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Gedanklich lasse ich das Tor zerbrechen, riesige Risse entstehen und ziehen sich über die massive Steinfassade. Ein bisschen noch, gleich ist es so weit. Ich öffne die Augen. Noch immer bin ich im Rausch der Kraft. Ich fokussiere das Tor und tatsächlich, es öffnet sich. Nicht so dramatisch wie in meiner Gedankenwelt. Kein Brechen, nur ein normales öffnen. Aber es hat funktioniert. Ich setze ein zufriedenes Lächeln auf. Jetzt kann der Kampf kommen, ich bin bereit dafür. Zielbewusst will ich durch den Spalt gehen, der sich geöffnet hat, doch Legolas hält mich noch im letzten Moment an der Hand fest. „Du willst da jetzt einfach so reingehen?", fragt er etwas skeptisch. Ich nicke: „Wenn nicht jetzt, wann dann? Legolas, wir haben schon genug Zeit gebraucht. Wer weiß wie es da oben aussieht? Wir bringen es zu Ende, jetzt sofort." Das ich etwas so selbstsicheres ausspreche, hätte ich mir vor unserer Reise nicht annähernd vorstellen können. Nun kommt auch Tauriel hinzu und legt ihre Hand ebenfalls zu unseren. „Los geht's! Retten wir Mittelerde.", sagt sie lächelnd. Ich erwidere ihr Lächeln und auch Legolas scheint nun bereit.

Der Spalt ist gerade breit genug, sodass eine Person hindurch schlüpfen könnte, weshalb wir nur nacheinander auf die andere Seite gelangen. Dort angekommen fällt sofort die stärkere Trist auf. Vorsichtig gehen wir durch den grünen Nebel und bereiten uns darauf vor, jeden Moment die Nebelgestalt zu Gesicht zu bekommen. Ich erinnere mich an die vielen Orks die hier Seite an Seite standen, als ich das erste Mal hierher gebracht wurde. Jetzt aber herrscht die stille Leere. Ich verenge die Augen zu Schlitzen, in der Hoffnung, so mehr zu erkennen. Aber das bringt nichts. Plötzlich ertönt ein ohrenbetäubendes Kreischen, genau rechts hinter mir. Sofort drehe ich mich in die Richtung und sehe das fürchterliche Szenario. Die Nebelgestalt hat Tauriel. Genauso wie damals mich hält die schwebende Hand Tauriel fest umschlungen. „NA SIEH MAL EINER AN, IHR WOLLT ES ALSO WIRKLICH WISSEN, WAS?", brüllt die Nebelgestalt und durch die Lautstärke rieseln kleine Steine von der Decke. „Lass sie sofort runter!", befehle ich. „WIESO SOLLTE ICH? EURE KLEINE FREUNDIN HAT NICHTS HIERMIT ZU TUN. SIE IST NUTZLOS, SOWOHL FÜR EUCH ALS AUCH FÜR MICH. ES WÜRDE NIEMANDEM SCHADEN WENN SIE STERBEN WÜRDE!", trotzt sie. Diese Antwort lässt mich verstummen. Ich habe von Anfang an gewusst es wäre eine schlechte Idee Tauriel mitkommen zu lassen. Unsere Väter sagten uns es sei nur unsere Aufgabe.. für alle anderen ist es zu gefährlich. Angsterfüllt guckt mich Tauriel an. Fast nach Hilfe schreiend, ohne einen weiteren Laut zu machen. Ich werfe einen Blick zu Legolas, dessen Augen fest an Tauriel haften. Allein wegen ihm könnte ich sie niemals sterben lassen. Dann bemerkt er meinen Blick und als wäre dadurch ein Schalter in meinem Kopf aktiviert worden, fällt mir etwas entscheidendes ein. Wärme, Licht, Sonne. Die Sonne vertreibt den Nebel. Aber hier im Düsterwald gibt es wenig Sonne, vor allem seitdem sich die Trist ausgebreitet hat waren Sonnenstrahlen etwas ziemlich unmögliches. Der perfekte Ort also für die Nebelgestalt. Und dann noch hier tief unter der Erde, wo sowieso kaum Licht hineinkommt und es kälter ist als in der Winterzeit. Die Luft hier unten muss sich erwärmen. Ich erinnere mich an einen Herbst vor vielen Jahren. Ich sah das erste Mal Nebel und wunderte mich über die verschleierte Welt die sich mir auf einmal bot als ich hinaus schaute. Ängstlich ging ich zu meinem Vater und er erklärte mir, dass ich davor keine Angst haben brauche. Der Nebel kann jeden Moment wieder verschwinden, es muss nur warm genug sein.

Ob dieses Prinzip auch bei der Nebelgestalt und ihrem seltsamen, schmutzigen Nebel funktioniert? Besser ausprobieren, als nichts tun, denke ich mir. Es muss schneller gehen, die Nebelgestalt drückt Tauriel immer fester und es sieht nicht gut für sie aus. „Sonne!", flüstere ich Legolas leise ober deutlich zu. Er nickt sofort. Vielleicht ist ihm diese Idee auch schon gekommen. Schnell schließe ich die Augen und warte auf Legolas' Informationen. Er stresst sich, ich fühle es. Die Verbindung ist nur schwach, ich hoffe sie reicht aus um mir die Fähigkeit zu überbringen. Ah, da ist es! Farbe.. rot? Schnell gehe ich alles durch. Werde ich in der Lage sein die Temperatur zu verändern? So schnell wie jetzt gearbeitet wurde, ging es noch nie. Aber wir haben keine andere Wahl. Ich öffne die Augen und spüre noch förmlich wie sich die Farbe in ihnen verändert. „HAHA, DIESES SPIEL SPIELST DU ALSO WIEDER?", spottet die Nebelgestalt. Ich achte gar nicht auf sie sondern fokussiere mich ganz auf die Hand, in der er Tauriel festhält. Tauriel keucht und es spiegelt sich Todesangst in ihren Augen. Ich habe keine Zeit meine eigenen Augen wieder zu schließen um die Fähigkeit anzuwenden.. es wird so klappen. Es muss einfach. Ich stelle mir fein bildlich vor, wie die einzelnen Wassertröpfchen des Nebels anfangen zu verdampfen. Wie all die Kälte diesen Raum verlässt. Ohne diese Handlung durchdachte zu haben oder zu wissen, dass es etwas bringen würde, hebe ich zur Verstärkung meine rechte Hand. Ich strecke sie Tauriel zu, versuche sie aus dem Griff der Nebelgestalt zu lösen. Es scheint zu funktionieren! Die Finger zucken erst und beginnen sich dann langsam zu lockern. Sie werden kleiner, durchscheinender. Und jetzt: Tauriel fällt. So schnell er kann läuft Legolas und versucht sie aufzufangen. Zu spät. Aber Tauriel ist sicher aufgekommen, trotz der Quetschungen und benommen Gliedern konnte sie sich abfangen. Ich jedoch lasse meinen eigenen Griff nicht los. Ich spüre wie die Nebelgestalt dagegen ankämpft, sie versucht meinen Einfluss zu bremsen. Das darf ich nicht zulassen. Ich nehme die andere Hand dazu und stoße die Kraft der Nebelgestalt so weiter fort. Unsere Einflüsse treffen aufeinander und bilden den großen Kontrast. Die Wärme gegen die Kälte, der Schein gegen die Trist, das Gute gegen das Böse. Es prallt aneinander und verschiebt sich Stück für Stück mal in die eine, aber auch in die andere Richtung. So verschieden und doch so ausgeglichen. 

Legolas & DuWhere stories live. Discover now