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Hannah wurde unsanft von der Türklingel geweckt. Sie saß die ganze Zeit im Wohnzimmer, bis sie irgendwann einnickte, um dann doch wieder hochzuschrecken. Ist das gestern wirklich alles wahr gewesen? Ihr Rücken und ihre Beine schmerzten, als sie zur Wohnungstür ging. „Heiliger Strohsack wie siehst du denn aus?" Hannahs Mutter stand mit Pad an der Tür. „Habt ihr gestern zu viel gefeiert?" Hannah nickte. Sie hatte keine Lust zu reden und die Vermutung ihrer Mutter kam ihr als perfekte Ausrede gerade gelegen. „Du kannst auch gleich wieder ins Bett, mein Liebes. Ich wollte dir nur Pad vorbeibringen. Sein Napf und alles andere sind hier in dem Beutel. Und für dich sind da auch ein paar Brötchen drin. Ich bin am Freitag wieder da. Melde dich, wenn was ist ok, Schätzchen?" Hannah nickte. „Und leg dich wieder hin. Du bist ja kreidebleich. Herr Gott, wie viel habt ihr denn getrunken?" „Ein paar Bier" krächzte Hannah, als ihre Mutter sie umarmte und ihr fürsorglich einen Tee in der Küche zubereitete. „Hier trink den und dann ab ins Bett mit dir. Ich melde mich heute Abend bei dir. Mach's gut." „Bis dann, Mama." Pad inspizierte derweil jedes Zimmer. „Los komm, Pad. Wir gehen ins Bett." Hannah schlürfte in ihr Zimmer, zog die Gardinen zu und legte sich mit ihren Klamotten ins Bett. Auf dem Handy sah sie einige Nachrichten von Sandra, Nora und Nicole, die sie nach und nach durchlaß:

„Oh nein Hannah! Wie geht es dir? Kai hat mich gerade angerufen. Er hat wohl mit Ben gesprochen. Willst du reden?" Du kannst dich jederzeit bei mir melden! Nora"

„Wenn was ist, ich bin für dich da. Nicole"

„Dieses Arschloch! Wie kann er es wagen dir so weh zutun? Ich erwürge ihn mit meinen bloßen Händen. Nein, besser. Ich werde ihn gewaltig in die Eier treten, dass er sein ganzes Leben nicht mehr an Sex denken kann. Ruf mich an! Sandra."

Wie von selbst antwortete Hannah auf die Nachrichten ihrer Freundinnen.

„Mach dir keine Sorgen, mir geht es gut. Ich will lieber alleine sein. Trotzdem danke Nora."

„Danke das weiß ich. Ich will jetzt aber einfach nur meine Ruhe."

„Das ist echt lieb von dir Sandra. Ich will jetzt aber mit niemanden reden. Ich melde mich, wenn mir danach ist. Mach dir keine Sorgen und genieß deinen Urlaub."

Nachdem die letzte SMS geschrieben war, stellte sie ihr Handy auf stumm, kuschelte sich an Pad und fiel erschöpft in einen traumlosen Schlaf.

Während sie schlief, versuchte auch Maite sie zu erreichen. Immerhin wollte sie sich melden, nachdem sie mit Ben gesprochen hatte. Geduldig ließ Maite es mehrere male Klingeln, doch vergebens. Sie probierte es mehrere Male am Tag. „Geht sie immer noch nicht ans Telefon?", fragte Paddy, der besorgt zu seiner Schwester schaute. „Nein, es geht immer nur die Mailbox ran. So langsam mache ich mir sorgen. Es ist echt selten, dass man Hannah nicht erreicht." „Hast du es denn schon bei ihrer Mutter probiert?" Maite rollte mit den Augen: „Was denkst du denn? So schlau war ich auch schon." „Schon gut, schon gut. Ich frage ja nur. Ich muss los. Joey wartet auf mich und bringt mich zum Flughafen." Paddy umarmte seine Schwester, die die Umarmung erwiderte. „Dann bis Donnerstag in Dortmund. Und du bist dir mit Joelle wirklich sicher?" Paddy nickte: „Es ist ihr nur fair gegenüber ehrlich zu sein, oder?" „Wirst du ihr denn sagen, dass du dich in Hannah verliebt hast?" Er zuckte mit den Schultern. „Vielleicht. Kommt auf die Situation an. Entscheide ich spontan." Paddy schnappte sich seine Tasche und stieg zu Joey ins Auto. Er war sich einer Sache noch nie so sicher, wie jetzt und wusste, dass er das richtige tat.

Hannah wachte erst abends wieder auf. Pad wurde langsam unruhig und musste dringend einmal vor die Tür. Verschlafen quälte sie sich aus dem Bett, zog sich Schuhe und eine Jacke an und ging mit Pad einmal um den Block. Einige Leute starrten sie an und musterten sie von oben bis unten, aber Hannah ignorierte sie. Geistesabwesend lief sie die Straßen entlang und blieb an den einen oder anderen Baum stehen, damit Pad sein Geschäft verrichten konnte. Als sie wieder vor ihrer Haustür ankam, schloss sie die Tür auf, gab Pad etwas zu essen und verkrümelte sich wieder in ihrem Zimmer. Es dämmerte draußen langsam, doch Hannah blieb wie angewurzelt in ihrem Bett liegen und ließ die Dunkelheit über sich ergehen. Hunger hatte sie auch keinen. Sie wurde kurz aus ihrer Trance gerissen, als das Display ihres Handys aufblinkte und ihr Zimmer für einen Moment erleuchtete. Sie griff danach und sah, dass Maite versucht hat sie mehrere male anzurufen und auch etliche Nachrichten geschrieben hatte. Gerade als sie die letzte Nachricht von Maite las, rief Maite auch an: „Na endlich! Ich dachte, bei dir ist sonst etwas passiert." „Hey, das ist ja eine nette Begrüßung." Maite stutzte: „Du klingst überhaupt nicht gut. Bist du krank?" Hannah seufzte, kam jedoch nicht zu Wort, weil Maite schon wieder drauf los redete. „Du bist krank. Ist Ben da, der dich pflegen kann oder jemand anderes?" „Maite, mach mal einen Punkt ich bin nicht krank, ok?" „Ok, keinen Grund gleich so auszuflippen." „Tut mir leid. Der Tag gestern war einfach scheiße." Ihre Stimme brach, was Maite nur noch mehr Angst einjagte: „Scheiße, was ist passiert?" Hannah erzählte ihr Bruchstücke vom gestrigen Gespräch mit Ben. Die Wiederholung schmerzte. „Das ist nicht dein fucking Ernst." „Wäre ich sonst so ein Wrack?", stellte Hannah die Gegenfrage. „Ich wünschte, ich wäre bei dir. So ein Mist, dass ich erst Ende der Woche in deiner Nähe bin. Ist denn Tina bei dir?" „Nein, Maite. Ist schon ok. Meine Mutter ist auf Dienstreise und eigentlich habe ich auch echt keine Lust auf Gesellschaft. Außerdem bin ich nicht ganz alleine. Pad ist da." „Oh in so einer Zeit, ist es gar nicht gut alleine zu sein. Mir gefällt das gar nicht", erwiderte Maite. Hannah lächelte müde. „Du bist schlimmer als meine Mutter. Soll ich mich jetzt jeden Tag bei dir melden?" „Das würde mich auf jeden Fall schon mal beruhigen." „Ok, ich rufe dich morgen an. Zufrieden?" „Einverstanden. Und wenn du dich nicht meldest, oh glaub mir, ich rufe dich auch aus dem Fernsehstudio aus an oder aus dem Tonstudio, glaub mir." „Ist gut." Hannah gähnte: „Ich geh dann mal wieder schlafen." Nachdem das Telefonat beendet war, trank Hannah noch einige Schlucke Wasser und schief schnell wieder ein.

Zwischen Liebe und FreundschaftWhere stories live. Discover now