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„Was willst du von mir?", frage ich laut, deutlich und so mutig wie es nur geht. Trotzdem ist in meiner Stimme ein kleines zittern wahrzunehmen. Hoffentlich hört die Nebelgestalt dies nicht raus. „DAS WIRST DU NOCH FRÜH GENUG ERFAHREN.", hallt es durch den Raum, „VERSUCHE LIEBER NICHT DICH MIR ZU WIDERSETZEN. NUR SO ALS KLEINEN RATSCHLAG." Und dann lässt sie mich los. Ich falle bestimmt vier Meter in die Tiefe, aber da ich das schon kommen sehen habe, verletze ich mich bei dem Aufprall am Boden nicht, sondern komme elegant und fast schon ein wenig zu leicht auf. Noch bevor ich auch nur an eine Flucht denken konnte, taucht die Klaue wieder neben mir auf. „SCHLIEßE DIE AUGEN.", wird mir befohlen. Aber ich befolge der Anweisung nicht. Das wäre ja wohl auch unvergleichbar Lebensmüde. Ich wäre angreifbarer als je zuvor. „NUN GUT, WENN DU ES NICHT ANDERS WILLST.", erklingt die nun sehr viel gereiztere und zornigerer Stimme. Bevor ich reagieren konnte schnellt die Klaue um mich und nimmt mir jegliche Sicht. Abscheuliches brennen durchfährt meinen ganzen Körper. Aber besonders schlimm ist es in meinen Augen. Es fühlt sich an als würden sie von innen verbrennen. Ich will schreien, aber sobald ich meinen Mund öffne dringt mir das Nebel-Rauch-Gemisch in die Kehle und erstickt meinen Laut. Ich spüre wie ich angehoben werde. Ich vermute es zumindest, denn ich spüre keinen Boden mehr unter meinen Füßen. Was wird jetzt geschehen? Ich habe den Zorn der Nebelgestalt erweckt. War das ein großer Fehler? Was wird wohl die Folge sein? Ich spüre langsam wie der Rauch meine Gedanken verschleiert. Immer benommener Atme ich das widerliche Zeug ein und versuche die Kontrolle über meinen Körper zurückzuerlangen. Erfolglos.

Langsam komme ich wieder zu mir. Meine Augen haben aufgehört weh zutun. Aber dafür spüre ich ein greifendes ziehen an meinen Handgelenken und Fußknöcheln. Ich öffne meine Augen, die ich zuvor vor Schmerz geschlossen hatte, in der Hoffnung, sofort zu erkennen was los ist. Aber vergebens. Völlig gleich ob geschlossen oder offen. Es macht keinen Unterschied. Anscheinend wurde ich in den tiefsten und dunkelsten Kerker gesperrt den es gibt. Ich finde nirgendwo auch nur den Hauch einer Lichtquelle. Der nächste Schock. Ich kann mich nicht bewegen. Zumindest nicht viel. Nun spüre ich auch die kalte, unebene Wand an meinem Rücken. Die spitzen, massiven Steine bohren sich durch meine Kleidung in meine Haut. Meine Arme sind nach oben gestreckt, an den Handgelenken, mit einer Art Kette, fest an die Wand gedrückt. Kein Wunder, dass das schmerzt. Die Kette sitzt sehr fest und schneidet sich in meine Haut hinein. Bald werde ich meine Arme wohl nicht mehr spüren können, wenn sie so da oben festhängen. Auch an meinen Fußknöcheln befinden sich vermutlich Fesseln, so wie sich das anfühlt. Diese sind aber nicht komplett an die Wand angebracht, sondern nur miteinander. Damit könnte ich mich ein Stück weit Bewegen, würde ich nicht mit meinen Armen an der Wand hängen. Obwohl ich weiß, dass es nicht bringen wird, stemme ich mich mit aller Kraft gegen die Ketten. Ich will hier raus! Panik breitet sich in mir aus. Angst, für immer hier bleiben zu müssen, angst vergessen zu werden. Ungemütlicher hätte ich es mir wirklich nicht vorstellen können. Den Kopf hängen lassen flüstere ich hoffnungslos und leise: „Hilfe." Als plötzlich eine Stimme erklingt fahre ich so erschrocken wie noch nie hoch: „Hallo?" Ich hätte niemals geahnt, dass mir geantwortet werden könnte. Mein Herzschlag verzehnfacht sich von gleich auf jetzt und Adrenalin durchströmt jede noch so kleine Stelle meines Körpers. „Hallo? Ist da jemand?", erklingt die fremde Stimme wieder. Ganz irritiert und aufgeregt antworte ich, dieses Mal lauter und deutlicher: „Ja, hier, hallo?" „Du brauchst ja nicht gleich so zu schreien, ich bin direkt neben dir.", erklingt es plötzlich an meinem rechten Ohr. Erschrocken wende ich meinen Kopf in die Richtung. Vielleicht würde ich etwas erkennen können. Aber nein. Nichts als pure Finsternis. „Ich kann dich nicht sehen.", antworte ich somit vorsichtig und auch ein wenig eingeschüchtert. „Das ist ja auch kein wunder bei dieser Dunkelheit hier. Du bist neu hier, oder?", wird mir geantwortet. Bevor ich darauf reagiere überdenke ich kurz das Geschehen. Mit wem auch immer ich gerade spreche, diejenige Person, oder das Wesen, scheint schon länger als ich hier zu sein. Anhand der Stimme müsste es männlich sein, bei keinem weibliches Wesen wäre sie so tief. Aber die Stimme klingt angenehm und freundlich. Auch scheint es ungefähr gleich groß wie ich zu sein, sonst würde ich die Stimme nicht direkt neben mir Wahrnehmen, sondern ein Stück weit höher, oder sogar tiefer. „Hallo?", erklingt sie wieder und wirft mich somit aus meinen Gedanken. „Ja, ja ich bin neu.", antworte ich schnell. Ohne sich weiter beirren zu lassen kommt es zu der nächsten Frage: „Wieso bist du hier?" „Das selbe könnte ich dich fragen, aber vorher würde es mich mehr interessieren wer du bist.", antworte ich mit einem kleinen Grinsen im Gesicht. Das Gespräch tut mir gut. Es lenkt mich ein klein wenig ab. „Das gehört sich aber nicht. Eine Frage mich einer Gegenfrage zu kontern.", sagt es. Aber auch in seinem Klang erkenne ich, dass das Empören nicht hundert prozentig ernst gemeint ist.

Legolas & DuWhere stories live. Discover now