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Warnung!

Wie schon bereits vor einigen Kapiteln enthält das folgende Szenen, die gewalttätiges Verhalten zeigen. Damit möchte ich dieses keinesfalls romantisieren und genauso wenig herunterspielen. Was kommt ist unter keinen Umständen angebracht oder auch nur irgendwie in einer positiven Weise zu betrachten.

Jimin

Der Weg nach Hause hatte sich noch nie so lang und beschwerlich angefühlt. Immer weiter tuckerte der Bus durch die dicht befahrenen Straßen der Stadt, jede kleine Erhebung spürte ich in meinen Knochen vibrieren.

Außerdem war ich die Blicke der anderen Menschen um mich herum leid. Es war offensichtlich, dass ich ein Schüler war und dementsprechend zu einer solchen Uhrzeit nicht zusammengesackt und leise schniefend in einem Bus zu den Wohnsiedlungen unterwegs sein sollte, doch was die meisten verunsichern sollte, war meine jämmerliche Gestalt. Ich fühlte mich elend. Meine Augen brannten aufgrund der unzählig geweinten Tränen, meine Wimpern waren verklebt, während es in meinem Arm unablässig pochte.

Es glich einem Echo meines Herzen und doch bezweifelte ich es. Dafür war es viel zu regelmäßig. Mein echtes Herz glich vielmehr einer kaputten Maschine, die ratterte und ächzte- wie als würde sie jeden Augenblick den Geist für immer aufgeben. Es drückte in meiner Brust, es drückte so wahnsinnig doll, dass es mir zeitweise den Atem raubte.

Aber was hatte ich auch anderes erwartet? Dass Yoongi Verständnis für mein Verhalten aufbringen würde? Und selbst wenn... es würde nichts ändern an der bitteren Tatsache, dass ich grade etwas unfassbar kostbares aufgegeben hatte.

Die Liebe tat weh, ja das tat sie wirklich. Es war eine so starke Kraft, am eigenem Leib hatte ich erfahren wie sie es schaffte gebrochene Seelen zu heilen, Hoffnung und Licht selbst in den trostlosesten Umgebungen zu schaffen. Doch genau deswegen tat es umso mehr weh sie wieder aufgeben zu müssen, zu wissen, was genau man zurückließ und verschmälerte. Ich hatte die Heilung und die Hoffnung erfahren, doch jetzt da sie für immer verschwunden waren, fühlte es sich an wie ein Schlag.

Ein grauenvoll mächtiger Schlag.

Tief aufseufzend schnappte ich mir meinen neben mir liegenden Rucksack als der Bus sich langsam meiner Haltestelle näherte. Mit gesenktem Kopf schlüpfte ich an den wenigen Menschen vorbei, die mir argwöhnisch hinterher blickten und trat in die eisige Januarkälte.

Der Schnee knirschte leise unter meinen erschöpften Schritten, begleitete mich durch die Straße voller lieblich aussehender Häuser, deren Fassade niemals auch nur annähernd einen Blick auf das wahre Leben dahinter zuließ.

Wie eine Art Hintergrundmusik vermischten sich die typischen Geräusche meiner Nachbarschaft- vom scharfen Kläffen des kleinen Terriers ein paar Meter weiter bis hin zum Brummen der Autos und gackernden Gespräche einiger älterer Leute, die einen der kleinen Lebensmittelläden um die Ecke ansteuerten.

Abwesend lauschte ich all dem, konnte jedoch nichts davon wirklich wahrnehmen. Es rauschte praktisch alles an mir vorbei, ich fühlte mich wie in einer selbsterrichtenden Glaskugel, in der all mein Schmerz pulsierte und mich stetig daran erinnerte, warum ich überhaupt erst hier war und dem vormittäglichen Lärm zuhören konnte.

Und dann.... vielleicht ein paar weitere zehrende Schritte später, stand ich vor der hässlichsten Fassade, die mir je untergekommen war. Sie glänzte so toxisch weiß im Schnee, dass ich mich fragte wie es überhaupt möglich war so viel Dunkelheit zu verbergen.

Denn das war mein Zuhause nun geworden. Es war die Personifizierung der Finsternis, der Schatten, des Übels.

Ehrlich gesagt wollte ich nicht hinein. Obwohl ich wusste, dass mich niemand erwarten würde, wollte ich nicht in die vertrauten Flure treten, die vertrauten Möbel erblicken und vor allem wollte ich mich nicht erinnern.

𝑀𝑖𝑟𝑟𝑜𝑟 | 𝑌𝑜𝑜𝑛𝑚𝑖𝑛 |Where stories live. Discover now