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Jimin

Blinzelnd klappten meine Augenlider immer wieder auf und zu. Ein unsagbares Gewicht schien an meinen Wimpern zu hängen und verhinderte, dass ich die kleinen schwarzen Buchstaben vor mir deutlich erkennen konnte. Ich versuchte es noch einige Male, las diesen einen Satz wieder und wieder von vorne, bis ich resigniert seufzend das Buch in meinen Händen schloss und beiseite legte. Die Müdigkeit haftete nun schon seit einigen Stunden an mir, doch bis jetzt hatte ich mich vehement gegen diesen unaufhörliches Drang gewehrt meine Augen einfach für eine Weile zu schließen und zu entspannen. Ich wusste nicht wirklich explizit, warum ich so dachte, aber ich fürchtete mich ein wenig vor den Offenbarungen des Schlafes. Ich wollte die Wahrheit in meinen Träumen nicht sehen, wollte es nicht wahrhaben Dinge zu realisieren, die ich nicht wahrhaben wollte, konnte den Gedanken nicht ertragen dort eine Version meiner Zukunft zu sehen, die ich niemandem wünschte.

Doch mein Körper lechzte nach Schlaf und so sackte auch mein Kopf in das schwere Kissen hinter mir und war kurz davor endgültig abzuschalten. Aber gleich darauf war ich wieder hellwach. Ich spitze meine Ohren ein wenig und verkrampfte sofort ein wenig, als ich eindeutig Schritte auf der Treppe hörte; auf den Weg nach oben. Es wäre auch nichts sonderlich schlimmes dabei gewesen, könnte ich nicht anhand der stapfend aufgesetzten Füße auf dem Holz erkennen, um wen es sich dabei handelte. Denn nur mein Vater hatte diesen schweren Gang, flog nicht so leichtfüßig über den Boden wie meine Mutter.

Meine Muskeln spannten sich noch weiter an, als ich den Geräuschen folgte und dabei bemerkte, welches Ziel mein Vater anvisierte. Würde er ins Schlafzimmer oder auch ins Bad wollen, könnte ich schon längst nichts mehr hören, doch zu meinem Bedauern stoppten seine Bewegungen erst direkt vor meiner Zimmertür....

Mit einem eher unbehaglichen Ziehen in der Magengegend, setzte ich mich ein Stück auf und blickte bereits erwartend zu der sich öffnenden Tür, einfach in der Hoffnung er würde mir nur wieder eine belanglose Aufgabe auftragen und dann in seiner üblichen Manier verschwinden. Ich tröstete mich mit diesem Gedanken, gab ihn jedoch gleich wieder auf, als ich sah wie seine dunkle Gestalt vollständig in das Zimmer trat. Würde er irgendeine Aufgabe für mich haben, würde er nur im Türrahmen bleiben, die Hand stets auf der Klinke, um auch gleich wieder zu abzuhauen. Doch diesmal war es anders. Er kam auf mich zu, schloss das abgegriffene Holz vorsichtig hinter sich und setzte sich auf die andere Seite meines Bettes. Verwirrt zog ich meine Beine an meinen Körper, rutschte noch näher an das mit Kissen ausgestattete Kopfende und betrachtete verwirrt die eingesunkene Gestalt meines Vaters.

Anders als sonst waren seine Schultern heute nicht erhoben, strotzten heute nicht vor Kraft oder Selbstbewusstsein, die mir ständig bewiesen, dass ich ihm nicht gewachsen war. Sonst glich sein Gesicht einer monotonen Fassade, keine wirkliche Gefühlsregung war darauf zu erkennen, nur die zu jedem Zeitpunkt sichtbare und tiefe Falte direkt zwischen seinen Augenbrauen. Es wunderte mich, auch wie er da saß und schwieg. Ich kannte dieses Verhalten von meinem Vater nicht und das beunruhigte mich. Irgendwie wollte ich grade, dass er mir in einem harschen Tonfall sagte ich solle die Küche in Ordnung bringen, in der er grade gekocht hatte, ich wollte dass er mich nicht ausreden ließ und mir keine Möglichkeit für Einwände ließ. Denn das wäre ich wenigstens gewohnt.... Doch das tat er nicht, weswegen sich ein bitterer Kloß in meiner Kehle bildete und sich nur noch verstärkte als seine für seine Verhältnisse leise Stimme durch den Raum drang.

„Hör mal Jimin....... ich weiß, ich habe echt Scheiße gebaut." Seine Worte überraschten mich und auch der Blick, den er mir dabei zuwarf. Es war nicht wirklich Reue darin, dafür begriff er nicht, was sein Verhalten bereits schon ausgelöst hatte, aber es war etwas ähnliches, verfehlte jedoch nicht die intensive Wirkung, die all das auf mich hatte. Ich verstand es nicht ganz; diesen irgendwie plötzlichen Sinneswandel nach all dem Unverständnis, den er uns die letzten Tage entgegengebracht hatte. Es beängstigte mich, brachte mich zum Schweigen, sodass ich nur leicht skeptisch zu ihm sah. „Ich habe echt Mist gebaut und damit alles kaputt gemacht. Ich kann mich nichtmal an diesen Abend erinnern und würde am liebsten alles einfach wieder vergessen.", brachte er leidend hervor, wie als würde er zum ersten Mal in der Lage sein das Ausmaß all seines Handelns beurteilen zu können. Doch mir war das grade eher unwichtig, obwohl es wie ein Schritt nach vorne aussah. Allerdings hatte ich auch verstanden, was er gesagt hatte und auch das, was er nicht gesagt hatte. Wut kam in mir auf und ein sarkastisch angehauchtes Schnauben drang aus meiner Nase.

𝑀𝑖𝑟𝑟𝑜𝑟 | 𝑌𝑜𝑜𝑛𝑚𝑖𝑛 |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt