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Am nächsten Tag war die Stimmung immer noch sehr angespannt unter den Geschwistern. Immerhin konnte die Situation einigermaßen geklärt werden, in dem Patricia zusammen mit Paddy beschlossen hatte, eine öffentliche Pressekonferenz auf Schloss Gymnich zu geben. Die Bedingung dabei war jedoch, dass vorerst keine weiteren Meldungen zu diesem Thema publiziert wurden. Auch Joey konnte mithilfe der Anwälte erreichen, dass vorerst in Interviews keine Fragen zu diesem Thema gestellt wurden. So wie es kommen musste, hielten sich nicht alle an die Abmachung und nahmen eine Klage in Kauf, als dass ihnen eine Topstory durch die Lappen ging.

Die Tour durch Europa nahm weiter ihren Lauf. Von Stadt zu Stadt reiste Maite mit ihrer Familie durch Spanien, Belgien, Portugal, Polen und Tschechien, bis ihr Weg Anfang April wieder nach Deutschland führte, wo nicht nur der Release für das neue Album wartete, sondern auch der vermeintliche Umzug nach Gymnich und die Pressekonferenz bevor stand. Während der Tour war es für Hannah unmöglich auch nur ein Wochenende Paddy zu besuchen. Zum einen musste sie zwei Klausuren nachschreiben, die sie nicht bestanden hatte, und zum anderen war auch Paddy zu beschäftigt und war der Meinung, Hannah nicht die Aufmerksamkeit zu schenken, die sie nach so langer Zeit verdient hätte. Hannah konnte dies nur sehr gut nachvollziehen, denn auch sie wäre mit den Gedanken ständig bei ihrem Studium gewesen. Auch Maites Wesen veränderte sich mit der Zeit. Sie telefonierte fast täglich mit Hannah, einfach um Dampf abzulassen. Die fröhlichen Anekdoten, die Maite sonst immer auf Lager hatte, verebbten und es war eine Seltenheit geworden, dass Hannah sie am Telefon lachen hörte. Hannah versuchte alles, was in ihrer Macht stand, um sowohl Maite als auch Paddy des Öfteren aufzuheitern. Einige Male gelang ihr dieses sogar. Sie hoffte inständig, dass sich die gesamte Familie nach der Europatour eine Pause gönnt, denn diese Situation zerrte ebenso an ihren Nerven. Den Abend vor dem großen Umzug, sprach Hannah mit Paddy: „Wie geht's dir?", fragte sie besorgt. „Mir geht es gut, alles super. Jetzt, wo wir auf dem Weg nach Deutschland sind, bessert sich die Stimmung. Aber genug von mir. Wie geht es dir?" Paddy versuchte fröhlich zu klingen und von seiner Situation abzulenken. „Bei mir ist alles gut. Ich hab die Prüfungsergebnisse gestern noch erhalten. Immerhin habe ich dieses mal bestanden." „Das ist doch super. Ich bin Stolz auf dich, Murmeltier." Hannah zögerte eine Weile und überlegte in der Zeit, ob sie fragen sollte, wann sie sich wiedersehen. Eigentlich war diese Frage nie ein Problem, doch tief in ihrem Inneren hatte sie Angst, dass wieder etwas dazwischen kommen und dadurch die Enttäuschung noch größer werden würde. „Hast du etwas auf den Herzen?", fragte Paddy einfühlsam, der Hannahs bedrückte Stimmung bemerkte. Sie seufzte und spielte gedankenverloren mit einem Stift. „Es ist nichts. Ich habe mich nur gefragt, ob wir die Zeit finden uns zu sehen. Jetzt wo ihr ja quasi in unmittelbarer Nähe seid." Was ist das denn für eine Frage? Natürlich, Ich kann dir zwar nicht versprechen, dass es nicht stressig sein wird, aber..." Paddy stockte. „Aber?" Hannah vernahm, wie er tief durchatmete: „Ich könnte es nicht ertragen, wenn ich weiß, dass du weniger als eine Autostunde entfernt wärst und wir uns nicht sehen." Hannah lächelte erleichtert. „Sag mir Bescheid, wenn du da bist und ich mache mich sofort auf den Weg." „Ich nehme dich beim Wort. Warte mal ganz kurz." Hannah hörte, wie Paddy mit einen seiner Geschwister redete. „Maite will mir dir reden. Ich sag dann schon mal Tschüss. Ich melde mich später nochmal bei dir, in Ordnung?" Hannah stimmte Paddy zu: „Dann gib sie mir mal." Hannah hörte ein müdes „Hey" am anderen Ende der Leitung. „Hey Maite. Wie geht's dir? Immer noch Kopfschmerzen?" „Ja, es wird aber langsam besser. Du musst mir Beistand leisten, wenn wir in Gymnich ankommen. Von mir aus, zieh mit ein. Dort ist genug Platz." Fassungslos gab Hannah ein hysterischen Lachen von sich: „Meinst du das Ernst?" „Bitte Hannah! Wenigstens den Tag vor der Pressekonferenz?" Hannah seufzte. „Warte mal ganz kurz." Sie ging zu ihrem Rucksack und holte ihren Kalender hervor, in den sie sämtliche Termine für ihr Studium eingetragen hatte. „Wann ist denn die Pressekonferenz?" „Nächsten Montag." Hannah studierte ihren Kalender und biss sich auf die Lippen, als sie sah, dass genau an diesem Tag das Einschreiben für die weiterführenden Psychologieseminare anfing. Fieberhaft versuchte sie zwischen Tür und Angel eine Lösung zu finden, die ihr und auch Maite gerecht wurde. Sie wollte ihre Freundin einfach nicht in Stich lassen, auch wenn das heißen würde, dass sie ihr Studium vernachlässigte. Schließlich stand Maite Hannah auch in allen Lebenslagen bei. „Hör zu, ich versuche es. Ich muss nur etwas mit der Uni abklären. Die Woche sind zum Glück noch Semesterferien." „Danke, danke, danke!", erwiderte Maite in einem Singsang, der schon eher nach der glücklichen und zufriedenen Maite klang. „Das wird schon. Kannst du mir Paddy nochmal geben?", fragte Hannah. „Klar, warte." Hannah nahm ein Rascheln wahr und hörte im Anschluss Paddys Stimme: „Na alles geklärt?" „Mhh, ja. Du, geht es Maite gut? Ich mache mir echt ein bisschen Sorgen um sie." Paddy seufzte. „Ich passe auf sie auf", war alles, was Paddy zu Maites Zustand sagte. Hannah bemerkte, dass es sinnlos war, weiter nachzuharken und wechselte das Thema. „Muss ich Tom Bescheid sagen oder kann ich einfach ins Schloss reinspazieren? Und muss ich ein Ballkleid anziehen?" Paddy lachte: „Das wäre bestimmt ein schöner Anblick, aber nein. Sag mir einfach Bescheid, wenn du da bist und ich hole dich am Tor ab. Ich freu mich." Hannah grinste in sich hinein. „Und ich mich erst! Also dann, ich melde mich, wenn ich dann da bin." Nachdem sich die beiden verabschiedeten, starrte Hannah auf ihren Kalender. Es war ihr ein Rätsel wie sie an zwei Orten gleichzeitig sein sollte.

Zwischen Liebe und FreundschaftWaar verhalen tot leven komen. Ontdek het nu