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„Am besten legen wir diese Nachricht direkt zu Thomas und geben Bescheid, dass es wichtig ist, dass dieser Umschlag bleibt, wo er ist und auch von der Familie gefunden wird.", sagt Legolas, während er aufsteht und nach dem Umschlag greift. Ich rühre mich immer noch nicht und starre weiterhin auf die Stelle. „Ich weiß es ist schwer für dich ihn wieder zu sehen, mir ergeht es nicht anders... aber wir müssen dies zusammen tun und Abschied nehmen möchtest du doch gewiss auch von ihm.", versucht Legolas mich zu motivieren. Ich muss von Thomas Abschied nehmen... ob ich das möchte, ist eine andere Frage, aber vielleicht macht es das alles einfacher. Wenn es für mich schon so schlimm ist... will ich gar nicht wissen wie sich die Familie fühlt, wenn sie ihn erblickt. Tatsächlich bin ich ein wenig froh darüber, in diesem Moment nicht dabei sein zu müssen. Ich wäre überhaupt keine Hilfe und würde wahrscheinlich alles nur noch viel schlimmer machen. Wie benommen stehe ich auf und gehe voraus, zum Eingang hinaus. Ohne jegliche Gesichtszüge.

Legolas, den ich einfach habe stehen lassen, kommt mit besorgter Mine hinterher. Er hält mich an beiden Händen fest und versucht mir in die Augen zu schauen. Ich jedoch weiche seinem Blick aus und sehe zu Boden. Ich höre ihn mit ein wenig trauriger und ganz leicht zerbrechlicher Stimme sagen: „Bitte... schau mich an...", entsetzt über den klang seiner Stimme, die ich noch nie als so traurig vernahm, sehe ich ganz langsam und vorsichtig hoch. Seine Augen glänzen und sind glasig. Noch nie sah ich ihn mit Tränen in den Augen. Ist es wegen mir? Weil ich ihn das erste Mal so abwies? Oder ebenfalls wegen Thomas? Wahrscheinlich beides, denn ich kann mich nicht daran erinnern ihn so bei Thomas Tod gesehen zu haben. Sofort schießen mir ebenfalls Tränen in die Augen und es tut mir schrecklich leid. Es ist eigentlich sehr selten, dass Elben weinen, wenn, dann hat es einen ganz bestimmten und bedeutenden Grund. Tränen in den Augen zu haben ist dann schon an der Grenze, jedoch nicht annähernd mit richtigem Weinen zu vergleichen. In Versuchung die Tränen hinunterzuschlucken und wieder eine stabile Stimme zu erlangen, fährt Legolas leiser fort: „Wir schaffen das, ja? Zusammen." Ich nicke leicht und versuche ein kleines Lächeln zu zeigen. Das Lächeln ist zwar nur sehr, sehr, wenig erkennbar, doch es zeigt verblüffende Wirkung, denn Legolas' Gesichtsausdruck hellt sich augenblicklich wieder etwas auf und die Tränen sind auch verschwunden.

Auf dem Weg zu Thomas erzählt mir Legolas von seinen bisherigen Erlebnissen. Es ist unglaublich, was er in all den Jahren tat, die ich nur in Sternental verbracht habe. Und ich hoffe, dass wenn ich morgen nach Sternental, zu meinem Vater, zurückkehre, dass er mich nicht weiterhin einsperrt. Jetzt weiß ich mich zu verteidigen und kann gut genug kämpfen und mit Legolas an meiner Seite... da kann mein Vater doch nicht nein sagen... oder? Moment... was, wenn wir getrennt werden? Was wenn ich doch wieder nur in Sternental verweilen muss und Legolas zurück hier her, in den Düsterwald, soll? Es kann doch sein, weil wir uns nach dem Plan unserer Väter noch nicht kennen lernen sollten, dass wir gar nichts mehr miteinander machen dürfen. Eine schreckliche Vorstellung! Legolas nimmt meinen plötzlichen Stimmungsumschwung wahr und fragt mich was los sei. Ich erkläre ihm daraufhin meine Bedenken. Auch seine Mimik ändert sich schlagartig, was mir zeigt, dass auch er noch nicht darüber nachgedacht hatte. Er versucht zu antworten, doch es ist deutlich rauszuhören, dass auch er sich dabei sehr unsicher ist: „Hoffen wir..., dass es nicht so sein wird..." Stumm nicke ich. Laut atmet Legolas aus und fügt dann hinzu: „So, wir sind da... er wird auf dem Bett liegen, als würde er schlafen, ja? Wir legen diese Nachricht dazu und verabschieden uns von ihm." Er hält mir seine Hand, als Zeichen dafür, dass wir das zusammen schaffen, hin und ich nehme sie entschlossen in meine. Einmal atme ich noch aus und schon treten wir ein.

Sofort fällt mein Blick auf Thomas der wirklich, so wie es Legolas zuvor sagte, aussieht, als würde er schlafen. Genauso wie vergangene Nacht. Nur wurde der Junge hübsch eingekleidet und gewaschen, was alles noch mehr nach schlafen aussehen lässt. Seine alte Kleidung liegt zusammengefaltet auf einem hölzernen Stuhl neben dem Bett. Genau dort legen wir auch unsere Nachricht hinauf als wir nähertreten. Ich versuche ruhig zu bleiben und nehme, für mich in meinen Gedanken, ganz leise, Abschied von ihm. Ich schaue in Thomas' Gesicht und sage in meinen Gedanken zu ihm: „Lieber Thomas, wir sind jetzt noch ein letztes Mal gekommen, um dir Lebewohl zu sagen, wir haben uns so gut wie es ging um dich gekümmert und es tut mir so unfassbar leid, dich jetzt allein lassen zu müssen. Doch wir müssen fort. Wir haben aber eine Nachricht für deine Familie hinterlassen, mit all den Geschehnissen der letzten Nacht. Einer der besten Reiter ist los, zu dir nach Hause, um deine Familie her zu holen, die wir dank deines Briefes in deinem Umhang ausfindig machen können. Dann bist du nicht mehr allein und kannst in allem Frieden zur Ruhe kommen. Ich denke an dich und werde dich niemals vergessen. Lebewohl." Dann wende ich mich ab und gehe, ohne mich noch einmal nach ihm umzudrehen, da ich befürchte, dass der Schmerz sonst stärker werden könnte, zu Legolas, der schon am Ausgang auf mich wartet.

Legolas & DuWo Geschichten leben. Entdecke jetzt