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Jimin

Ähnlich wie bereits die Tage zuvor, vergingen auch Silvester und Neujahr ziemlich unspektakulär. Das einzige, was mich an diesen Tagen wohl besonders beschäftigte, war die Distanz zu Yoongi. Ich vermisste ihn, vermisste seine Präsenz um mich herum, vermisste die Möglichkeit an langen, vom Ausharren geprägten Tagen mit nur einem Wort, einem Klick und ein paar Worten genau diese Präsenz wieder spüren zu können. So gerne wollte ich in der Wärme seiner Arme versinken, dem Lied seines Herzens lauschen und dabei ganz genau wissen, dass ich im kommenden Schlaf nicht allein sein würde, dass ich niemals mehr allein sein würde.

Leider war es genau das, was meine Stimmung momentan so trübte. Denn ich war allein.

In der letzten Woche hatte es nie jemanden gegeben, der mich fest in seinen Armen gehalten hatte, der mir sanft durch die Haare fuhr und mit leiser Stimme versicherte, dass alles schon irgendwie gut gehen würde. Niemand hatte das Chaos in meinem Herzen gesehen, nicht als es aufgebrandet war wie ein plötzlicher Sturm und auch nicht als es langsam, allmählich und mit fortschreitender Zeit wieder abflaute. Niemand hatte meine Maske bemerkt, niemand mein freundliches Lächeln mit den müden Augen hinterfragt, niemand war da gewesen, um meinen schläfrigen Gedanken zu lauschen, wenn der Mond hoch und hell am Himmelszelt thronte. Niemand...

.... hatte mich aus meinen Träumen geweckt und niemand...

.... niemand hatte mich aus meinem Alltag befreit.

Tief seufzend schlug ich meine Augen wieder auf, blinzelte kurz, nur um zu bemerken, dass sich nichts geändert hatte seitdem ich meine Lider schloss, um den Gedanken freien Lauf zu lassen. Einzig der Himmel hatte sich weiter verdunkelt, gab den dicken, grauen Wolken die Macht ihre Wut auf die Erde loszulassen.

Es war der Anblick dieser geballten Dunkelheit am Horizont, der meine Sehnsucht weiter schürte, weshalb ich dann doch langsam aufstand und mit drehendem Kopf zu meinem Schreibtisch wankte. Geschafft, auch wenn ich nur einige wenige Schritte gegangen war, fiel ich auf den sonst so bequemen Stuhl vor der hellen Tischplatte, doch da mir in den letzten Tagen die Energie fürs Aufräumen gefehlt hatte, drückten nun einige Kleidungsstücke direkt in meine verspannten und müden Muskeln.

Doch das störte mich vorerst nicht, viel eher weckte etwas anderes meine Aufmerksamkeit. Etwa mittig auf dem hellen Holz lag eine mir mittlerweile sehr vertraute Kiste in einem warmglänzenden Braunton. Sie schmückte keinerlei Verzierungen und auch sonst sah sie wie eine gewöhnliche kleine Truhe aus, doch es war das Innere, was mir dabei am meisten bedeutete.

Vorsichtig, so wie ich es seither tat, löste ich den schlichten Verschluss und hob den Deckel an, ein trauriges Lächeln zuckte dabei über mein Gesicht. Während ich das kostbare Stück daraus nahm, begann mein Herz augenblicklich kräftiger zu schlagen, drückte jedoch wohl genauso sehr vor Sehnsucht wie es vor Liebe holperte.

Mit diesem eigenartigem Gefühl in der Brust betrachtete ich den hübschen Bilderrahmen, der nun in meinen Fingern ruhte. Es war das Weihnachtsgeschenk von Yoongi, welches ich allein in dieser Woche öfter gemustert hatte als ich überhaupt zählen konnte. Wie immer erhoffte ich mir dadurch den Schmerz über die jetzige Distanz zu mindern, wurde aber bis jetzt weitestgehend enttäuscht. Trotzdem sah ich mir die sorgsam und liebevoll arrangierten Fotos nur zu gerne an. Vor allem das mittlere Bild hielt meinen Blick immer besonders lang gebannt. Es war ein Selfie von uns beiden- dick eingepackt mit Mütze und Schal, das Gesicht eigentlich fast nicht erkennbar, während der frisch fallende Schnee um uns herum eine wunderschöne Landschaft schuf.

Auch jetzt konnte ich meine Augen nicht davon nehmen, doch statt in nostalgischen Erinnerungen an unsere gemeinsame Zeit in den Bergen zu versinken, richtete ich meinen Fokus auf das Bild selbst, viel eher auf uns.

𝑀𝑖𝑟𝑟𝑜𝑟 | 𝑌𝑜𝑜𝑛𝑚𝑖𝑛 |Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt