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Plötzlich steht er vor mir. Riesengroß. Angst kommt innerhalb weniger Millisekunden in mir hoch. Ich kann nicht fliehen, er steht vor dem Eingang der Plattform, also greife ich ganz automatisch hinter meinen Rücken, um zur Verteidigung Dolch oder Bogen benutzen zu können. Doch da ist nichts, ich greife ins Leere. Der Schock steht mir ins Gesicht geschrieben und mir fällt wieder ein, dass wir die Waffen abgelegt haben. Hier oben sollte es eigentlich sicher sein, sagte Legolas. Moment mal, wo ist Legolas überhaupt? Hektisch sehe ich mich um. Dann sehe ich wie eine der unnatürlich großen Hände des Orks Legolas festhält. Er hält ihm mit der anderen Hand eine Axt an die Kehle. Womöglich könnte er Legolas auch einfach zerquetschen, doch will er mir Angst machen. Er droht mir: „Wenn du mich angreifen solltest, dann wird dein kleiner Freund hier", nun schaut er hämisch lachend in seine Hand wo Legolas regungslos, aber mit seinen Augen aufmerksam und vertraulich auf mich gerichtet, festsitzt, „... das ach so starke Elbenprinzlein, nie wieder zu dir zurückkehren." Ich sehe den Schmerz in Legolas' Augen und höre ein leichtes Aufstöhnen, als der Ork seine Hand fester um ihn schließt. Meine Angst gilt jetzt nur noch Legolas, ich muss ihn retten, nur wie? Ich sehe, wie nicht weit von mir mein Bogen und Pfeile liegen. Ich könnte es versuchen, nur wenn der Ork es bemerkt, ist Legolas verloren. Eine falsche Bewegung und alles wäre vorbei. Legolas hat wohl erkannt, woran ich gedacht habe, und nickt fast unerkennbar. Fragend schaue ich ihn an. Erst jetzt sehe ich, wie er seine Hand herauszwängen konnte und mit seinen Fingern ein kleines Kreuz auf genau eine Ader der Hand des Orks zeichnet. Zweifelnd und ängstlich, dass es schiefgehen könnte, sehe ich Legolas an. Dieser scheint jedoch sehr viel Vertrauen in die Sache zu haben und nickt nur noch bestimmt- und zuversichtlicher. Du hast nur eine Chance, denke ich mir. Du musst treffen und schnell genug an den Bogen kommen, ohne, dass der Ork etwas merkt. Wie könnte ich ihn ablenken? Das übernimmt allerdings Legolas für mich, denn er fängt plötzlich an zu reden: „Was würde dir mein Tod bringen?" Es zeigt seine Wirkung, denn der Ork sieht ihn, statt mich, verwirrt und stutzig an. Das ist der Moment, meine Chance. Ich springe geräuschlos zu dem Bogen, lege einen Pfeil ein und ziele. Ich muss treffen, wenn ich verschieße, ist es Legolas' sicherer Tod. Entweder durch diesen Pfeil, der nicht die Hand, sondern seinen Kopf treffen würde, oder durch die Axt des Orks. Wenn ich allerdings treffe, würde der Ork durch den Schreck Legolas fallen lassen und wir könnten ihn vielleicht besiegen. Hoffentlich. Aber ich habe keine andere Wahl. Jetzt oder nie. Und somit schieße ich die einzige Hoffnung an Legolas' Leben ab.

Der Pfeil hätte getroffen. Er wäre perfekt in die Ader eingestochen, wenn der Ork sich nicht plötzlich in Luft aufgelöst hätte. Und mit ihm Legolas. Ich sinke zusammen und höre noch, wie der Pfeil in den hölzernen Türbogen einsticht. Plötzlich greift etwas nach mir. Eine Hand umschließt mein Handgelenk. Ich versuche mich loszureißen, aber die Hand ist zu stark. Dann höre ich eine vertraute Stimme: „Was ist passiert?" Erschrocken starre ich in Legolas' Gesicht. Wie kann das sein? Ich habe doch gesehen, wie er verschwunden ist... und jetzt steht er hier? Schnell drehe ich meinen Kopf zu der Stelle, an der eben noch der Ork stand, um zu sehen, ob auch er wieder aufgetaucht ist. Aber da ist nichts außer meinem Pfeil.

Legolas zieht mich wieder hoch auf die Beine. Erst jetzt merke ich meinen schnellen Atem und mein rasendes Herz. Es fühlt sich an, als würde mein Herz jeden Moment explodieren oder aus meiner Brust herausspringen. Auch Legolas spürt meine Anspannung, legt sanft seine Hand auf mein pochendes Herz und sagt ruhig: „Alles gut, es war nicht echt, nur eine Halluzination, eine Einbildung." Ich spüre, wie sich die Wärme von Legolas' Hand in mir ausbreitet. Mein Atem und Herzschlag beruhigen sich langsam wieder. Endlich bin ich wieder fähig zu sprechen und stottere: „Aber... es... es war so... realistisch..." Ich sehe noch einmal zurück zum Eingang, sehe meinen Pfeil und fahre fort: „Ich... habe ja... sogar... geschossen." Legolas senkt seinen Blick weiter nach unten, deutet auf meine Hand und sagt: „Ja das hast du, möchtest du mir erzählen, was du gesehen hast?" Ich verfolge seinen Blick und sehe meine Hand, wie sie krampfhaft meinen Bogen umschließt. Auch das habe ich nicht bemerkt. Ich lege ihn zu den anderen Waffen zurück und wende mich dann wieder Legolas zu. Unsere Blicke treffen sich und ich zögere kurz, doch dann erzähle ich ihm alles. Jedes noch so kleine Detail.

Legolas hörte die ganze Zeit aufmerksam zu, sprach jedoch nicht ein einziges Wort. Erst als ich fertig bin, sagt er nachdenklich: „Solche Einbildungen entstehen meist durch irgendwelche Ängste, die damit in Verbindung stehen." Eine Weile schauen wir uns einfach nur tief in die Augen. Dann lasse ich meinen Blick hinaus in die Landschaft schweifen und überlege, was das für eine Angst sein könnte, von der Legolas sprach. Angst vor Orks könnte es sein, glaube ich jedoch eher weniger, denn wieso sollte Legolas dann darin vorkommen? Nein, es muss irgendwas mit Legolas zu tun haben. Ich versuche mich wieder in die Lage hineinzuversetzen, als Legolas dem Tod so nah war. Dann wird mir wieder klar, wie furchtbare Angst ich um ihn hatte, Angst, dass er stirbt. Ja, Angst davor, ihn zu verlieren. Ich glaube jetzt zu verstehen, was er vergangene Nacht über uns meinte und kann dem nur zustimmen.

Legolas & DuWo Geschichten leben. Entdecke jetzt