57

451 23 0
                                    

Gestresst saß Hannah an ihrem Schreibtisch. Es war bereits Ende Februar und die Prüfungsphase hat begonnen. Neben ihr stapelten sich sämtliche Psychologiebücher und ihre Notizen erstreckten sich bis zu ihrem Bett. „Heiliger bimbam, wie sieht es denn hier aus?" Sandra betrat Hannahs Zimmer, nachdem sie nach mehreren Anklopfen nicht reagierte. Ohne, dass Hannah von ihren Notizen aufblickte, sagte sie: „Moment!" Sandra verdrehte die Augen und beobachtete Hannah, wie sie ihre letzten Notizen zu Ende schrieb. „So, jetzt. Was hast du gesagt?" Sandra versuchte sich einen Weg zum Bett zu bahnen und setzte sich. „Hannah, ich glaube du brauchst mal eine Pause. Du hockst hier schon den ganzen Tag drin. Willst du nicht mal etwas Essen? Hast du die Woche überhaupt schon mal was gegessen?" Hannah rieb sich die Augen. „Ich kann nicht. Ich muss noch die eine Hausarbeit fertig schreiben. Und natürlich habe ich gegessen!" Wie abgestimmt fing Hannahs Magen so laut an zu knurren, dass selbst Sandra dieses wahrnahm. Entschuldigend lächelte Hannah: „Ok, vielleicht hast du recht. Ich könnte wirklich eine Kleinigkeit vertragen. Ist noch Brot da? Dann mache ich..." „Nichts da! Du ziehst dir jetzt etwas halbwegs Vernünftiges an und dann gehen wir zu Luigi", unterbrauch Sandra ihre Freundin. „Sandra, ich habe nicht so viel Zeit." „Ein nein akzeptiere ich nicht. Du machst dich jetzt fertig, sonst studierst du nicht nur Psychologie, sondern wirst auch noch zum Psycho. Außerdem habe ich Nicole und Nora versprochen, dass sie dich auch mal wieder zu Gesicht bekommen. Also Hoppi Galoppi." Genervt stand Hannah von ihrem Schreibtisch auf. „Und schau nicht so genervt, junge Dame." Schmunzelnd warf Hannah ihrer Freundin ein „Ja, Mami." hinterher und suchte sich eine geeignete Jeans und einen Pullover aus dem Schrank.

Bei Luigi verschlang Hannah eine große Lasagne. Ihr Blick war bereits wieder in der Speisekarte verschwunden, um sich ein Dessert auszusuchen, als Nicole unauffällig Hannah anstupste. „Schau mal, wer der gerade reingekommen ist." „Was? Wer denn?" Hannah drehte sich zur Eingangstür und schaute direkt in Bens Gesicht, der sie ebenfalls erkannt hatte. Sie lächelte und winkte Ben zu. Über die Monate sind sich die beiden in Köln öfter mal über den Weg gelaufen, doch mehr als Smalltalk oder ein einfaches „Hallo!" beim Vorbeigehen war nicht drin. Hannah erstarrte jedoch, als sie bemerkte, dass Ben nicht alleine das Restaurant betreten hatte, sondern in Begleitung einer dunkelhaarigen jungen Frau war. Sandra und Nora folgten den Blicken von Hannah. „Oh, shit. Was machen die denn hier?", fragte Sandra eher sich selbst als die anderen und drehte sich schnell wieder um. Etwas unsicher legte Ben seine Hand um die Hüfte der jungen Frau und ging auf Hannah und ihre Freundinnen zu. „Hey, lange nicht gesehen." „Oh das ist ja eine Überraschung. Hallo Ben", erwiderte Sandra leicht sarkastisch. Die anderen begrüßten Ben ebenfalls. Eine peinliche Stille trat ein, die ausgerechnet von Hannah gebrochen wurde: „Hi, ich bin Hannah und du bist...?" fragte sie und streckte der Brünetten die Hand entgegen. Verwundert starrte Bens Begleitung Hannah an. „Oh, ehm...hi, ich bin Lisa. Ich habe schon viel von dir gehört." Bei diesen Worten suchte Lisa eindringlich den Blickkontakt zu Ben, der ihr jedoch auswich. „Ach, du bist Lisa? Schön dich kennen zu lernen. Ich kann leider nicht dasselbe von dir behaupten aber das, was ich von dir gehört habe, hat eigentlich gereicht." Gelassen lächelte sie Ben und Lisa an. Nicole verschluckte sich an ihrem Getränk und auch Nora und Sandra starrten schmunzelnd zwischen Hannah und Ben und Lisa hin und her. Lisa schaute hilfesuchend zu Ben, der sich räusperte: „Ehm ja, also dann euch noch einen guten Appetit. Man sieht sich." „Danke, lasst es euch schmecken." Ohne der Situation weitere Aufmerksamkeit zu schenken, studierte Hannah weiter die Speisekarte. „Teilt sich noch jemand mit mir ein Tiramisu?" Als sie keine Antwort bekam, sah sie zu ihren Freundinnen auf, die sie alle entgeistert anblickten. „Was ist?" „Dein Ex, mit dem du eine gefühlte Ewigkeit zusammen warst, taucht hier gerade mit seiner Ollen auf, mit der er dich betrogen hat, und alles, was du dazu sagst, ist >Lasst es euch schmecken?<" Nicole und Nora kriegten sich nicht mehr ein und fingen an zu lachen, während Hannah nicht begriff, was Sandra von ihr wollte. „Was soll ich denn machen? Ihr die Augen auskratzen oder was? Ich habe mit der Sache abgeschlossen. Mir ist es ziemlich egal, was Ben macht und mit wem." Hannahs Handy summte und versetzte ihr ein Lächeln ins Gesicht, als sie sah, dass Paddy ihr geschrieben hatte und tippte schnell auf ihrem Handy rum. „Wie gut, dass du Paddy hast. So ekelhaft gestrahlt hast du noch nicht mal bei Ben", neckte Sandra sie. „Bei jemanden wie Paddy, würde ich auch mit allem anderen abschließen. Hat er nicht noch einen Bruder, der nicht vergeben ist?" Hannah lachte. „Ich kann gerne mal bei Jimmy oder Joey nachharken, wenn du magst." Wann seht ihr euch denn wieder?", fragte Nora und griff nach der Speisekarte, die Hannah bereits bei Seite gelegt hatte." „Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht. Ich habe gerade so viel in der Uni zu tun und Paddy ist ja auch noch im Ausland auf Tour. Maite sagte etwas von April." „Was? So lange noch?", entgegenete Nicole. Hannah nickte. „Was meinst du warum ich so schnell wie möglich mit den ganzen Prüfungen durch sein will? Also teilt sich jetzt noch jemand mit mir das Tiramisu oder nicht?"

Später am Abend saß Hannah wieder an ihrem Schreibtisch. Mit dem Lernen kam sie nach dem Essen gut voran und sie musste sich eingestehen, dass Sandra recht hatte; eine Pause von all der Lernerei war dringend nötig. „Hannah! Oh mein Gott! Das musst du dir ansehen! Schnell!", ertönte es aus dem Wohnzimmer. Sandra klang so panisch, dass Hannah sofort aufsprang und ins Wohnzimmer raste. „Was ist? Ist was passiert?" Wortlos zeigte Sandra auf den Fernseher: „Die neun Mitglieder der Kelly Family legten eine Karriere hin, wie es sich viele wünschen. Von der Straße schafften sie es in die größten Hallen Deutschlands. In den Charts sind sie sich gar nicht mehr wegzudenken. Neben einem Doppeldeckerbus haben die Kellys auf einem Hausboot gelebt. Doch nun erfüllte sich das Familienoberhaupt Dan Kelly einen Traum und kaufte für seine Familie das Schloss Gymnich." Mit großen Augen glotze Hannah auf den Fernseher. „Hast du das gewusst?", fragte Sandra, die ebenso erstaunt war wie ihre Freundin. Fassungslos schüttelte sie den Kopf. „Nein, ich wusste rein gar nichts davon."

Zwischen Liebe und FreundschaftWhere stories live. Discover now