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Alles geschieht wie in Zeitlupe. Ich sehe zu meiner größten Erleichterung, dass mein linker Arm, der den Bogen hält, schneller im Hochziehen war als meine rechte Hand, die den Pfeil losgelassen hat. Der Pfeil fliegt in sehr hohem Bogen und sticht dann weit über Legolas in einen Baum ein. Wieso habe ich nur so voreilig geschossen? Aus Angst? Aus Schrecken? Das darf nicht passieren! Es hätte Legolas' Tod sein können! Das wäre die schrecklichste Katastrophe aller Zeiten gewesen!

Ich sehe, wie Legolas zuerst erstaunt den Pfeil anschaut und dann seinen Blick auf mich richtet. Zu meinem Erstaunen winkt er mich eilig zu sich. Verwirrt gehe ich auf ihn zu, wenn auch ein bisschen langsam. Empört höre ich Legolas sagen: „Wieso schießt du auf mich?" Schüchtern und schuldbewusst stottere ich: „Ich... ich... wollte nicht... ich wusste nicht... ich dachte..." Ich finde nicht die richtigen Worte und mir wird immer unbehaglicher zumute. Legolas atmet laut aus und sagt dann: „Schon gut... komm, ich zeige dir, was ich gefunden habe." Von jetzt auf gleich breitet sich wieder Erleichterung in mir aus. Legolas' Stimme hat seit diesen Worten wieder den gleichen, ruhigen Klang wie sie zuvor immer zu mir war. Auch sein Verhalten und die Gestik strahlen wieder dieselbe Energie aus, wie zuvor und nicht mehr dieses unheimliche, abwesende Etwas.

Also folge ich ihm hinter die Gebüsche. Leise flüstere ich: „Sagte dein Vater nicht, wir sollten auf dem Weg bleiben und nicht davon abkommen?" „Wir kommen nicht davon ab solange wir noch wissen, wie wir dorthin zurück gelangen.", meint Legolas. „Wir gehen gleich wieder zurück zu den Pferden, aber ich denke, du solltest dir das hier ansehen." Er schiebt einen sehr weit nach unten hängenden, Blätter bewachsenen, Ast beiseite, damit ich durchgehen kann. Der Gestank, von dem wir redeten, bevor alles hier so düster wurde, wird immer stärker und unangenehmer. Somit kann ich mir schon denken welcher Anblick mich jeden Moment erwartet. Ein toter, verwester Ork. Und genau das ist es auch, so, wie Legolas von Anfang an vermutet hat. Mir wird immer schlechter bei diesem Gestank, doch jetzt auch noch den Körper dazu zu sehen macht alles noch um einiges schlimmer. Angeekelt bleibe ich stehen. Legolas jedoch huscht an mir vorbei und geht näher an die Leiche heran. „Komm näher und schau dir seine Wunde an.", sagt Legolas. Ich frage mich, was daran so besonders sein soll und setze ein fragwürdiges Gesicht auf. Legolas, der wohl bemerkte, dass ich ihm bei seinen Gedanken nicht folgen kann, erklärt: „Dieser Schnitt, er kommt von dem Schwert, von der Klinge, meines Vaters. Der Ork muss sich mit dieser Verletzung bis hierher geschleppt haben... Vielleicht wollte er noch versuchen zu fliehen... Ist dann aber schlussendlich doch verblutet." Dann verdüstert sich seine Miene und seine Stimme: „Vater würde niemals einen Ork nur halb töten, wenn er die Möglichkeit hätte es ganz zu tun. Irgendwas muss vorgefallen sein!" Schockiert schaue ich erst auf den Ork und dann wieder zu Legolas. Dann sage ich: „Du meinst doch nicht etwa..." „Doch, genau das meine ich, schnell, lass' uns weiter reiten, die Zeit wird knapp und es wird von Minute zu Minute gefährlicher!", antwortet Legolas hastig.

Schnell laufen wir zurück zu Arod und Pamina, die schon ungeduldig auf uns warten. Die Pferde verstehen schnell den Ernst der Lage und galoppieren, sofort nachdem wir aufsitzen, in voller Geschwindigkeit, los.

Es wird immer düsterer und ich habe das schreckliche Gefühl beobachtet zu werden. Wie lange will sich dieser Schleier noch halten? Wieso kam er überhaupt? Eigentlich ist es noch längst nicht Zeit dunkel zu werden, es ist doch mitten am Tag! Wo ist bloß die Sonne? Plötzlich höre ich wie Legolas vor mir ruft: „ACHTUNG!" Es ist ein bisschen verzerrt wegen des Windes, der durch die unglaubliche Geschwindigkeit, in der wir reiten, erzeugt wird. Gebannt schaue ich nach vorne, um die Ursache des Warnrufes zu finden. Doch kann ich nur Legolas erkennen. Er richtet sich in eine ganz bestimmte Position. Heißt das...? Ja richtig, genau in diesem Moment sehe ich wie Arod einen eleganten Sprung macht. Dort liegt ein großer, breiter Baumstamm quer über dem Weg. Oh nein, ... ich bin mit Pamina noch nie gesprungen! Keine Zeit, weiter darüber nachzudenken, wir müssen es einfach schaffen. Ich mache mich bereit. Wir kommen dem Baumstamm immer näher. Jetzt spüre ich etwas, ganz deutlich. Mut und unglaubliche Sicherheit steigen in mir hoch. Ich spüre wieder die Verbindung zu Pamina. Und dann stößt sie sich ab und es fühlt sich für diesen kurzen Moment, in dem wir in der Luft sind, an, als würden wir fliegen. Mal wieder vergeht alles in der Realität viel schneller als es sich anfühlt, denn als ich mir wieder bewusstwerde, was gerade Geschehen ist, sind wir schon längst weiter. In immer noch rasender Geschwindigkeit tätschle ich Paminas Hals. „Du hast es geschafft.", sage ich in meinen Gedanken zu ihr. Ich höre ein Wiehern ihrerseits, ob ich es mir nur eingebildet habe, ich weiß es nicht, doch ich verbessere mich mit: „Wir haben es geschafft." 

Legolas & DuWhere stories live. Discover now