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Dank der vielen Helfer waren sie mit dem Umzug schneller als geplant fertig. Sichtlich geschafft von der Arbeit saßen alle zusammen im Wohnzimmer, gönnten sich ein Bier und warteten auf die Pizza, die sie bestellt hatten. Kai nahm einen ordentlichen Schluck aus seiner Flasche: „So, jetzt wo wir hier alles geschafft haben: Wann ist die Einweihungsparty?" Hannah und Sandra schauten sich an und zuckten gleichzeitig mit den Schultern. „Keine Ahnung, lass uns doch hier erstmal richtig ankommen", sagte Hannah und grinste. Sandra stimmte ihr zu: „Ich bin ab Morgen erstmal im Urlaub und danach können wir gerne weitersehen." Kai brummte: „Und ich habe mich schon so auf eine Party gefreut." Ben mischte sich ebenfalls in diese Unterhaltung ein: „Wenn ich umgezogen bin, feiern wir gleich eine fette Party in Münster." „Und das wäre wann?" „Nächste Woche würde ich sagen." Hannah schaute Ben verwundert an: „Ich dachte, du wolltest erst in zwei Wochen endgültig nach Münster ziehen?" Eine peinliche Stille trat unter den Freunden ein, während Hannah und Ben sich angriffslustig anfunkelten: „Ich habe es mir eben anders überlegt. Die erste Miete ist schon bezahlt und viel muss auch nicht mehr nach Münster kutschiert werden, als warum noch warten?" Hannah war zu geschockt, als dass sie etwas erwidern konnte, stand auf und griff sich einige leere Bierflaschen, um sie in die Küche zu räumen. Sandra folgte ihr und zischte Ben von der Seite an: „Du Vollidiot." Hannah stand in der Küche, die Hände auf der Spüle abgestützt. „Hey, alles ok?", fragte Sandra und streichelte ihr behutsam über die Schulter. „Offensichtlich nicht", zischte Hannah. Ihr war die Wut förmlich ins Gesicht geschrieben. „Ben macht mich noch wahnsinnig. Ich halte es nicht mehr aus. Gestern heule ich noch rum wegen diesem Penner und was macht er? Benimmt sich wie der letzte Arsch. Nicht mit mir. Ich habe die Schnauze voll. So lasse ich mich nicht mehr behandeln." Sandra, die solche impulsiven Ausbrüche von Hannah kannte, versuchte sie zu beschwichtigen. „Beruhige dich erstmal." „Nein Sandra, echt. Ich habe keinen Bock mehr auf diese Spielereien. Lässt du mich bitte kurz allein? Ich komme gleich wieder zu euch." Sandra nickte und ging aus der Küche. Währenddessen atmetet Hannah tief durch und versuchte ihre Wut zu unterdrücken. Dennoch hat sie sich vorgenommen heute Abend mit Ben Tacheles zu reden. So konnte es beim besten Willen nicht weiter gehen.

Der Abend verlief ohne weitere Zwischenfälle. Zu Hannahs Beruhigung war der Abend doch noch recht lustig. Nachdem sich alle verabschiedeten waren nur noch Sandra, Hannah und Ben da, die zusammen die leeren Pizzakartons und Bierflaschen in wegräumten. Schließlich verabschiedete sich auch Sandra von den beiden, da sie bei ihren Eltern übernachten wollte: „Also, wenn ich nächste Woche wiederkomme, hoffe ich, dass die Bude hier noch steht." Hannah lachte: „Keine Sorge! Ich will hier auch etwas länger wohnen bleiben." Nachdem Sandra gegangen war, saßen Hannah und Ben im Wohnzimmer und schwiegen sich an. Die Stille war unerträglich, doch sie wusste nicht wie sie ein Gespräch anfangen sollte. Vor allem wusste Hannah nicht, was sie überhaupt wollte. Vor ein paar Stunden war sie noch fest entschlossen und würde das ganze beenden, aber jetzt, wo die Stunde geschlagen hatte, verließ sie der Mut. Ben war der erste, der die Stille brach: „Hannah, ich glaube wir müssen reden." „Das glaube ich auch", sagte sie, während ihr Herz bis zum Hals schlug. „Wo soll ich nur anfangen?" Ben vergrub sein Gesicht in seinen Händen. Hannah beobachtete ihn. Als er jedoch nichts sagte, ergriff sie das Wort: „Irgendetwas stimmt nicht mehr zwischen uns, oder? Was ist passiert als ich in Irland war?" Ben schüttelte den Kopf: „Ich glaube, ich brauche eine Auszeit von unserer Beziehung." „Auszeit? Ich war eine Woche weg und jetzt brauchst du eine Auszeit? Warum? Was ist in dieser Woche passiert?" „Hannah, bitte zwing mich nicht dazu." Hannah merkte, wie es in ihr brodelte: „Meinst du nicht, ich habe ein Recht den Grund zu erfahren, warum du eine Auszeit brauchst?" Ben sah sie verzweifelt an: „Ich will dich nicht verletzen." „Pff, meinst du nicht, dass wir seit ein paar Minuten über ‚ich will dich nicht verletzen' hinaus sind?" Sie sah ihrem Freund an, dass es ihm nicht leichtfiel. Wie ein Häufchen Elend saß er da, dass es Hannah schon fast leidtat, aber sie wollte nicht nachgeben und schon gar kein Mitleid empfinden. Ben räusperte sich: „Ich habe da jemanden kennen gelernt. Und ich mag sie." Die Aussage traf Hannah wie ein Schlag. Natürlich hatte sie mit dem Schlimmsten gerechnet. Solche Worte jedoch direkt von Ben zu hören, waren für sie unerträglich. Sie sackte auf einem Sessel zusammen und verdrängte ihre Tränen. „Sag doch bitte was", flehte Ben, doch Hannah starrte in die Leere. Irgendwann fand Hannah ihre Stimme wieder: „Ist es diese Lisa?" Ben zögerte, nickte dann jedoch. „Seit wann?", fragte sie tonlos. „Hannah, bitte..." Hannah sprang auf und fing an zu toben: „Nichts Hannah, bitte. Wenn du noch ein bisschen Würde hast, dann erzählst du mir jetzt alles." Er schluckte und schüttelte den Kopf, doch Hannah sah ihn so eindringlich an, dass er keine andere Wahl hatte, alles zu erzählen. "Ich habe Lisa schon bei der Wohnungsbesichtigung in Münster kennen gelernt. Wir waren uns gleich sehr sympathisch. Schließlich war sie den einen Tag zufällig mit ein paar Freunden in der Bar aufgetaucht und dort haben wir uns länger unterhalten. Wir tauschten unsere Handynummern aus. Immerhin waren wir ja nun Nachbarn. Wir schrieben hin und her und telefonierten ab und zu. Letztendlich waren wir auch zusammen feiern. Letzte Woche als du in Irland warst, da haben wir zu viel getrunken...ich wollte das nicht." „Hast du mit ihr?...", fragte Hannah ohne Ben anzuschauen. Als sie jedoch keine Antwort bekam, suchte sie Bens Blick. Müde schaute er sie an und nickte. Hannah sah plötzlich alles rational: „Ok, das heißt, wenn du keine Zeit hattest, hast du dich mit ihr getroffen, der Stammgast, mit dem du dich so gut unterhalten hast, ebenfalls sie. Als du keine Zeit hattest mich vom Flughafen abzuholen, hast du dich wahrscheinlich auch mit ihr getroffen. Mit anderen Worten: Du hast dich in eine andere verliebt." „Hannah, bitte ich weiß es nicht, ok?" „Gut, dann präzisiere ich das jetzt einfach mal genauer; du hast mich betrogen. Sagt das nicht schon alles?" Ben ließ die Schultern hängen und erwiderte nichts. „Geh jetzt einfach", sagte Hannah und kämpfte mit den Tränen. „Hannah, ich..." „Verdammt nochmal geh!" Ben schnappte sich seine Jacke und ging Richtung Ausgang. Als er die Tür zum Gehen öffnete, drehte er sich nochmal zu Hannah: „Es tut mir leid, es ist einfach passiert. Glaub mir, ich wollte dir nicht weh tun. Ich habe dich wirklich geliebt" Mit diesen Worten verließ er die Wohnung. In Hannahs Ohren hallten immer wieder die Worte nach: „Ich habe dich geliebt." Ohne sich einen Millimeter zu bewegen saß sie auf dem Sessel, die Beine eng an ihren Körper gezogen, den Blick starr auf den Boden gerichtet. Nach einer Weile realisierte sie, was passiert war, wodurch alle Dämme brachen und sie in Tränen ausbrach.

Zwischen Liebe und FreundschaftWhere stories live. Discover now