein Sterbenswörtchen verraten hatte. Nach der Vorlesung machte Hannah sich auf den schnellsten Weg nach Hause. Dort angekommen stand sie ewig vor ihrem Kleiderschrank und überlegte, was sie alles mitnehmen wollte. Normalerweise war das Packen noch nie so ein Problem für sie gewesen. Nach langem Überlegen, packte sie hauptsächlich Alltagskleidung ein und das blaue Kleid, das sie zusammen mit Maite in Irland gekauft hatte. Sie wollte sich zumindest für Maites Geburtstagsparty zurecht machen. Ganz vertieft in ihr Packen, bemerkte Hannah nicht, wie spät es schon war, als es an der Tür klingelte und Sandra die Tür öffnete: „Oh hi!"; sagte Sandra zu einer schlanken jungen Frau mit dunklen Haaren, die sie zu einem lockeren Pferdeschwanz zusammen trug. „Du musst Kira sein. Schön dich kennen zu lernen. Komm rein. Hannah ist in ihrem Zimmer." Kira stellte sich ebenfalls vor und folgte Sandra in die Wohnung, die Hannas Zimmer ansteuerte. „Hannah! Kira ist da." Wie vom Blitz getroffen schreckte Hannah hoch und ging ihren Freundinnen entgegen. „Ich habe die Zeit ganz vergessen. Hey, schön, dass du da bist." Sie begrüßte Kira mit einer Umarmung. „Nein, es hat alles gut geklappt. Die Zugfahrt war nur so anstrengend." „Willst du etwas essen oder trinken? Komm wir gehen in die Küche."

Die drei jungen Frauen saßen anschließend in der Küche und tranken Tee. Sandra war neugierig und bombardierte Kira mit Fragen, die sie freundlich und geduldig beantwortete. Die drei unterhielten sich blendend. Kira, die selbst studierte, interessierte sich sehr für die Studienfächer von Sandra und Hannah. „Den Job als Journalistin stelle ich mir irre interessant vor. Willst du dann lieber schreiben oder eher ins Fernsehen, Sandra?" „Am besten beides. Ich will mich da noch gar nicht festlegen. Ich schreibe echt gerne, aber so im Fernsehen...ist bestimmt auch echt cool. Aber jetzt mal Schluss mit dem Studiumgequatsche. Wie wollt ihr das Morgen anstellen? Habt ihr etwas geplant?" Hannah zuckte mit den Schultern: „Nein, ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wie das Morgen ablaufen soll. Du hast doch nicht etwas geplant, oder?", fragte sie zu Kira gewandt. „Nein eigentlich auch nicht. Ich dachte, wir gehen nach der Show einfach Backstage." „Das ist ja ein echt öder Auftritt. Bringt da mal ein bisschen Action rein." Hannah verdrehte die Augen. „Ich bin jetzt schon mega nervös und aufgeregt. Wenn ich Morgen ohne weiche Knie dort ankomme, bin ich zufrieden." Sandra legte ihr Kinn in ihre Hände und sah verträumt durch die Gegend. „Wie gerne wäre ich dabei. Ich würde zu gerne Paddys Gesicht sehen, wenn er dich sieht. Das wird bestimmt voll schnulzig und romantisch. Oh mein Gott, Kira. Du musst mir das danach alles erzählen. Hannah würde untertreiben, wenn sie von ihrem Wiedersehen mit Paddy erzählt." Kira lachte: „Am besten ich schieße ein paar Beweisfotos für dich." „Oh ja", jubelte Sandra und war von der Idee hellauf begeistert. „Das ist eine fabelhafte Idee." Hannah war empört: „Das ist doch nicht euer Ernst?" Die Mädchen lachten und ließen den Abend ausklingen.

Am nächsten Morgen war es soweit. Sandra brachte Kira und Hannah zum Bahnhof. Es war noch ziemlich früh und überhaupt nicht Hannahs Zeit, doch trotzdem war sie hellwach und viel zu aufgeregt, um noch an Schlaf zu denken. Im Zug döste Kira vor sich hin, während Hannah ständig aus dem Fenster starrte und ihre schweißnassen Hände knetete. Kurz bevor sie in den Mannheimer Bahnhof einrollten, rief Kira Tom an. „Hey ganz ruhig. Du zitterst ja richtig!" Besorgt musterte Kira Hannah, die sie entschuldigend ansah. „Es tut mir leid, ich kann einfach nichts dafür. So nervös war ich schon lange nicht mehr." „Immer mit der Ruhe. Es ist doch nichts dabei. Alles wird gut. Sie werden sich freuen und Paddy ganz besonders. Da bin ich mir ganz sicher."

Tom war superpünktlich und begrüßte die beiden Mädchen: „Hey ihr beiden. Schön euch zu sehen. Wir fahren auch gleich weiter. Hier, ich habe euch Backstagepässe besorgt. Nach der Aufzeichnung könnt ihr einfach nach hinten kommen. Ich habe euch auch Plätze weiter hinten besorgt, damit sie euch nicht im Publikum sehen." „Wow, danke Tom. Du hast wirklich an alles gedacht", sagte Kira und umarmte ihn. In der Halle angekommen nahmen Kira und Hannah ihre Plätze ein. Als der Auftritt der Kelly Family dran war, schlug Hannahs Herz bis zum Hals. Da saß er, an einem schwarzen Flügel, und performte zusammen mit seinen Geschwistern „One more Song." Hannah konnte nicht anders, als die ganze Zeit über zu grinsen. „Kira, das war wirklich eine gute Idee." Kira lächelte sie an und nickte. Nach mehreren Stunden war die Aufzeichnung zu Ende und Hannah merkte, wie ihr Puls raste. „Los, komm. Ich glaube wir können uns so langsam auf den Weg machen", sagte Kira und stand auf, dicht gefolgt von Hannah. Auf dem Weg zum Backstagebereich, hielt Hannah kurz inne: „Warte, ich muss nochmal kurz auf die Toilette." „Soll ich auf dich warten?" „Ach quatsch, ich finde dich schon. Geh schon mal vor. Wir sehen uns gleich." Schnell verschwand Hannah auf der Toilette. Sie stand am Waschbecken und trocknete sich die Hände ab, als Paddy anrief. Mit pochenden Herzen ging sie ans Telefon und verließ die Toilette in Richtung Backstage. „Hey." „Hey, ich wollte mich nur kurz mal bei dir melden." Hannah stellte sich dumm: „Ist die Aufzeichnung in Mannheim schon vorbei?" Paddy seufzte: „Ja, zum Glück. Das hat Stunden gedauert. Bist du in er Uni? Es schallt so bei dir." „Ehm...ja kann man so sagen." Hannah zeigte einem Sicherheitsmann wortlos ihren Backstagepass und ging durch eine schwere Metalltür. Auf dem Gang waren einige Menschen, unter ihnen erkannte sie auch Paddy, der mit dem Rücken zu ihr stand. „Weißt du eigentlich, dass die Schottenröcke echt gut stehen?" Hannah blieb stehen und betrachtete Paddy, der verwirrt schien. „Hä? Wie kommst du denn jetzt da drauf?" „Na, trägst du nicht gerade einen?" „Ja, aber...hä?" Hannah lachte. „Dreh dich mal um." Paddy tat, was Hannah sagte und erblickte sie, wie sie mitten im Flur stand und ihn anstrahlte. „Das ist nicht wahr!" Paddy nahm sein Handy vom Ohr und starrte Hannah ungläubig an. Ehe sich Hannah versah, fand sie sich in seiner Umarmung wieder. „Das glaub ich jetzt echt nicht. Du bist wirklich hier." Hannah lachte und drückte ihr Gesicht an seine Brust. Paddy drückte sie fest an sich und wiegte sie hin und her, ehe er sich ein wenig von ihr weg schob, um ihr ins Gesicht zu schauen. Hannah hob ihren Kopf und lächelte mit Paddy um die Wette, ehe er ihr Gesicht in seine Hände nahm und sie überschwänglich küsste. Hannah bekam weiche Knie und kaum noch Luft, doch sie achtete nicht drauf und verlor sich in Paddys Berührungen. „Und ist die Überraschung gelungen?", nuschelte Hannah zwischen zwei Küsse hinweg. „Ob sie gelungen ist? Natürlich. Ich kann es kaum glauben." Wieder suchte sein Mund ihre Lippen. „Los, komm. Wir gehen zu den anderen. Die werden Augen machen, wenn sie dich sehen." Er küsste Hannah auf die Stirn, bevor er einen Arm um ihre Taille legte und mit ihr gemeinsam zu seinen Geschwistern in die Kabine ging.

Zwischen Liebe und FreundschaftWo Geschichten leben. Entdecke jetzt