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Es stellt sich allerdings als komplizierter heraus als erwartet, die Blicke der anderen Elben zu ignorieren. Von allen Seiten ist wieder das Tuscheln zu hören: „Wo die beiden morgen zusammen hingehen würde mich interessieren.", „Warum ist bloß Glornal so schnell verschwunden?", „Wieso ist die Prinzessin Sternentals überhaupt hier bei uns?", „Wieso weicht der Prinz nie von ihrer Seite?"

Endlich ist der Ausgang nur noch ein paar Schritte entfernt. Legolas ist schon hindurch und ich trete gerade über die Türschwelle, als plötzlich... eine Hand nach mir greift und mich grob wieder in den Saal, in eine Ecke, zieht. Zieht ist noch viel zu freundlich ausgedrückt, denn ich wurde in die Ecke gestoßen, geschubst, so dass ich hinfiel und mich gerade noch mit den Händen abfangen konnte. Erschrocken und verwirrt schaue ich hoch, um zu sehen, wer die Person ist, die meint mich so zu behandeln und mich von Legolas wegzureißen. Doch ich kann niemanden erkennen, das Gesicht ist hinter einer Kapuze versteckt. Die vermummte Person ist in einen schwarzen Umhang gehüllt. So etwas ist für Elben überhaupt nicht üblich, also wieso ist er mir nicht vorher schon aufgefallen? Stand er die ganze Zeit hier im Schatten des Saales? Ich fühle mich sehr unbehaglich und möchte mich aufrichten und ganz schnell von hier verschwinden. Was will diese vermummte Gestalt von mir? Zu meinem größten Entsetzen zieht er plötzlich ein Schwert aus seinem Umgang, richtet es auf mich und spricht mit einer eiskalten, furchteinflößenden Stimme: „Versuche erst gar nicht zu entkommen." Dann lacht er hämisch, so wie der Ork aus meiner Einbildung, nur viel gehässiger, und fährt fort: „Ich will dir nichts Böses... nur ein paar Fragen habe ich an dich." Irgendetwas sagt mir, dass das nicht der Wahrheit entsprechen kann... aber was bleibt mir anderes übrig? Ich könnte meinen Bogen hervorziehen, jedoch würde dies gewiss viel zu lange dauern. In dieser Zeit könnte er mit seinem Schwert schon zwei Mal nach mir gestochen haben.

„So so, dann will ich dir die erste Frage stellen.", spricht er und nun kann ich ein wenig seiner Augen sehen. Sie sind starr auf mich gerichtet. „Was machst du hier im Düsterwald, im Palast von König Thranduil? Seit deiner Ankunft ist er fort und auch Prinz Legolas weicht nicht mehr von deiner Seite. Sprich!", fordert er. Lange Zeit starre ich nur zurück. Als er mir jedoch erneut mit dem Schwert droht und es gefährlich nah an meinem Oberkörper vorbei streifen lässt öffne ich den Mund zu einer Antwort. Gerade als ich das erste Wort sprechen will, wird es komplett still im Saal und mir wird das Wort genommen: „Das geht dich nichts an! Lass' sie in Ruhe und verschwinde von hier!" Erstaunt dreht sich der Vermummte um. Jetzt kann ich es sehen. Dort steht Legolas mit gespanntem Bogen, gerichtet auf den Kopf der Gestalt.

„Ich werde mich nicht wiederholen, jedoch bin ich jederzeit zum Schießen bereit, wenn du sie noch nur einmal berühren oder gar ansprechen solltest!", sagt Legolas zorniger denn je. Alle Augenpaare in diesem Saal sind auf uns drei gerichtet. Kaum einer wagt es zu atmen. Wenn es doch jemand tut, ist es laut hörbar. Sekunden fühlen sich an wie Minuten und Minuten wie Stunden. Ich weiß nicht, wie lange sie so dastehen, aber es fühlt sich an wie eine Ewigkeit. Irgendwann setzt der Vermummte ein gespieltes, falsches und kaltes Grinsen auf. Legolas allerdings behält so lange seinen todernsten Gesichtsausdruck bis sich die Gestalt endlich aus dem Saal bewegt.

Dann stürmt er auf mich zu und hilft mir hoch. Mitleidig sieht er mich an und sagt besorgt: „Hat er dir was angetan? Bist du verletzt?" Langsam schüttle ich den Kopf. Erleichterung blüht in Legolas' Gesicht auf. Er nimmt mich in den Arm, vor allen Elben hier, alle starren uns an, doch das ist mir im Moment egal. Ich höre Legolas flüstern: „Es tut mir so leid, ich hätte nicht so schnell fortlaufen sollen, ich hätte bei dir bleiben müssen. Nie wieder passiert mir so etwas, ich verspreche es dir." Dann seufzt er und atmet tief ein und aus. Ich kann es stark spüren, denn sein warmer Atem bläst leicht gegen meine Schulter. Ich streiche sanft mit meiner Hand über seinen Rücken und flüstere: „Alles ist gut, du kamst genau zur richtigen Zeit. Doch bitte lass' uns nun weg von hier. Ich mag nicht länger beobachtet werden." Sofort nimmt er meine Hand und wir gehen hinaus. In der anderen Hand hält er immer noch seinen Bogen und den Pfeil. Sorgsam, aber dennoch blitzschnell steckt er beides wieder zurück. Bei ihm würde kein Schwert schneller sein als diese Bewegung mit der er Dolch, Bogen und Pfeil hervorziehen und wieder zurückstecken kann, die Waffen fliegen ja praktisch in seine Hände. Durch diesen Gedanken muss ich lächeln und ich hoffe, dies irgendwann auch so gut beherrschen zu können. Auch Legolas fängt an zu grinsen und schreitet näher an mich heran. Ich frage mich, was ihn zum Grinsen bringt, doch wird das auch schon mit der nächsten Bewegung deutlich. Legolas fährt langsam mit seiner Hand durch mein Gesicht und streicht eine herausgefallene Haarsträhne zurück an ihren Platz. Dann schaut er mir tief in die Augen. Auch ich sehe in seine. Wieder verfalle ich ihnen. Ich könnte den ganzen Tag so dastehen.

Plötzlich werden wir unterbrochen. Erschrocken zucken wir zurück. Beschämt beiße ich mir auf die Unterlippe und schaue zu Boden. „Oh... ähm... entschuldigen Sie... ich wollte Sie nicht stören...", höre ich den Fremden sagen. Er kann nichts dafür, wir stehen nun einmal immer noch direkt vor dem Eingang. Dann sagt Legolas, auch seine Stimme klingt etwas verlegen: „Kein Problem, wir wollten uns gerade auf den Weg machen. Einen schönen Tag Ihnen noch." Und dann gehen wir, etwas schneller als normal, zurück durch die Gänge ins Freie.   

Legolas & DuWo Geschichten leben. Entdecke jetzt