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Jimin

Ruhig lauschte ich den spielenden Böen draußen, die die weißen, flockigen Schneekügelchen durch die Luft tanzen und die kahlen Sträucher wie harte Paukenschläge immer wieder gegen das von zartem Rot betünchten Vorhängen umgebende große Fenster klirren ließen.

Meine ganze Aufmerksamkeit lag auf diesen winzigen Schönheiten der Natur, während ich die sich ausbreitende Stille zwischen Yoongi und mir schlicht zu ignorieren versuchte.

Noch immer lagen wir im Bett, diesmal eng aneinander gekuschelt und Arm in Arm. Es hatte mich einige Zeit gekostet, um wieder vollständig Herr über mich und meinen Körper zu werden, jedoch war ich so ausgelaugt gewesen, dass ich kein Wort der Widerrede verlor, als mich Yoongi mit einem sanften Griff an meinem Arm wieder zurück auf die noch warmen Laken zog.

Seitdem hatte er seine Umarmung nicht ein bisschen gelockert und obwohl ich mir nichts schöneres hätte vorstellen können, nagte die Unruhe an mir. Dabei wusste ich selbst nicht genau, warum. An sich war doch alles wieder gut, oder?

Alles in mir, jede noch so kleine Faser verlangte nach einer Bestätigung, nach einer positiven Antwort, aber ich war mir nicht sicher, ob ich sie mir selbst geben konnte...

Denn irgendwas an der jetzigen Situation ließ mein Herz nicht in dem wunderbar stetigen Rhythmus schlagen, den ich gewöhnt war. Aber wirklich wissen, warum es das nicht tat, wollte ich irgendwie auch nicht; dafür war die Stille um uns herum viel zu kostbar, viel zu ruhig, als dass ich es riskieren würde dieses einmalige Geschenk wieder aufs Spiel zu setzen.

Dabei schien ich mal wieder etwas ganz eindeutig zu vergessen: ich war nicht allein und nichts, aber auch gar nichts, verlief jemals so wie ich es mir wünschte...

Und so war es irgendwie auch kein Wunder, dass es genau Yoongis sanfte Stimme war, die jegliche Ruhe vertrieb.

„Jimin?" Lediglich mein Name schlüpfte weich klingend über seine zartrosa Lippen; eine Frage und gleichzeitig spürte ich den verzweifelten Wunsch nach Antworten hinter diesem simplen Wort.

Für einen kurzen Augenblick sträubte sich alles in mir ihm zu antworten. Ich könnte ja einfach so tun, als wäre ich vor Erschöpfung eingeschlafen, dann müssten ich den Schmerz der Antworten nicht noch einmal ertragen. Ich müsste einfach nur meine Augen schließen, meine Atmung gleichmäßig und tief halten und....

Nein!

Von mir selbst überrascht hielt ich einen Moment die Luft an, erschrocken über meinen eigenen Gedankengang.

Feige.... ja, ich dachte grade wie ein widerwärtiger Feigling, der es nicht auf die Reihe bekam auch nur ein Fünkchen Mut aufzubringen, um sich einer unangenehmen Situation zu stellen. Aber der Mut würde mich auch nicht vor meinem Abgrund schützen, eher würde er mir den letzten Stoß geben. War es dann nicht vielleicht doch besser einfach mal feige zu sein? Wegzurennen und mal nur an sich zu denken?

Und da hatten wir es wieder....

Ich dachte nur an mich selber, an mein Wohl und an meinen Schmerz...

Aber was war mit Yoongi? Er hatte es nicht verdient erneut nur mit Schweigen gestraft zu werden, hatte es nicht verdient immer an zweiter Stelle zu stehen. Er gab so unendlich viel für mich und ich? Ich dachte sofort wieder ans Weglaufen, wobei lediglich mein Name über seine Lippen gekommen war.

Genau deshalb nickte ich beinahe unmerklich mit dem Kopf, gab ihm somit die Erlaubnis weiter in der eitrigen Wunde meines Lebens zu bohren und verdammte mich still verfluchend zum Ertragen. Für ihn.

𝑀𝑖𝑟𝑟𝑜𝑟 | 𝑌𝑜𝑜𝑛𝑚𝑖𝑛 |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt