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Jimin

Ich drückte mich eng an Yoongis weiche, trostspendende Brust, wobei ich spürte, wie die Tränen bereits versiegten. Mir fiel auf, dass ich allein in den letzten Tagen mehr geweint hatte als sonst in Monaten und ich fragte mich, ob das an mir oder an Yoongi lag. Ich hatte mittlerweile akzeptiert, dass er diese schwache Seite in mir zum Vorschein bringen konnte, dennoch schämte ich mich ein wenig.

Eine ganze Weile blieben wir so da stehen, Arm in Arm, nicht gewillt den anderen auch nur für eine Sekunde loszulassen und ich hatte überhaupt keine Probleme damit. Ich genoss es sogar, die Wärme, die mich dabei umgab, das Gefühl mich einfach fallen zu lassen. Es nahm mir ein wenig von meiner Last, die stetig mehr zu werden schien und die langsam begann mich von innen zu zerstören. 

„Danke, dass du immer für mich da bist, Yoongi. Ich weiß nicht, wie das alles immer auf dich wirken muss, aber ich bin wirklich froh, dass du dich nicht von mir abwendest, egal wie abweisend ich auch bin.", schniefte ich leise und drückte meine Nase fest gegen seinen Hals, um diesen süßen Geruch zu inhalieren, den er jederzeit verströmte. „Du musst dich nicht bei mir bedanken. Du weißt, dass ich etwas für dich empfinde und deswegen will ich, dass es dir gut geht." Erneut verschwamm meine Sicht, aber diesmal nicht vor Verzweiflung oder Furcht, sondern vor Rührung. Seine Worte drangen direkt in mein Herz, schlossen diesen ekligen Riss der Angst, den der Traum dort hinterlassen hatte.

Doch jäh wurde unsere bedeutsame Zweisamkeit wieder unterbrochen, als mit einem Ruck die Tür aufgerissen wurde und die dunkle Haarflut meines besten Freundes zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt im Türrahmen erschien. „Jimin? Bist du imm- OH!", rief er ein wenig entsetzt und starrte überrascht auf die Szene, die sich ihm grade bat. Hastig löste ich mich aus Yoongis Umarmung und konnte nicht vermeiden, wie die Röte gepaart mit einer großen Portion Panik in mir aufstieg. „Also damit hätte ich jetzt nicht gerechnet.", Taes Gesicht zierte ein strahlendes Grinsen. „Obwohl, so wirklich überraschend kam das jetzt nicht. Naja, ich lass euch dann mal wieder alleine." Er zwinkerte verschmitzt und eine böse Vorahnung beschlich mich, weswegen ich meinem besten Freund schnell hinterherrief und dann meine Beine in die Hand nahm, um ihn auf dem Gang noch einzuholen.

Zu meinem Glück hatte er es wohl nicht so eilig gehabt und so fasste ich ihm am Handgelenk und zog ihn unvermittelt in eine ruhigere Ecke, wo ich ihn eingänglich betrachtete. „Bitte Tae tu mir einen Gefallen und behalt das für dich.", flüsterte ich ernst, wobei meine Stimme bereits vor unterdrückter Angst zitterte. „Jimin. Ich hab dir letzte Woche schon gesagt, dass schwul sein völlig okay ist. Wir leben nicht mehr im Mittelalter und ich weiß zu einhundert Prozent, dass niemand etwas dagegen sagen würde, vor allem nicht unsere Freunde." Meine Gedanken huschten zu Kookie und Jin,  selbst Namjoon, den ich mittlerweile als Freund betrachtete und diesbezügliche musste ich Tae auch zustimmen, nur war es nicht die Reaktion meiner Freunde, vor der ich so sehr bangte.

„Ich weiß, aber du verstehst das nicht.", versuchte ich verzweifelt meinen Freund zu überzeugen. „D-das mit Y-yoongi ist erst seit wenigen Tagen, ich will wirklich nicht vorschnell handeln.", probierte ich es dann auf diese Weise und schien damit sogar Erfolg zu haben, als ich sah wie sich seine Gesichtszüge lockerten. „Achso... Du bist dir also noch nicht sicher?", fragte er einfühlsam und legte seine großen Finger auf meinen Arm, wie als würde dadurch die Ruhe von ihm auf mich übergehen. Ich nickte etwas verunsichert und dachte an all die Momente, die ich derzeit schon mit Yoongi erlebt hatte.

Mir wurde klar, dass ich mir trotz meiner Behauptung sicher war ebenfalls Gefühle für ihn zu haben, aber dennoch war da noch etwas anderes in mir, tief vergraben, das mich nicht komplett auf ihn einlassen ließ, obwohl ich es gerne wollte. „Mhm. Wie wärs, wenn du ein bisschen mehr Zeit mit ihm verbringst? Lern ihn besser kennen, lass ihn dich besser kennenlernen, ich bin mir sicher, dass du dir dann mehr über deine Gefühle klar wirst." Ich überlegte einen Moment, ließ mir seinen Vorschlag durch den Kopf gehen. „Du meinst also sowas wie ein Date?"

Daraufhin lachte mein bester Freund amüsiert und ich wunderte mich über diesen plötzlichen Stimmungswechsel, vor allem weil es eine ernstgemeinte Frage gewesen war. „Das wäre eine Möglichkeit ja, aber ich meinte eigentlich nur, dass du dir Zeit für ihn nehmen sollst. Ihr müsst ja nicht gleich auf ein Date gehen, ein einfacher Spaziergang oder so würde bestimmt schon reichen. Es kommt auf die Kleinigkeiten an, diese zeigen dir, wie viel du ihm wirklich bedeutest und andersrum genauso." Jetzt beherrschte ein aufrichtiges Lächeln seine Lippen und ich war irgendwie froh, dass er die Szene im Klassenraum mitbekommen hatte. Es gab viele Gründe, warum wir beide schon seit Kindertagen miteinander befreundet waren, aber einer davon war sein Mitgefühl, seine grenzenlose Ehrlichkeit. Ich wusste es zu schätzen, dass er mir grade half, auch wenn er mir scheinbar banale Möglichkeiten vorstellte. Doch für mich bedeuteten sie die Welt, gaben mir eine Richtung, ein Ziel, das ich verfolgen konnte.

„Danke, Tae.", gab ich ehrlich berührt zu und hätte ihn gerne in den Arm genommen, wenn wir nicht von mehreren Schülern umzingelt wären. Tae jedoch winkte nur leichtfertig ab und zusammen machten wir uns auf den Weg zu den anderen, um den winzigen übriggebliebenen Rest unserer Pause noch zu genießen. 

𝑀𝑖𝑟𝑟𝑜𝑟 | 𝑌𝑜𝑜𝑛𝑚𝑖𝑛 |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt