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Ich wage es nicht hinter mich zu gucken, mein Blick ist starr noch vorn gerichtet. „Lauf!", schreit mein Gedächtnis und die ganze Welt hier dröhnt davon. Natürlich, denn diese Welt ist meine Gedächtnis. Wie kommt die Nebelgestalt hier überhaupt eigenwillig rein? „Lauf, schneller!", schreit meine Welt mir zu. Ich kann nicht schneller! Dann taucht auf einmal wieder die Lichtkugel vor mir auf. Ich dachte sie sei zerstört worden? Das bringt mich völlig aus dem Konzept. Ich stolpere und falle zu Boden. Solang dies überhaupt als Boden gelten kann, es ist ein einfaches Nichts in meiner Vorstellung. Die Lichtkugel ist mein Tod. Sie lies mich stürzen und jetzt hat mich die Nebelgestalt. Raus hier, ich will in der echten Welt sterben! Aber es funktioniert nicht, ich komme nicht weg. Ich werde noch panischer als ich sowieso schon bin. Gefangen und ausgeliefert. Die Nebelgestalt beugt sich nun siegessicher über mich. „DAS HÄTTEST DU DIR AUCH SPAREN KÖNNEN!", brüllt sie mir ins Gesicht. Ich erwidere nichts. Ich versuche nur zurück zu kommen. Irgendwie muss es doch gehen. Verzweifelt sehe ich von den roten Augen der Nebelgestalt zu der leuchtenden Kugel. Sie scheint heller als je zuvor. „Rette mich!", versuche ich ihr zu vermitteln. Natürlich wird mein Gedanke ausgesprochen, nicht aus meinem Mund, nein, es hallt ganz von alleine. Und genau da passiert es:

Es entsteht ein tiefer Spalt, wie eine Art Schlucht zieht es sich von der einen Seite zu der anderen und grenzt beide voneinander ab. Und ich liege genau in dessen Mitte. Ich falle. Falle tief, tiefer als die Nebelgestalt greifen kann. Doch meine Lichtkugel kommt mir hinterher geschossen. Ich falle immer noch, ich nehme an, dass ich unendlich fallen werde. Es wird kein Ende geben. Die Lichtkugel rauscht an mir vorbei, sie presst sich unter mich, ich spüre den Gegendruck. Und dann geht wärme in mir auf. Eine immer stärker werdende Hitze. Die Stelle, an der die Lichtkugel meinen Rücken hält, brennt förmlich. Sie sickert in mich ein. Und dann wird alles weiß.

Mit einem hektischen Atmen öffne ich meine Augen. Sofort richte ich mich auf und versuche mich zu orientieren. Ja, ich bin wieder in der richtigen Welt, aber die Hitze ist noch da. Die Nebelgestalt ist auch zurück. Immer noch steht sie in Kampfposition bereit. Ich dachte sie hätte mich schon besiegt? All der Schmerz nur Einbildung? Es ist alles sehr komisch und unverständlich, aber das kann ich mir auch noch nach meinem Sieg versuchen zu erklären! Ich fühle mich gestärkt, obwohl ich gerade so viel gelaufen sein musste. „Hey!", höre ich weiter rechts von mir. Auch die Nebelgestalt hat sich davon ablenken lassen. Es war Legoals. „Komm doch her, uns gibt es auch noch!", ruft er der Nebelgestalt zu. Will er sie provozieren? Und dann von links: „Ja genau! Hierher!" Tauriel. Sind sie verrückt geworden? Oder sie verschaffen mir Zeit, begreife ich. Kurz konzentriere ich mich auf mich selbst. Ich erschrecke als ich sehe, welch Licht ich ausstoße. Ich strahle richtig! Ich werfe wieder einen Blick zu Legolas. Dieser fokussiert mich ebenfalls kurz und nickt gewissenhaft. Er weiß Bescheid. Wie auch immer er so was erfährt, er weiß mehr als ich. Das Ablenkungsmanöver ist vorbei und die Nebelgestalt hat nun wieder das alleinige Interesse an mir. Auch sie registriert nun das Licht, welches von mir ausgeht. Ich lächle heimtückisch als mir auffällt, dass sich die Nebelgestalt mir nicht mehr nähern kann. In meiner unmittelbaren Reichweite ist es zu heiß für sie. Ihre Existenz, der Nebel, würde schwinden. Jetzt spüre ich auch das fremde Pochen in meinem Körper und ich erinnere mich an den letzten Moment von eben. Die Lichtkugel. Sie muss in meinen Körper eingedrungen sein, sie gibt mir die Kraft weiter zu machen, sie ist meine Fähigkeit, sie ist Teil unserer Bestimmung. Und das war sie von Anfang an. Durch diese Erkenntnis noch um einiges mehr gestärkt hebe ich die Arme und gehe drängend auf die Nebelgestalt zu. Durch die Bewegung stoße ich weiteres Licht und somit Wärme aus. Die Dunkelheit und Kälte verlässt den Raum und klare Sicht entsteht. Die Nebelgestalt flüchtet in die letzte Ecke und macht sich ganz klein. Sie ist gerade noch so groß wie ein Kind und da bleibe ich, ihr den Weg versperrend, stehen. „Noch letzte Worte?", frage nun ich provozierend. Sie sagt etwas ohne sich zu rühren, es klingt unheimlich und verschwörerisch: „Du wirst auf ewig meinen Fluch in dir tragen. Du kannst meine Trist nicht ganz vertreiben. Äußerlich vielleicht, aber ich werde auf ewig Bestandteil von dir bleiben. Du bist-.." Da wurde es mir zu viel. Ich nehme all meine Konzentration und Kraft zusammen und lenke sie auf diesen einen Punkt. Ich spüre gleichzeitig noch, wie Legolas und Tauriel rechts und links neben mich treten. Sie stützen mich und vor allem Legolas kombiniert meine Kraft. Ihnen scheint die Hitze nichts auszumachen. Ich atme tief vor dem letzten Schlag ein. Legolas streckt ebenfalls seinen Arm aus, umfasst meine eine, ausgestreckte Hand und die andere richtet er auch zur Nebelgestalt aus. Mit seiner Berührung durchfährt mich noch mehr Energie. Ich spüre wie ich davon beinahe zu explodieren drohe. Und dann lasse ich los, den kleinen, winzigen Faden, der alles gebündelt hielt, reißt und alles landet mit voller Wucht gegen die Ecke, auf die Nebelgestalt.

Dann falle auch ich wieder. Nun nur noch flach atmend lasse ich mich von Legolas auffangen. Ich tue mich schwer die Augen offen zu halten, doch ich sehe noch gut genug, wie leer die Ecke nun ist. Wir haben es geschafft, denke ich glücklich. Egal wie wenig Kraft mir bleibt, ganz gleich wie schwach ich durch diese Aktion wurde, es ist vorbei. Schwer hebe ich den Kopf, lasse ihn aber sofort wieder sinken als sich die Kopfschmerzen bemerkbar machen. „Sie ist weg, tot, ausgelöscht, du hast es geschafft!", flüstert Tauriel lobend und ich höre wie erleichtert sie ist. „Wir..", kratzt meine Stimme hervor. Wir, nicht ich alleine. Ohne alle anderen hätte ich es nicht geschafft. „Wir müssen sie so schnell wie möglich nach Hause bringen, ihr Herz schlägt nur noch ganz schwach. Und sie ist kalt, und das obwohl hier nun die Wärme herrscht und diese von ihr ausging. Die Kraft hat sie verlassen.", höre ich Legolas ernst doch gleichzeitig besorgt zu Tauriel sagen. Vielleicht ist dies der Moment, in dem ich sterbe. Aber ich spüre wie gleichgültig dies dem einen Teil meines Verstandes ist. Er sagt, ich hätte meine Aufgabe erledigt und es wäre in Ordnung so. Der andere Teil allerdings möchte leben, weiter leben, länger leben. Leben mit ihm. Mit Legolas. Ich versuche gegen die Taubheit und Schwärze anzukämpfen, die sich in mir ausbreitet. Ich spüre kaum noch was um mich herum passiert und meine Augen sind schon längst geschlossen. Das Letzte, was ich fühlte, war, wie sich Arme um mich schlossen und dann das Schaukeln, welches durch Laufen verursacht werden könnte. Zwischen den Anzeichen der Bewusstlosigkeit finde ich noch einen letzten Anhaltspunkt. „Die anderen Gefangenen.. rettet sie, bitte!", versuche ich zu sagen. Ich habe keine Ahnung ob sich überhaupt meine Lippen bewegt haben oder ob auch nur der kleinste Laut aus mir kam. Ich kann nur hoffen, dass sie mich gehört und verstanden haben. Es lohnt sich nicht mehr zu kämpfen, der wahre Kampf ist vorbei. Ob ich wieder aufwachen werde liegt nicht an meiner jetzigen Willenskraft. Im Moment bin ich zu schwach. Nun schwindet auch das Bild von Taavi. Es zerfällt in Einzelteile, vermischt sich mit dem Nichts und ich falle in tiefen Schlaf. Schlaf, der unendlich gehen kann und Bewusstlosigkeit, die darin übergeht.

Legolas & DuOnde histórias criam vida. Descubra agora