⁻ • prolog : bleib hier, bitte • ⁻

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Eine junge, leidenschaftliche Rothaarige saß allein in der Wohnung ihres Partners – oder vielleicht doch eher ihres "Freunds mit gewissen Vorzügen" oder sogar ihres Verlobten. Niemand konnte mit Sicherheit sagen, was genau zwischen ihnen war, außer den beiden selbst.

In diesem Moment jedoch befand sie sich zweifellos in völliger Einsamkeit. Das sanfte Klagen ihrer Geige erfüllte den Raum, während ab und zu der Klang eines herunterfallenden Schraubenschlüssels aus der Werkstatt unter der Wohnung zu ihr drang. Unter ihr befand sich eine Werkstatt, in der Autos, Motorräder und sogar Karts repariert wurden. Aber hier, in ihrer eigenen kleinen Welt, war sie sicher vor Nerv, Kletter oder der doppelten Präsenz, die zu ihrem Schicksal gehörten.

In den Räumen des "Nicht"-Verlobten, "Nicht"-Freunds oder was auch immer sie waren, konnte sie sich voll und ganz auf ihr Theaterstück konzentrieren. Vergeblich versuchte sie, sich die Klänge alter, sehr alter Musik auf ihrer Geige anzueignen, als hätte sie dies noch nie zuvor getan. Das letzte Mal, als sie diese Musik auf ihrer Geige spielte, war sie damit beschäftigt gewesen, das Hauptthema von Romeo und Julia für eine Aufführung in Lindenhof zu erlernen. Sie hatte sich intensiv mit dem Stück auseinandergesetzt. Aber nun galt ihre ganze Aufmerksamkeit dem Projekt für Frau Theobalds neunzigsten Geburtstag. Es hatte für sie höchste Priorität.

Die rothaarige Schönheit saß nun schon seit zwei Stunden in der von Autoöl und Pfannkuchen durchdrungenen Wohnung. Während sie den Bogen über die Saiten ihrer Geige führte, spürte sie langsam, wie Müdigkeit ihren Körper erfasste und ihre Konzentration schwand. Max strich ihr liebevoll mit dem Handrücken über die Stirn, um die kurzen, roten Babyhaare aus ihrem Gesicht zu streichen.

Doch als sie gerade wieder die Saiten berühren wollte, fiel ihr Blick auf etwas Rotes, das auf einer der Saiten haftete. Erschrocken ließ sie den Bogen fallen, der auf den ebenso roten Boden niedersank, und sprang von ihrem Stuhl auf. Ihre Hände waren mit roter Farbe – oder doch eher Blut? – befleckt. Blut, das sich an ihren Fingern, den Saiten und dem Boden abzeichnete. Ein unheimliches Gefühl überkam sie, als sie sich wie in einem Roman von Stephen King oder in einer Szene aus dem Film "Shining" fühlte, in der das Hotel von einer Welle aus Blut überflutet wird. Das war alles, was sie über den berühmten Schriftsteller und seine Filme wusste.

Max trat einen Schritt zurück und stieß dabei gegen einen Brustkorb. Erschrocken wich sie zurück und stützte sich mit ihrer rechten Hand an der Wand ab. Ihr Herz schlug wild und ihre Atmung beschleunigte sich. "Musst du dich so anschleichen?!" zischte sie sofort und atmete keuchend ein. Was zum Teufel war gerade geschehen? Verwirrt blickte sie auf ihre Hände hinab – kein Blut. Auch ihre Kleidung war frei von jeglichen Spuren. "Es tut mir leid... Ich wollte dich nicht erschrecken", entschuldigte sich Marlon, während er seine kleine Schwester besorgt ansah. "Aber wir haben ein Poltern von unten gehört und ich wollte sicherstellen, dass du nicht leblos auf dem Boden liegst."

Max wandte sich von ihm ab und warf noch einen letzten Blick in den Spiegel. Doch diesmal sah sie nur ihr eigenes erwachsenes Ich. Keine Anzeichen von ihrem jungen, kindlichen Gesicht oder irgendeinem Blut. "Geht es dir gut?", fragte Marlon besorgt, nicht mehr amüsiert über die seltsamen Vorkommnisse. Er neigte den Kopf leicht zur Seite, während Max unbewusst den Kopf schüttelte. Nein, nichts war gut! Sie hatte gerade erneut den schlimmsten Moment ihres Lebens durchlebt – wenn auch nur in Ausschnitten. "Bilde ich mir das nur ein oder hast du in letzter Zeit wirklich die schlimmsten Stimmungsschwankungen des Jahrhunderts?", fragte Marlon mit einer erhobenen Augenbraue, während er sich durch sein Haar fuhr.

Noch immer verwirrt lehnte sich Max in ihrem Stuhl zurück. "Hey, Maxine, soll ich dich allein lassen?", fragte er besorgt. Doch sofort sprudelte es aus Max heraus: "Nein! Bleib hier, bitte." Ihre Worte waren ein leises Murmeln, während sie ihren Blick auf die Geige richtete. Sie war unversehrt, weder mit Blut befleckt noch beschädigt. Eine erleichternde Tatsache, auch wenn sie in den letzten Jahren ein paar Kratzer hatte hinnehmen müssen. "Maxine?", rief Marlon nach seiner Schwester, doch sie war bereits zu ihm geeilt und warf sich in seine Arme. Sie presste ihr Gesicht an seine Brust und ließ die Tränen unaufhaltsam über ihre Wangen strömen. Die Intensität der Gefühle überwältigte sie, während sie sich an Marlon klammerte und sich von der Angst und Verwirrung der vergangenen Momente befreite.

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LE VIOLON || ᵈⁱᵉ ʷⁱˡᵈᵉⁿ ᵏᵉʳˡᵉWo Geschichten leben. Entdecke jetzt