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Draußen angekommen werde ich dann doch wieder von meiner Neugier gepackt und frage: „Wer war eigentlich diese vermummte Gestalt? Kennst du sie oder ist sie auch dir fremd?" Legolas runzelt die Stirn und in seinem Gesicht steht wieder, wie soeben im Saal, tiefes Bedauern geschrieben:

„Vor langer Zeit waren Glornal, die vermummte Person, wie du sie nennst, sein richtiger Name ist Zimvar und ich gut, sehr gut befreundet. Doch mit der Zeit wurden wir älter und mussten unseren Aufgaben nachgehen. Ich wurde Kommandant der Palastwachen hier, des Düsterwaldes, und auch als Nachkomme meines Vaters wurde ich von ihm seine Aufgaben gelehrt. Ich war viel unterwegs. Sowohl im Auftrag meines Vaters als auch um meine Ortskenntnis zu erweitern. Somit kam es dazu, dass ich nur wenig bis gar keine Zeit mehr für die beiden hatte. Auch Glornal hatte viel zu tun, wie ich dir schon sagte ist er einer unserer besten Reiter und somit ein sehr gefragter Bote. Manchmal durften wir zusammen den Aufträgen meines Vaters nachgehen. Dadurch hält unsere Freundschaft bis heute an. Zimvar jedoch sah das nicht ein, er geriet in Eifersucht und stellte sich immer mehr gegen die Freundschaft. Wir haben stets versucht ihm das Kämpfen und Reiten zu lehren, so dass er eines Tages vielleicht mit uns zusammen, so wie früher, ausreiten und den Aufgaben nachgehen kann. Allerdings strebte er immer dagegen und bestand darauf nur das zu tun, was ihm lieb ist. Bis heute weiß ich nicht, was er unten in den Kerkern treibt, mein Vater sagt dazu, dass wir uns nicht mehr mit ihm abgeben sollen. Trotz des Hasses, den Zimvar auf uns und schließlich sogar auf dich, ausübt, kann ich die alten Zeiten nicht vergessen. Er war ein Freund und ich glaube tief in ihm steckt immer noch sein früheres Ich. Es ist nur verborgen vor dem ganzen negativen Getue."

Legolas seufzt, dann fährt er mit etwas gedämmter Stimme fort: „Aber dich anzugreifen oder allgemein zu drohen geht zu weit, viel zu weit. Da werde ich zornig und auch ich sage manchmal Sachen, die ich hinterher bereue. Damals hätte ich niemals gedacht, dass es jemals so weit kommen würde, dass ich mit gespanntem Bogen auf einen Freund zeigen müsse. Doch ich sah keinen anderen Ausweg, ich weiß nicht was in Zimvars Kopf vor sich geht... er hätte jeden Moment nach dir stechen können..." Dann schweigt er, den Blick gesenkt.

Ich weiß nicht recht was ich sagen soll, diese Geschichte hat mich überwältigt. Ich streiche mit meiner Hand über seinen Arm und sage mitfühlend: „Bestimmt wird er eines Tages wieder der, der er einmal war. Du hast das Richtige getan, zweifle nicht an dir. Ihr habt ihn nicht ausgeschlossen, sondern immer wieder versucht ihn mit einzubeziehen. Er war es, der sich abgewendet hat. Eines Tages wird Zimvar es vielleicht von selbst merken." Legolas richtet seinen Blick wieder zu mir auf und zeigt ein kleines, schmales, aber bedeutendes Lächeln. Ich erwidere es und füge hinzu: „Und jetzt lass' uns weg von diesen Gedanken, wir haben schließlich noch die Nachricht zu schreiben und uns auf Morgen vorzubereiten." Zustimmend nickend, und fast schon wieder bei guter Laune gehen wir los, um Schreibutensilien zu holen.

Dieses Mal gehen wir einen Weg, den ich schon kenne. Zu Legolas' Raum. Dort angekommen schaue ich mich verblüfft um. So schön ist es hier. Der Raum nebenan, in dem ich untergebracht wurde, ist ja schon faszinierend, doch ist er kein Vergleich zu diesem hier. Natürlich, es ist jenes eines Prinzen und das andere nur für Besuch, auch bei uns in Sternental ist es vom Aufbau und der Verteilung her ähnlich. Eigentlich hätte ich es mir denken können. Gewiss ist das Design der Möbel und der Farben bei mir zu Hause ganz anders, doch trotzdem gefällt es mir hier mindestens genauso gut. Hier, alles in grün und braun Tönen gehalten, ganz an den Wald angepasst. Dagegen bei uns vieles silbern, weiß, blau wie der Nachthimmel mit den vielen Sternen.

Legolas sieht mein Erstaunen und fragt lachend: „Gefällt es dir?" „Ja, es ist wunderschön.", antworte ich strahlend. „Das freut mich, leider bin ich nicht sehr häufig hier, meist nur um zu ruhen oder wie jetzt, um etwas zu schreiben, doch gefällt es mir auch sehr. Mein Vater hat es damals extra für mich bauen lassen. Ich bin schon gespannt, wie es bei dir in Sternental aussieht.", sagt Legolas. Daraufhin erkläre ich: „Ganz anders, bei uns ist alles dem Sternenhimmel in der Nacht angepasst, sowie bei euch hier mit dem Wald. Ich kann nicht sagen welches ich schöner finde, es ist beides auf seine eigene Art prächtig und atemberaubend." Legolas erwidert grinsend: „Du machst mich immer neugieriger. Aber gut, komm, setz dich." Er weist auf einen Stuhl und holt währenddessen Papier aus einem Fach „Fangen wir an, diese Nachricht zu verfassen."

Ganze zwei Stunden später ist der Text dann endlich fertig. Immer wieder mussten wir neu beginnen, weil wir einen Satz verändern wollten oder etwas vergaßen. Ständig formten wir die Worte um, damit wir die Situation, wenn es die Familie liest, nicht noch schlimmer machen. Zwischendurch gab es Pausen in denen wir erneut um den kleinen Jungen, Thomas, trauerten. Doch die Nachricht musste einfach perfekt werden, denn es ist das Einzige, was die Familie an Informationen hat. Wir ließen nichts aus, nicht mal das, worüber ich sprach als Thomas im Sterben lag. Alles, von dem Schrei, den wir von ihm vernahmen, bis vom Finden seines Briefes, schrieben wir auf.

Nach diesen zwei Stunden und mehreren Seiten Papier schreiben wir nun unsere Namen und Herkunft darunter, damit die Familie weiß, wo sie uns finden könnte, falls Bedarf sein sollte, und legen die Seiten dann sorgsam in einen Umschlag. Schweigend lassen wir uns in die Stühle zurückfallen und schauen auf den geschlossenen Umschlag. Das, die Nachricht zu schreiben, ist nun geschafft und es war schwerer als ich gedacht habe.

Legolas & DuOù les histoires vivent. Découvrez maintenant