✾23✾

210 20 8
                                    

Jimin

„Danke Yoongi, für alles.", meinte ich mit einem ehrlich gemeinten Lächeln und griff bereits nach der Autotür, um auszusteigen, als sich seine schlanken Finger um mein Handgelenk wickelten und mich somit vom Gehen abhielten. Ich wandte mich ihm erneut zu und zuckte kurz überrascht, nachdem die Finger seiner anderen Hand zärtlich über mein Gesicht strichen. Ich genoss das kleine Kribbeln, dass sich daraufhin an dieser Stelle ausbreitete, erschrak aber als mir bewusst wurde, dass wir grade vor dem Haus meiner Eltern standen und es für sie ein leichtes wäre uns zu beobachten.

Schnell griff ich nach seiner Hand, verschränkte sie mit meiner und achtete dann darauf unsere Hände außerhalb des möglichen Sichtfelds zu halten, während ein nervöser Knoten in meinem Magen für Unsicherheit sorgte. Zu meinem Glück merkte Yoongi nichts von meiner panischen Reaktion und schenkte mir stattdessen ein süßes Lächeln. „Du brauchst mir für nichts zu danken. Wenn etwas sein sollte, bitte zögere nicht mich anzurufen, meine Nummer hast du ja jetzt." „Okay.", gab ich ihm meine leise Zustimmung und griff erneut nach dem Türgriff. Diesmal ließ er es zu, obwohl ich bemerkte, dass er mich eher nur widerwillig losließ.

Dennoch war mir die Gefahr von meinen Eltern entdeckt zu werden viel zu groß, also ignorierte ich das kleine Stechen in meinem Herzen, dass sich so sehr nach seinen Berührungen sehnte und stieg schlussendlich aus. „Bis morgen.", rief ich ihm noch halblaut zum Abschied zu und winkte ihm dann, als er mit seinem Auto davon fuhr.

Jetzt da er weg war, umgab mich eine komische Stille, es war beinahe gruselig und ein nervöses Kribbeln setzte sich in mir fest. Ich drehte mich einmal um 180 Grad und sah dann direkt zu dem Haus, in dem ich schon mein gesamtes Leben verbracht hatte. Ich musterte die helle Fassade, die mir kühl entgegen starrte und mir eine Gänsehaut verursachte. Kleine blattlose Ranken verzierten die sonst kahlen Wände und beinahe wirkte es wie eines der verlassenen Häuser in diesen typischen Horrorfilmen, nur mit dem Unterschied, dass dieses Haus noch bewohnt war, obwohl sich darüber streiten ließ, ob das nicht auch mit Horror gleichzusetzen war.

Ich atmete ein Mal tief durch, warf noch einen letzten Blick zu dem Zuhause, das für mich eher einer Hölle glich und machte mich mit kleinen Schritten daran die Straße zu überqueren. Fast schien es, als würde ich mir bei jedem weiteren Schritt mehr Zeit lassen, in der Hoffnung der Weg würde sich dadurch ewig hinziehen und ich so schnell nicht wieder auf meine Familie treffen würde, so traurig das auch klingen mag. Fakt jedoch war, dass ich mich wie ein Fremder in meiner eigenen Familie fühlte, wie der Außenseiter, den niemand leiden konnte und der deswegen ständig gemobbt wurde.

Natürlich waren sie nicht immer so speziell, es gab durchaus gute Tage, an denen es nahezu schien als wären wir eine Vorzeigefamilie Koreas, doch genau deswegen machte es mein Leben nur noch komplizierter. Denn genau diese Tage schürten die Hoffnung in mir, die Hoffnung, dass vielleicht doch noch alles gut gehen würde, aber genauso wie alles andere Gute auf dieser Welt waren auch diese Tage vergänglich und schlechte folgten, welche dann meine Hoffnungen sofort wieder metertief unter der Erde begruben.

Doch leider war ich kein Superheld und hatte weder Kontrolle über die Zeit noch über die Materie, sodass mich meine Füße schließlich bis vor die Haustür trugen und ich nun jetzt wohl oder übel hinein musste. Erneut nahm ich einen tiefen Atemzug und kramte mit vor Kälte und Nervosität zitternden Händen nach dem Schlüssel, den ich dann letztendlich fand und die Tür öffnete.

Wie beim letzten Mal vor zwei Tagen begrüßte mich ein Schwall warmer Luft, der mich kurz wohlig aufseufzen ließ, bevor ich die Kälte schnell hinter mir ließ und schließlich eintrat. Zu meinem Glück erwartete mich nicht sofort ein Begrüßungskommando aus Vorwürfen und Triaden, weshalb ich mir viel Zeit ließ beim Ausziehen meines Mantels.

Für einen Sonntagmorgen war es auch tatsächlich ziemlich still, nur die gedämpften Geräusche des Fernsehers waren aus dem Wohnzimmer zu hören, was mich sofort Vermutungen anstellen ließ, wer dort war. Da ich mich jedoch trotz meines Unwohlseins verpflichtet fühlte meinen Eltern wenigstens Hallo zu sagen, schob ich meine vielleicht auch total unnötigen Befürchtungen weit von mir und tappste in das Wohnzimmer.

Wie bereits erwartet, begrüßte mich ein vertrauter Anblick. Mein Vater saß seelenruhig und mit den Füßen auf dem Tisch auf dem Sofa und schaute fern, während Mom mit dem Rücken zum Bildschirm saß und einen riesen Berg Wäsche zusammenlegte.

„Hey Mom, Dad.", sagte ich in einem gespielt gelassenen Ton und spannte mich unwillkürlich bereits an. „Oh Jimin, da bist du ja endlich.", erwiderte meine Mom und unterbrach für einen kurzen Moment ihre Arbeit, während Dad nur leise grummelte und dabei seinen Blick nicht ein Mal vom Fernseher abwendete. Ein kalter Stich fuhr durch mein Herz, als mir klar wurde, dass Dad diese niveaulose Sendung anscheinend als wichtiger erachtete als seinen eigenen Sohn.

„Sag mal meintest du nicht gestern noch, dass du dich mit Tae verabredet hast?", fragte meine Mom auf einmal aus heiterem Himmel und sofort verknotete sich mein Magen zu einem schmerzhaften Durcheinander. Unterschwellige Angst stieg in mir auf und meine Gedanken schossen zu gestern Abend zurück, zu dem Moment als Yoongi und ich uns geküsst hatten.

„Ähh ja, wieso fragst du?", ich versuchte mich so locker hinzustellen, wie es mir in dem Moment möglich war und hoffte einfach darauf, dass sie nichts von meiner Angespanntheit mitbekommen würde. „Naja, ich hab dich grade eben aus dem Auto eines anderen Jungen aussteigen sehen..." Sie machte eine kleine Pause und ich sah praktisch den Moment, in dem es in ihrem Kopf Klick machte. „Das ist doch nicht etwa dieser neue Klassenkamerad von dem du mir erzählt hast und für den du etwas empfindest?!"

𝑀𝑖𝑟𝑟𝑜𝑟 | 𝑌𝑜𝑜𝑛𝑚𝑖𝑛 |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt