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Jimin

Blinzelnd öffnete ich meine Augen und spürte sofort das Ziehen meiner Muskeln in meinem gesamten Körper, das mich wünschen ließ diesen Tag doch einfach im Bett zu verbringen. Allgemein fühlte ich mich wie gerädert und musste fast kichern, da das mittlerweile ja eigentlich schon zum Dauerzustand geworden war. Dennoch hatte ich keine andere Wahl als aufzustehen und so schlug ich wie jeden Morgen die dicke Decke von meinem Körper und fröstelte als die kühle Luft meines Zimmers auf meine erwärmte Haut traf. Schnell schnappte ich mir meinen flauschigen Bademantel und tapste dann schlaftrunken aus meinem noch dunklen Zimmer nach unten, wo ich erst einen Moment innehielt um zu lauschen, ob sich jemand in der Küche befand. 

Doch zu meinem Glück war Mom diesmal nicht dort, um das Frühstück vorzubereiten und so schlich ich auf leisen Sohlen in den leeren Raum und suchte mir schnell eine kleine Schale, in die ich ein wenig Müsli schüttete, bevor ich die Milch darüber gab. Seufzend ließ ich mich auf einen der Holzstühle fallen und schaufelte mir lustlos die Haferflocken in den Mund. Eigentlich hatte ich keinen Hunger, doch ich hatte meine Lektion gestern gelernt, weswegen ich mich nun einfach zwang etwas zu mir zu nehmen.

Ich aß grade den letzten Bissen, als ich das leichte Quietschen der Badtür ganz in der Nähe vernahm und so beeilte ich mich ein wenig, die Sachen wieder wegzustellen und dann schnell aus der Küche zu verschwinden, um Mom ja nicht zu begegnen. Eigentlich war es traurig, dass ich sie so mied, vor allem da wir sonst immer einen guten Draht zueinander gehabt hatten, aber seit dem Gespräch vor zwei Tagen hielt ich es kaum noch in ihrer Nähe aus. Sie tat einfach so als wäre nichts geschehen, als hätte ich ihr nicht erzählt wie kaputt mich die Alkoholkrankheit meines Vaters eigentlich machte und das verletzte mich. Ich nahm es ihr übel, dass sie es einfach ignorierte und deswegen mied ich sie so gut es ging. Auch Dad ging ich aus dem Weg, aber das war schon fast Normalität und auch so sah ich ihn nicht wirklich oft, da er den größten Teil des Tages auf Arbeit verbrachte und dann hier auch nicht wirklich Interesse an mir zeigte. Es war fast schon zum Lachen, wie wir nach außen hin so taten als wären wir eine richtige Familie, uns im Endeffekt aber wie streitende Nachbarn in einem gemeinsamen Haushalt verhielten. 

Ich wartete im dunklen Türrahmen des Wohnzimmers, bis meine Mutter summend in der Küche verschwunden war und huschte dann so leise es ging wieder die Treppe hinauf. In meinem Zimmer fischte ich wie immer nach irgendeinem Hoodie, der den größten Teil meines Körpers verstecken würde und nach einer angenehmen Hose, die ich gedankenlos überzog. Ich packte noch die Sachen, die ich für den heutigen Tag brauchen würde und warf dann einen prüfenden Blick auf die Uhr. 6.46 Uhr....

Mein Herz machte einen kleinen Freudensprung, als ich bemerkte, dass es noch knapp zehn Minuten waren, bis ich Yoongi wiedersehen würde. Er wollte heute extra einen kleinen Umweg fahren, damit er mich mitnehmen konnte und ich nicht mit dem Bus fahren müsste, obwohl mir das auch nicht wirklich was ausgemacht hätte. Dennoch freute ich mich ein wenig, da ich seine Nähe wirklich mochte und das Gefühl, welches er mir immer gab, wenn wir zusammen waren. Er war einfach meine Ablenkung von den Ereignissen, mit denen ich hier Zuhause konfrontiert wurde und ich sehnte mich nach dem Vergessen, das er manchmal bei mir bewirkte. Er war schlichtweg mein Ruhepol und ich wusste schon längst nicht mehr, was ich ohne ihn noch machen würde.

Immer wieder ließ ich meinen Blick zwischen der Uhr auf meinem Nachttisch und der an meinem Handgelenk hin und her schweifen, wartete sehnsüchtig darauf, dass die Zeit schneller verging. Als es dann endlich soweit war, packte ich mir meinen Rucksack, warf noch einen prüfenden Blick in das Zimmer hinter mir und beeilte mich die Treppe runterzukommen. Kommentarlos ließ ich die Küche hinter mir, ersparte mir das kleine "Tschüss", das ich sonst immer als Verabschiedung da ließ und schnappte mir meinen dicken Mantel, den ich mir eilig überzog. Ich verließ das Haus mit einem befreiendem Gefühl und sah mich suchend nach dem kleinen roten Wagen um, den ich dann auch etwas weiter die Straße runter erblickte. 

Meine Mundwinkel hoben sich zu einem fröhlichen Lächeln und beinahe gut gelaunt schritt ich zu dem Auto, wo ich mich schwungvoll in den Sitz fallen ließ. „Guten Morgen.", begrüßte ich Yoongi mit diesem eher untypisch breiten Lächeln und erfreute mich an seinem süßen Gesichtsausdruck, als er meine sichtbare Freude bemerkte. „Morgen.", erwiderte er meinen Gruß und ein zaghaftes Lächeln zupfte an seinen Lippen, was mein Herz ein paar Frequenzen höher schlagen ließ.

Unsere Augen begegneten sich als hätten sie nacheinander gesucht und wie automatisch kamen wir uns ein Stück näher. Meine Lippen öffneten sich einen Spalt und ich verschwendete nur eine Sekunde an den Gedanken, dass man uns vielleicht sehen könnte. Doch ich war mir sicher, dass sein Auto zu weit entfernt stand, als dass Mom sehen könnte, was hier vor sich ging und so schloss ich entspannt die Augen und wartete nur gebannt auf das atemberaubende Gefühl, wenn unsere Münder aufeinandertreffen würden.

Jedoch war meine Vorstellung nichts im Gegensatz zur Realität. Wie immer raubte mir der leichte Kuss den Atem und ich spürte die Hitze in mir aufwallen, die meinen Verstand umnebelte. Ganz zart lag unsere Haut aufeinander und fast schon unschuldig bewegten sich unsere Lippen gegeneinander, bis ich es nicht mehr aushielt und mich überwältigt von ihm löste, um ein wenig nach Luft zu schnappen. „Wow, das ist jedes mal echt unbeschreiblich.", schwärmte ich und freute mich über sein leises Kichern. „Das kann ich nur zurückgeben.", meinte er ein wenig verführerisch, wobei sein heißer Atem schwer gegen die nun empfindliche Haut meiner Lippen stieß. Er hauchte mir einen letzten kurzen Kuss darauf, bevor er den Gang einlegte und die Handbremse löste.

Ein wenig ruckig fuhr er aus der Parklücke und bog dann auf eine der größeren Straßen, die uns in die Schule führen würde. Anders als die letzten Tage war meine Stimmung nicht gedrückt und irgendwie machte mich der Gedanke glücklich heute mal nicht meine Maske tragen zu müssen, sondern einfach mal ich selbst zu sein. Ich hatte dieses Gefühl vermisst, vor allem in den letzten Wochen, in denen ich praktisch zu dieser Maske geworden war, doch heute war irgendwie alles anders. Ich fühlte mich leichter, unbeschwerter und das alles hatte ich nur Yoongi zu verdanken, mein funkelndes Licht am Horizont.

𝑀𝑖𝑟𝑟𝑜𝑟 | 𝑌𝑜𝑜𝑛𝑚𝑖𝑛 |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt