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Jimin

Die Anhörung war ein heilloses Chaos. Zumindest in meinem Kopf schien ab dem Moment als ich meinen Vater nach ganzen fünf Wochen zum ersten Mal wiederbegegnete nichts mehr seinen ursprünglichen Platz zu haben.

Sein Anblick brachte mich so sehr aus der Fassung, dass ich es einzig durch Yoongis Führung schaffte sicher an meinem Platz anzukommen. Und seit meine Beine dem Gewicht meines Körpers nicht mehr standhalten konnten und ich mich ächzend in den Stuhl fallen ließ, verließen meine geweiteten Augen keine Sekunde die Gestalt meines Vaters.

Es war schrecklich.

Nicht, dass ich vor Angst zitterte, es war vielmehr der Horror der Realität, der mich vollkommen aus der Fassung brachte.

In den letzten Wochen hatte ich so oft darüber nachgedacht, was passieren würde, wenn ich meinen Vater nach all dem zum ersten Mal wieder gegenübertrat.

Ich hatte mit Angst gerechnet.

Mit Wut und Hass.

Ungläubigkeit.

Unwohlsein.

Aber alles, was ich in diesem Moment empfinden konnte, war Verzweiflung.

Verzweiflung und........

Schuld.

Ich empfand Schuld, als ich die zusammengesunkene Gestalt meines Vaters sah, seine tiefen Augenringe und das eingefallene, unrasierte Gesicht. Sein Blick war dauerhaft gesenkt, als könnte er selbst nicht ertragen auch nur irgendjemanden in die Augen zu sehen.

Es schnürte mir die Kehle zu, ließ mich bereuen.

Bereuen, dass ich eine Aussage bei der Polizei gemacht hatte, die uns einzig nur an diesen Ort geführt hatte.

Bereuen, dass ich so unvorsichtig den Bilderrahmen offen für jedermann sichtbar liegen lassen hatte.

Bereuen, dass mein Herz nicht für eines der unzähligen Mädchen gefallen war, auch wenn Yoongi mich nicht glücklicher machen könnte.

Bereuen, dass ich niemals der Sohn sein konnte, den mein Vater sich erhofft hatte.

Bereuen, dass alles so maßlos schiefgelaufen war.

Und nun war ich hier, hörte mit pochendem Herzen zu wie der Staatsanwalt die einzelnen Anklagepunkte vorbrachte und das grobe Geschehen in so monotonen Worten wiedergab, dass ich am liebsten schreiend dazwischengefunkt hätte.

Meine Finger bebten bereits vor all den unterdrückten Gefühlen und meine Wimpern schienen vor ungeweinten Tränen zu kleben, doch egal wie groß der Drang war etwas zu sagen, dem ganzen zu entfliehen, ich konnte mich nicht rühren.

Selbst dann nicht als eine tiefe Männerstimme mich in den Zeugenstand rief.

„Park Jimin?" Erschrocken zuckte ich auf, mein Blick fiel wie automatisch auf den Mann mittleren Alters am anderen Ende des Raumes, seine Kleidung zeichnete ihn deutlich als den heutigen Richter aus.

Hastig kämpfte ich mich auf meine wackelnden Beine, verbeugte mich entschuldigend, bevor ich mir meinen Weg zu dem ausgewiesenen Platz für die Zeugen kämpfte. Dabei hielt ich meine Augen krampfhaft gesenkt, konzentrierte mich auf meinen stolpernden Atem anstatt auf all die möglichen Fragen, die bald auf mich zustürmen würden.

Als ich schließlich an dem vorhergesehenen Platz saß, kehrte für einige Sekunden eine gespenstische Ruhe im Saal ein. Ich konnte förmlich die Blicke all jener Zuschauer auf mir spüren, wie sie wissend auf mir lagen oder mich praktisch zu durchbohren schienen.

𝑀𝑖𝑟𝑟𝑜𝑟 | 𝑌𝑜𝑜𝑛𝑚𝑖𝑛 |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt